Das Zünglein an der Waage im WM-Kampf

Von Alexander Mey
Norbert Haug und Lewis Hamilton können wieder lachen: McLarens Performance wird immer besser
© Getty

Bei McLaren-Mercedes wusste man direkt nach dem Europa-GP wohl nicht so richtig, ob man sich freuen oder ärgern sollte.

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Man entschloss sich aber schnell, den verpassten Sieg abzuhaken und sich stattdessen über eine beeindruckende Auferstehung von den Toten zu freuen.

Ein Vergleich sagt alles: McLaren-Mercedes hat in den ersten neun Saisonrennen 14 WM-Punkte geholt. In Ungarn und jetzt in Valencia waren es 27, fast doppelt so viele wie das zweitbeste Team Brawn GP.

"Die Silberpfeile fliegen wieder", sagte Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug im SKY-Interview nicht ohne stolz. "Kein Team hat in den letzten beiden Rennen mehr Punkte geholt als wir. Das sah vor einer Weile nicht so aus."

Große Zufriedenheit, kurz nachdem man im Rennen einen dummen Fehler gemacht hatte, ohne den Lewis Hamilton möglicherweise hätte gewinnen können. So etwas gab es bei den Silbernen in der Vergangenheit nicht oft.

Missglückter Boxenstopp: Der Knackpunkt in Runde 37

Es war der zweite Boxenstopp von Hamilton in der 37. Runde, der ihn fünf Sekunden und die Chance kostete, gegen Rubens Barrichello seine Führung, die er bis dahin inne hatte, zu verteidigen.

Der Fehler war ebenso simpel wie peinlich. Hamilton kam schlicht und ergreifend eine Runde früher an die Box als die Mechaniker erwarteten. Sie waren nicht vorbereitet und mussten erst noch mühsam die Heizdecken von den Reifen entfernen. Das dauerte die entscheidenden Sekunden.

"Das war ein Koordinationsfehler. Lewis wurde in die Box beordert. Wir wollten aber, dass er noch zwei, drei Runden fährt. Deshalb war die Boxencrew nicht vorbereitet", erklärte Haug.

Hamilton ergänzte: "Ich erhielt einen Funkspruch, dass ich an die Box kommen soll. Also bog ich ab. An der weißen Linie realisierten sie am Kommandostand, dass ich noch genug Benzin für eine weitere Runde hatte, also sagten sie mir, dass ich noch eine Runde draußen bleiben soll. Da war es aber schon zu spät."

Hamilton: "Nicht die Pace, um zu gewinnen"

Ob es ohne den Fehler zum zweiten Hamilton-Sieg in Folge gereicht hätte, ist fraglich, denn Barrichello war zu diesem Zeitpunkt pfeilschnell unterwegs. "Wir hatten heute nicht die Pace, um das Rennen zu gewinnen", sagte Hamilton dazu.

Vielleicht hat er Recht, vielleicht will er durch diese Aussage aber auch nur das Team in Schutz nehmen.

Auch für den Weltmeister war das Entscheidende an diesem Tag nicht der womöglich verschenkte Sieg. Es war die Tatsache, dass er sich überhaupt wieder über einen zweiten Platz ärgern kann.

Keine Chance in den schnellen Kurven von Spa?

Nach einem Sieg in Ungarn und einem zweiten Platz in Valencia ist nun die entscheidende Frage, ob McLaren-Mercedes auch in den einst so ungeliebten schnellen Kurven mittlerweile konkurrenzfähig ist.

Denn nur wenn das der Fall ist, können die Silberpfeile auch beim kommenden Rennen in Spa glänzen. Helfen soll dabei ein Auto mit etwas verkürztem Radstand. Aber ob das reicht, um wieder um den Sieg zu fahren?

Haug zweifelt daran: "Ich habe meine Bedenken, ob wir das in den schnellen Kurven schon so gut können. Ich glaube nicht, dass wir in Spa so gut in Form sein werden wie hier."

Haug: "Wir fahren nur für uns!"

Die Konkurrenz von Brawn GP und Red Bull wird es mit großem Interesse verfolgen. Denn wenn Hamilton auch in Spa um einen Podestplatz mitfahren kann, dann kann er es in jedem der noch ausstehenden Rennen.

Er wird also ein entscheidender Faktor im WM-Kampf werden, der Button, Barrichello, Vettel und Webber wichtige Punkte wegnehmen kann.

Haug will davon freilich nichts wissen: "Zünglein an der Waage hin oder her, das überlegen wir nicht", sagt er zu SPOX. "Wir wollen weder für Brawn noch für Red Bull fahren - wir fahren nur für uns! Dass Brawn ein Kundenteam ist, hat darauf überhaupt keinen Einfluss."

Der WM-Stand nach elf von 17 Rennen