Button: "Zurücklehnen und Eis essen"

Von Alexander Mey
Die Formel 1 startet am 29. März mit dem Rennen in Melbourne/Australien
© Getty

Die FIA hat mit der radikalen Änderung des Wertungssystems in der Fahrer-WM für einen Paukenschlag gesorgt. Nicht einmal zwei Wochen vor dem Saisonstart steht fest: Nicht mehr der Fahrer mit den meisten WM-Punkten wird zwingend Weltmeister, sondern derjenige, der die meisten Siege auf dem Konto hat. SPOX sagt seine eigene Meinung dazu und lässt Experten und User zu Wort kommen.

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Der Weltverband hat gesprochen. Schon in knapp zwei Wochen in Melbourne werden die Fahrer nicht mehr in erster Linie um WM-Punkte fahren, es wird mehr denn je um den Sieg gehen. Denn Weltmeister wird am Ende der Saison derjenige, der am häufigsten ganz oben auf dem Podium stand.

Damit hat die FIA das bisherige Punktesystem (10-8-6-5-4-3-2-1) zumindest teilweise gekippt. Die Punkte werden weiterhin nach diesem Schlüssel vergeben, sie spielen aber in der Fahrerwertung nur noch eine Rolle, wenn zwei oder mehr Fahrer an der Spitze die gleiche Anzahl an Siegen haben. In der Konstrukteurs-WM bleibt alles beim Alten, dort gelten ausschließlich die Punkte.

Affront gegen Teamvereinigung

Mit dieser Regeländerung folgt die FIA weitgehend der Idee von Formel-1-Boss Bernie Ecclestone, der ein Medaillensystem vorgeschlagen hatte, das im Prinzip genau das aussagte, was jetzt gelten wird: Wer am häufigsten gewinnt, ist Weltmeister.

Ein Affront gegen die Teamvereinigung FOTA, die mit ihrem Kompromissvorschlag - einem geänderten Punktesystem (12-9-7-5-4-3-2-1), das den Sieg weniger radikal aufwerten sollte - gescheitert ist.

Freiwillige Budgetobergrenze ab 2010

Weniger kompromisslos war der Weltverband in Sachen Sparmaßnahmen. Ab 2010 soll es zwar eine Budgetobergrenze geben, allerdings nur auf freiwilliger Basis. Teams, die ihr Budget auf 33 Millionen Euro begrenzen, sollen technische Vorteile gewährt bekommen.

Dazu zählen folgende Bereiche: Sie dürfen den Motor weiterentwickeln, das Drehzahllimit von 18.000 überschreiten, einen aerodynamisch effizienteren Unterboden verwenden und bewegliche Flügelteile einsetzen.

Dadurch sollen diese Teams aber keinen Vorteil gegenüber den finanziell unbegrenzten Konkurrenten erhalten. Um das sicherzustellen, behält sich die FIA das Recht vor, die zusätzlichen Freiheiten verändern zu können.

Kritik vom Ferrari-Boss

"Die FOTA drückt ihre Enttäuschung und Befürchtungen darüber aus, dass diese im Alleingang gefällt wurden", kommentierte Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo als FOTA-Chef die FIA-Beschlüsse zur Budgetobergrenze. "Der von der FIA vorgegebene Reglementsrahmen ab 2010 droht, die Essenz der Formel 1 und die Prinzipien, die sie zu einer der populärsten und attraktivsten Sportarten gemacht haben, auf den Kopf zu stellen."

Die Entscheidungen der FIA fordern noch weitere Meinungsäußerungen heraus.

Das meinen die Piloten:

Nick Heidfeld: Das ist Geschmackssache, aber mein Geschmack ist das nicht. Ich fand die alte Regel besser. Mit Punkten ist das nachvollziehbarer. Wir haben nicht ein Rennen, sondern 17 oder 18. Da sollte am Ende der gewinnen, der konstant vorne ist.

Jenson Button: Ich verstehe die Logik dahinter und finde es interessant. Ich fürchte aber, die Fans könnten Probleme bekommen zu verstehen, warum der Fahrer mit 60 Punkten Weltmeister wird und nicht der mit 100 Punkten. Es motiviert natürlich, immer auf Sieg zu fahren, es kann aber auch riskant sein. Es könnte passieren, dass wir nach neun Rennen schon einen Fahrer haben, der den Titel gewonnen hat. Der kann sich dann zurücklehnen und ein Eis essen, obwohl der Zweite der Gesamtwertung nur 18 Punkte Rückstand hat.

Das meint SPOX:

Die Entscheidung der FIA birgt eine Menge Brisanz - und zwar in beide Richtungen. Das neue System kann der Kracher werden, kann aber auch völlig nach hinten losgehen.

Je dominanter ein Fahrer ist, desto langweiliger wird die Formel 1. Man denke nur an Jahre wie 2002 oder 2004, in denen Michael Schumacher schon nach zwei Dritteln der Saison Weltmeister war. Zudem wird es wieder wesentlich reizvoller, mit versteckter Stallorder zu arbeiten, denn es kann sich viel früher eine Nummer 1 im Team herauskristallisieren, die man dann mit aller Macht unterstützen will.

Vorteile bietet das System nur, wenn es generell eng zugeht oder wenn sich die Kräfteverhältnisse während einer Saison drastisch verschieben. Beispiel: Ein Fahrer hat von zehn Rennen sechs gewonnen. Er kann danach seinen Vorsprung nicht wie früher verwalten und in Rennen "auf Ankommen" fahren. Wenn er Pech hat und immer der gleiche Konkurrent die Rennen gewinnt, guckt er am Ende möglicherweise in die Röhre.

Fazit: Die FIA geht mit der drastischen Regel ein großes Risiko ein. Nicht nur sportlich, auch politisch. Denn den Vorschlag der Teamvereinigung FOTA abzulehnen, stößt die Hersteller vor den Kopf. Es wäre diplomatischer und sportlich mindestens genauso sinnvoll gewesen, dem Sieger 12 statt 10 Punkte zu geben und sonst das System bestehen zu lassen. So ist die Entscheidung unpopulär. Aber damit hatte die FIA ja noch nie Probleme.

Das meinen die Premiere-Experten:

Marc Surer: "Ich finde die Regel gut, auch wenn ich mich wundere, dass die FIA zehn Tage vor Saisonstart das bestehende Reglement noch einmal über den Haufen wirft. Mir hat es nie gefallen, dass man theoretisch ohne einen Sieg Weltmeister werden kann. Es ist doch in jedem anderen Sport auch so, dass derjenige Titel gewinnt, der am häufigsten gewinnt. Die Fahrer werden nun wieder mehr riskieren, um Erster zu werden. Da das Punktesystem im Hintergrund bestehen bleibt, wird sich sonst am Rennverlauf nicht viel ändern. Auch ein dritter Platz kann schließlich irgendwann noch einmal wichtig werden, wenn die Anzahl der Siege gleich ist."

Jacques Schulz: "Ich habe damit gerechnet, dass die FIA sich an den Vorschlag der FOTA hält. Aber ich finde das neue System super. Das ist ein richtiger Schritt. Natürlich gibt es zwei Seiten der Medaille, aber das Streben nach Siegen muss am höchsten bewertet werden. Jetzt muss die FIA aber in Sachen Kostenreduzierung genauso energisch nachziehen. Eine freiwillige Budgetobergrenze ist mir zu unausgegoren. Die Formel 1 braucht klare Regeln, die Kosten müssen generell unter 50 Millionen Euro. Ansonsten geht dieser Sport vor die Hunde."

Das meinen die mySPOX-User:

Drogba: "Totaler Quatsch!!!! Jetzt wird die Kontinuität der Wagen total unwichtig! Du musst deinen Motor so bauen, dass er 7 Rennen gewinnt... ob er bei den restlichen explodiert, interessiert dann kein Schwein und du wirst Weltmeister.... außerdem ist dann die Sache mit den Teams auch total überholt! WARUM!???"

Red_7: "Was für ein Schmuh ist das denn? Dann heißt es jetzt also, dass ich, wenn ich auf Platz 2 liege, auf Teufel komm raus den Ersten rasieren muss, denn Platz 2 bringt ja nun nichts mehr. Die FIA schafft es echt in jeder Saison einen vollen Griff ins Klo zu bringen. Ich werde das Gefühl nicht los, dass diese Entscheidung auf das plötzliche Schwärmen von Ecclestone für Medaillen beruht. OK, sind jetzt keine Medaillen, aber die Parallelen sind nicht zu übersehen."

Carlos_Primeros: "Oh Mann! Ich glaube, die FIA und Ecclestone haben jede Achtung für diesen Sport verloren. Unfassbar diese Entscheidung. Dadurch werden die hintere Plätze total uninteressant. Vorne wird doch sowieso mit allen Mitteln um den Sieg gefightet, soweit die Möglichkeiten bzw. das Auto es zulassen. Die Zuverlässigkeit spielt nicht mehr die allergrößte Rolle und irre Aufholjagden vom letzten Platz auf den z.B. 4. Platz sind am Ende total bedeutungslos. Hätten sie bloß den Vorschlag der Teams akzeptiert. Jetzt baut bitte noch ne neue Strecke in den Emiraten und schmeißt z.B Spa raus, dann habt ihr auch die letzten Fans vertrieben."

Andreana: "Was für eine Revolution!!! Der Vorschlag der FOTA hätte dieses schon von ganz alleine geregelt, denn etwas Besseres als die Punkteregelung 12-9-7-5-4-3-2-1 kann es eigentlich nicht geben. Jetzt wird es noch mehr Team-Order geben und alles wird daran gesetzt werden einen Fahrer möglichst viele Rennen zu "schenken". Bin mal gespannt wann der erste Weltmeister mit 90 Punkten gekürt wird und zu welchem Zeitpunkt der Saison das sein wird. Wenn es ganz krass kommt, kann man am Nürburgring am 12.07 schon den Weltmeister küren. Das wird ja dann eine spannende 2.Saisonhälfte. F1 ist wirklich nur noch zum abschalten!!!"

Manül: "Siege kann man auch anders aufwerten! Die Regelung ist Schwachsinn! Ich warte schon auf die ersten Interviews von Theissen und Co... Eine Schande!"

Kharax: "Ich finde diese Entscheidung eigentlich gut. Allerdings ist sie auch ein zweischneidiges Schwert. Denn früher galt es, schnell und konstant zu sein. Jetzt könnte es langen, nur schnell zu sein."

epidemka: "Zweischneidig stimmt. Einerseits ist es gut, weil das Siegen wieder in den Vordergrund rückt und es mehr Kämpfe um den ersten Platz geben wird, aber andererseits könnten, erstens, die weiteren Platzierungen für die Spitzenfahrer ihren Reiz verlieren, wenn der erste Platz bereits weg ist, zweitens könnte die WM überspitzt nach 10 Rennen entschieden sein."

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