Hetzjagd auf Timo Glock

Von Alexander Mey
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© Getty

Timo Glock schlägt nach dem WM-Finale aus Italien und Brasilien eine Welle der Empörung entgegen. Einige Medien werfen Glock offen Betrug vor, nachdem der Toyota-Pilot in der letzten Kurve des Brasilien-GP Lewis Hamilton passieren lassen musste und ihn so unfreiwillig zum Weltmeister machte.

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"Hamilton muss eine Menge Geld an Weihnachten ausgeben für ein Geschenk für Glock. Der hat ihm den Titel auf dem Silbertablett serviert", schrieb der italienische Kolumnist Luca Budel auf dem Sportportal von Berlusconis TV-Gruppe "Mediaset". "Wie von einer Leitplanke in der Mitte der Strecke blockiert, verkaufte er Hamilton den Punkt, den der für den WM-Titel brauchte."

Auch die brasilianische Zeitung "Fohla de Sao Paulo" warf dem Deutschen in einer Karikatur unterschwellig vor, gekauft worden zu sein. Gezeigt wurde ein fiktives Gespräch zwischen Glock und  anderen F-1-Fahrern nach dem Rennen.

Zitat: "Niemand wird dir glauben! Mal im Ernst, wie viel haben sie dir dafür bezahlt? Die Entschuldigung mit den Reifen ist faul! Wenn ich du wäre, ich würde vor Felipe weglaufen."

Glock hatte keine Chance

Neutral betrachtet ist die Entschuldigung mit den Reifen allerdings durchaus plausibel. Glock war trotz einsetzenden starken Regens in den letzten Runden auf Trockenreifen draußen geblieben, während fast alle anderen auf Intermediates wechselten.

In der letzten Runde wurde das Auto auf nasser Piste dann unfahrbar, Glock verlor ebenso wie Teamkollege Trulli, der auch nicht gewechselt hatte, 20 Sekunden in einem Umlauf, konnte kaum noch lenken, bremsen und Gas geben, ohne von der Piste zu rutschen.

"Ich habe definitiv den Platz nicht Lewis überlassen", rechtfertigte sich Glock nach dem Rennen. "Ich denke jedoch, dass Massa derjenige ist, der ganz gut versteht, dass ich am Ende der letzten Runde nichts anderes tun konnte. Mir tut es für ihn leid."

Gegner attackieren Glock-Fanpage

Eine Entschuldigung, die weder die Massa-Fans vor Ort davon abgehalten hat, vor der Toyota-Garage Anti-Glock-Rufe zu skandieren, noch wütende Ferrari-Anhänger daran hindern konnte, mit Hasstiraden dafür zu sorgen, dass das Gästebuch auf seine Fanpage geschlossen werden musste.

"Das war unterste Schublade. Da war vom Dritten Reich und anderen Sachen die Rede", zitiert die "Bild"-Zeitung den Fanklub-Vorsitzenden Ralph Wendler.

Schulz verurteilt Hetzjagd scharf

"Das ist das Allerletzte", echauffiert sich Premiere-Experte Jacques Schulz im Gespräch mit SPOX über die Hetzjagd auf Glock. "Ich war dort, es hat in Strömen geregnet. Ein Wunder, dass Glock das Auto überhaupt auf der Strecke halten konnte. Das war wie auf Eis mit Sommerreifen."

Sein klarer Vorwurf: "Wer Glock unterstellt, Hamilton mit Absicht vorbeigelassen zu haben, hat keine Ahnung vom Motorsport und zeigt ein erstaunliches Maß an Inkompetenz."

Glock hätte keine Reifen mehr wechseln können

Selbst wenn Glock in der letzten Runde noch Reifen hätte wechseln wollen, er hätte es gar nicht gekonnt. "Die Rennleitung hatte die Teams schon nach vorne an die Boxenmauer gelassen. Die Boxeneinfahrt war geschlossen", erklärt Schulz.

Viel Aufregung, die sich aber hoffentlich schon bald wieder gelegt haben wird. Timo Glock ist im Moment auf dem Rückweg aus Brasilien. Vielleicht sieht die Welt ja nach einem Flug über den Großen Teich schon wieder etwas besser aus.

Die Endstände in Fahrer- und Konstrukteurs-WM