Harnos: "Ein Präsident schießt keine Tore"

Von Interview: Florian Regelmann
DEB-Präsident Uwe Harnos (r.) mit Bundestrainer Pat Cortina
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SPOX: Pat Cortina ist durch die verpasste Olympia-Quali auch schon wieder in eine schwierige Position gekommen. Zumal, wenn dann ein Test gegen Schweden 0:8 verloren wird und quasi schon die Rede davon ist, er trainiere die Mannschaft kaputt.

Harnos: Die Mannschaft ist einen Tag später mit dem Sieg gegen Schweden stark zurückgekommen. Das war eine wahnsinnig wichtige Reaktion. Wie er das Training steuert, sollten wir demjenigen überlassen, der am Ende seinen Kopf dafür hinhalten muss. Entscheidend ist, dass die Mannschaft ab dem 3. Mai ihre Leistung bringen kann. Wir haben uns aus guten Gründen für Pat Cortina entschieden, bei dieser Entscheidung saßen hochkarätige Fachleute am Tisch, aber am Ende ist immer der Erfolg oder Misserfolg ausschlaggebend, ob es die richtige Wahl war. Wäre nach 2009 nicht der Erfolg 2010 gekommen, hätte uns jeder für bescheuert erklärt, an Uwe Krupp festgehalten zu haben. Das kann man nicht beeinflussen. Für Pat wird die WM persönlich ganz wichtig, weil ihm die verpasste Quali natürlich auch nahe gegangen ist. Ganz wichtig ist es für die Mannschaft sicherlich, dass Marcel Goc und Christian Ehrhoff aus der NHL dazukommen.

SPOX: Was erwarten Sie in Finnland von der deutschen Mannschaft?

Harnos: Diesmal will es der Spielplan so, dass wir die dicken Fische, die Finnen und Russen, gleich am Anfang bekommen. Die erste Prämisse muss lauten, mindestens Siebter in der Gruppe zu werden. Alles andere ist schwer einzuschätzen. Wenn das Team die Leistung abruft, die es abrufen kann, müsste es eine Chance haben, Österreich, Frankreich und Lettland zu schlagen. Alles andere kommt dann auch auf den Turnierverlauf an, es hängt dann oft an Nuancen. Wir vom Verband können nur die bestmöglichen Voraussetzungen schaffen. Wir haben zwei Co-Trainer dabei, einen Video-Coach - alle zusätzlichen Wünsche, die Pat hatte, wurden erfüllt. Aber er ist letztlich auch davon abhängig, ob die Jungs das umsetzen können, was er ihnen auf den Weg gibt.

SPOX: Einige Spieler haben nicht verletzungsbedingt, sondern aus familiären Gründen ihre Teilnahme abgesagt. Enttäuscht?

Harnos: Es ist ganz schwierig, darauf eine richtige Antwort zu geben. Wenn man es so hört, denkt man sich, das kann es doch eigentlich nicht geben. Die WM ist schließlich der Höhepunkt im Eishockey. Aber man muss auch sehen, dass die Jungs die ganze Saison eine hohe Belastung haben, ihre Knochen hinhalten, aus dem Koffer leben und nie zuhause sind. Wenn dann familiäre Umstände dazukommen, dass die Frau zum Beispiel hochschwanger ist, muss man das auch verstehen. Aber ich werde bei Gelegenheit jeden persönlich darauf ansprechen. Wir haben nun mal die Struktur, dass viele Nationalspieler im DEL-Finale stehen. Die einen erleben ihren Höhepunkt und feiern, die anderen sind frustriert - und alle müssen sich neu motivieren für die WM. Wir sollten da nicht vorschnell kritisieren.

SPOX: Sie sind bis 2014 gewählt. Ist es vorstellbar, dass Sie darüber hinaus im Amt bleiben?

Harnos: Fakt ist, dass es am 30.6. 2014 eine Mitgliederversammlung geben wird. Und in erster Linie werden dann die Mitglieder entscheiden. Wir haben noch viele offene Baustellen, die es zu lösen gilt. Wir haben innerhalb des Präsidiums eine homogene Truppe, die bis ans Äußerste der Belastungsgrenze geht - ehrenamtlich! Wir sind auf einem guten Weg mit der DEL und jetzt müssen weitere Schritte her, das deutsche Eishockey nach vorn zu bringen. Zunächst einmal hoffen wir auf den Zuschlag zur Ausrichtung der WM 2017.

SPOX: Deutschland bewirbt sich gemeinsam mit Frankreich. Wie stehen die Chancen?

Harnos: Man soll nie sagen, dass man gute Chancen hat, dann klappt es eh nicht. (lacht) Vor dem Spiel gegen Österreich hatte ich ein gutes Gefühl und es ist in die Hose gegangen, davon will ich mich nicht leiten lassen. Was ich aber sagen kann, ist, dass wir unsere Hausaufgaben gemacht und ein sehr gutes Konzept haben, gemeinsam mit den Franzosen. Wir haben bis jetzt alles getan, was wir tun konnten und werden das auch noch weiter tun. Wir glauben daran, dass wir eine gute Präsentation vorlegen werden. Wir haben bisher auch noch nichts Negatives gehört. Wir haben mit Frankreich einen guten Partner, der mit Paris-Bercy auch exzellente Verhältnisse anbieten kann. Aber wir müssen uns auch bewusst machen, dass die Konkurrenz groß ist. Dänemark, das noch nie eine WM ausgetragen hat und sportlich im Aufstreben ist, bewirbt sich zum vierten Mal. Dazu machen es die Dänen ähnlich wie wir, in einer gemeinsamen Bewerbung mit den Letten. Lettland war 2006 das letzte Mal dran, wir 2010, das würde dann rein von den Zeitabständen gegen uns sprechen. Es wird sicher kein Selbstläufer.

SPOX: Unabhängig vom Erfolg der Bewerbung geht es um die Zukunft des deutschen Eishockeys. Es wurde einmal eine Agenda ins Leben gerufen, in der von einer dauerhaften Etablierung in den Top 8 die Rede ist. Nach der verpassten Olympia-Quali scheint man davon wieder so unglaublich weit weg.

Harnos: Dieses Ziel dürfen wir aber nicht aus den Augen verlieren, sonst geben wir uns mit den aktuellen Verhältnissen zufrieden. Und das bedeutet Stillstand oder sogar Rückschritt. Wir haben es mit der U18 und U20 immerhin geschafft, den Fahrstuhleffekt zu stoppen und uns in gewisser Weise zu "etablieren". Es finden immer mehr Talente, wie ein Leon Draisaitl, den Weg nach Nordamerika, das sieht man. Dort verharren sie nicht in der vierten oder "fünften" Reihe, dort bekommen sie qualitativ hochwertige Eiszeit und können sich entwickeln. Da haben wir immer noch Nachholbedarf.

SPOX: Aber wenn man die U18 nimmt: Es gab jetzt bei der WM eine Top-Reihe mit Leon Draisaitl, Dominik Kahun und Parker Tuomie. Danach sackte das Niveau aber merklich ab.

Harnos: Sie haben Recht. Um eine hohe qualitative Spitze zu bekommen, brauchst du eine unglaublich breite Masse. Daran müssen wir arbeiten. An vielen DEL- und 2.Liga-Standorten passiert schon einiges, das muss so weitergehen, aber wenn wir uns nur auf 24 oder 28 Standorte konzentrieren, dann reicht das nicht. Das ist doch eine ganz einfache Rechnung. Nehmen wir mal 28 Standorte, bei denen alle 200 oder 300 Kinder spielen, dann sind wir gerade mal bei bestenfalls 8000 Kids, die bei optimalen Voraussetzungen betreut werden können. Wenn wir dann noch sehen, dass sich pro Jahrgang nur ein, zwei oder drei Talente durchsetzen, dann ist das viel zu wenig. Alle Fachleute sagen, dass es das Wichtigste in der Förderung ist, ab dem frühesten Kindesalter qualifizierte Trainer zu haben. Ein Oberligist kann sich aber keinen hauptamtlichen Trainer leisten. Wir müssen an der Basis Dinge verbessern, sonst werden wir es nicht schaffen, dauerhaft unter den Top 8 der Welt zu sein.

SPOX: Sie sprechen Strukturen an. Nun hatte der DEB ein Angebot an die Zweitligisten für eine Liga unter dem DEB gemacht, das mit breiter Mehrheit abgelehnt wurde. Stattdessen wollen die Zweitligisten eine DEL II. Haben Sie Verständnis dafür?

Harnos: Man wird sagen, dass ich das nicht objektiv betrachte, aber ich kann das nicht nachvollziehen. Worum geht es hier eigentlich? Wir waren schon so weit, dass die 2. Liga nach dieser Saison eine Relegation mit der DEL hätte spielen können - der erste Schritt in Bezug auf eine nachhaltige Verzahnung. Ob die dann gewonnen worden wäre und ob dann die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die DEL erfüllbar gewesen wären, ist eine andere Frage, aber wir hätten sie spielen können. Um eine Verzahnung hinzubekommen, haben wir auch Forderungen der DEL Rechnung getragen, was beispielsweise die Einflussnahme bei der Nationalmannschaft angeht. Wenn es dann heißt, der DEB hätte uns verraten, dann verstehe ich es nicht mehr. Jetzt wollen die Klubs aus der 2. Liga plötzlich das machen, was sie der DEL jahrelang vorgeworfen haben? Sie wollen einen Schlussstrich unter die 2. Liga ziehen, um die sportliche Qualifikation soll es nicht mehr gehen, es werden einfach die Standorte genommen, die einem gerade passen - und dann glaubt man, man tut etwas Positives für das deutsche Eishockey? Es tut mir leid, aber das können wir im DEB nicht mehr nachvollziehen. Aber aus welchem Grund auch immer scheint das ihr Standpunkt zu sein. Und dann schreiben sie in ihrer Erklärung, dass sie das Angebot ablehnen, aber den DEB anerkennen und einen Kooperationsvertrag schließen wollen. Das passt nicht zusammen. Wir sind auf jeden Fall der festen Überzeugung, dass es eine Durchlässigkeit braucht.

SPOX: Alle Fans wünschen sich einen Auf- und Abstieg.

Harnos: Die Fans wünschen es sich und sagen: Verband, mach was! Viele Dinge sind dem Fan ja juristisch gar nicht zu erklären, weil man sie selbst als Jurist teilweise nicht versteht. Wir wollen selbstverständlich auch Auf- und Abstieg! In Teilen hätten wir diesen schon in dieser Saison haben können. Wir glauben, dass wir schon einmal auf einem guten Weg waren, bis es eine Umkehr um 180 Grad gab, die wir nicht verstehen können.

Der Spielplan der WM 2013

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