"In Deutschland habe ich keine Rolle gespielt"

Von Interview: Alexander Mey
Felix Schütz (l.) spielt bei der WM in einer Reihe mit Marcel Goc und Philip Gogulla
© Imago

Felix Schütz war mit seinem Tor in der Overtime gegen die USA einer der deutschen Helden im Eröffnungsspiel der Eishockey-WM. Sein Weg ins DEB-Team war außergewöhnlich. Im SPOX-Interview erklärt Schütz seinen Werdegang über die Juniorligen Nordamerikas.

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21 Sekunden nach Beginn der Overtime gegen die USA wurde Felix Schütz zu einem der ersten deutschen Helden bei der Eishockey-WM. Sein Abpraller-Tor bedeutete den sensationellen Sieg des DEB-Teams.

Vor diesem Tor kannte in Deutschland wohl kaum jemand den Namen Felix Schütz. Dabei hat der gebürtige Erdinger mit seinen 22 Jahren schon eine Menge erlebt. Mit 17 Jahren ging er nach Nordamerika, ohne ein Wort Englisch sprechen zu können. Er durchlief eine harte Schule.

SPOX sprach mit ihm über sein hässliches Siegtor gegen die USA, sein Leben in Übersee, die Chancen auf den Sprung in die NHL, eine Beinahe-Beziehung mit einem Teamkollegen und ein ernstes Wort mit Kapitän Marcel Goc.

SPOX: Zu Beginn muss ich erst einmal Kritik von Ihrem Kapitän Marcel Goc weitergeben. Er hat nach dem Spiel gesagt, dass Ihr Siegtreffer gegen die USA hässlich war.

Felix Schütz: (lacht) Das hat er gesagt? Da muss ich wohl noch einmal ein ernstes Wort mit ihm reden. Selbst wenn ich zehn solche Tore mache, ist es mir längst recht. Ich habe gesehen, dass Constantin Braun schießen will und bin schon in den Schuss rein gefahren. Dann habe ich den Puck ans Knie oder an die Hose bekommen, und von da aus ist er direkt rein gegangen. Das war schon ein echtes Highlight. Höher war ich in meiner Karriere noch nie.

SPOX: Wie kommen Sie damit zurecht, bei der WM als Außenstürmer aufzulaufen? Eigentlich sind Sie Center.

Schütz: Das habe ich mich am Anfang auch gefragt. Aber ich glaube, dass es einfacher ist, von der Mitte nach außen zu wechseln als umgekehrt. Ich kann außen sogar etwas offensiver spielen. Das ist schon mal nicht schlecht.

SPOX: Wie funktioniert das Zusammenspiel mit Marcel Goc?

Schütz: Marcel ist im Moment klar einer der besten Spieler in unserem Team und hat auch in der NHL eine tolle Saison absolviert. Ich bin stolz, mit ihm in einer Reihe aufzulaufen. Aber ich will mich auch nicht zu klein reden. Ich habe Selbstvertrauen und weiß, dass ich auf seinem Niveau mitspielen kann.

SPOX: Trotzdem ist er der Führungsspieler im Team, oder?

Schütz: Klar, er ist eine absolute Leader-Figur. Alle Spieler respektieren ihn. Er ist ein super Kapitän. Egal, wo man spielt, man braucht immer Leute mit Erfahrung, die das Team führen.

SPOX: Sie haben Ihre Erfahrungen sehr früh in Übersee gemacht. Das ging in den Jugendligen in Kanada los.

Schütz: Wie jedes kleine Kind wollte auch ich einmal drüben in Amerika spielen. Mit 17 Jahren habe ich dann die Chance bekommen. Meine Familie war damals ängstlich und nervös.

SPOX: Kein Wunder. Sie konnten so gut wie überhaupt kein Englisch, als sie 2005 nach Amerika gegangen sind. Wie haben Sie überlebt?

Schütz: Wenn man eine Sprache lernen muss, geht das sehr schnell. Ich hatte eine Gastfamilie, die mir sehr geholfen hat. Außerdem bin ich parallel noch zur Schule gegangen. Viele sagen jetzt sogar schon, dass man meinen deutschen Akzent gar nicht mehr hört.

SPOX: Die Jugendligen in Amerika sind eine harte Schule. In Deutschland hätten Sie es leichter haben können.

Schütz: Es ist immer schwer zu sagen, wo ich heute wäre, wenn ich damals in Deutschland geblieben wäre. Ich bin glücklich damit, wie es bisher gelaufen ist. Es war die beste Entscheidung meines Lebens. Besonders spielerisch und konditionell hat mir das eine ganze Menge gebracht. Am Anfang war ich nach ein paar Spielen so kaputt, dass ich abends nicht mehr richtig schlafen konnte. Außerdem hilft es dem Selbstvertrauen, wenn man Fehler machen darf und nicht fürchten muss, vom Trainer direkt vom Eis genommen zu werden. In der DEL hat man es als junger Spieler viel schwerer.

SPOX: Aber man könnte heute mehr Geld verdienen als in der AHL, oder?

Schütz: Einiges mehr, auf jeden Fall. Aber ich muss nur für zwei Monate den Sprung in die NHL schaffen, dann habe ich das Geld wieder raus.

SPOX: Momentan hängen Sie aber noch im Farmteam der Buffalo Sabres fest, bei den Portland Pirates. Wie stehen die Chancen, im dritten Jahr den Aufstieg in die NHL zu schaffen?

Schütz: Das ist schwierig vorauszusagen. Jeder im Team will nach oben in die NHL geholt werden. Man muss einfach immer weiter an sich glauben und später irgendwann entscheiden, ob es noch Sinn macht oder nicht. Im kommenden Jahr gehe ich sicher noch einmal rüber. Ob ich danach meinen Vertrag noch um ein weiteres Jahr verlängern werde, muss ich sehen. Wenn ich es nach vier Jahren nicht geschafft habe, komme ich zurück.

SPOX: Wie ist das Leben in Portland?

Schütz: Es wäre schön, wenn es das Portland in Oregon wäre, aber so ist es nicht. Es ist Country-Land, viele alte Leute. Die jungen Leute in meinem Alter gehen alle irgendwann weg zum College. Irgendwie ist es für uns als Spieler aber auch super. Es gibt keine Partys, man wird also nicht abgelenkt und kommt nie in Schwierigkeiten. Man kann sich voll aufs Eishockey konzentrieren.

SPOX: Umso enger hängen Sie und Ihr Teamkollege Philip Gogulla wohl zusammen. Sie spielen beide sowohl in Portland als auch im DEB-Team in einer Sturmreihe.

Schütz: Philip und ich haben sogar zusammen gewohnt. Das war am Ende schon fast wie eine Beziehung (lacht).

SPOX: Eine problematische Beziehung, immerhin sind Sie beide im gleichen Alter und somit Konkurrenten um den Aufstieg in die NHL.

Schütz: Es geht, denn ich bin als Center bei Buffalo eingeplant und er als Außenstürmer. Aber natürlich ist der Konkurrenzkampf da. Es liefe ja auch irgendwas falsch, wenn es nicht so wäre. Wichtig ist, dass es ein gesunder Konkurrenzkampf auf fairer Basis ist. Jeder gibt hundert Prozent und schaut auf sich, behandelt den anderen aber mit Respekt.

SPOX: Sie haben mal gesagt, dass Sie in Deutschland wohl als schlampiges Talent geendet wären. Brauchten Sie einen Tritt in den Hintern?

Schütz: Das stimmt schon. In Deutschland war zum Zeitpunkt meines Wechsels mein Name kein Thema. Ich habe keine Rolle gespielt. Entsprechend zufrieden bin ich jetzt damit, wie es gelaufen ist. Ich bin ja immer noch jung.

SPOX: Eine Frage noch zum Schluss: Wann haben Sie aufgegeben, den Amis die richtige Aussprache des Namens Schütz beizubringen?

Schütz: (lacht) Die kennen da drüben einfach keine Umlaute. Deshalb haben sie mich von Anfang an Schutz genannt und geschrieben. Dagegen habe ich mich nicht gewehrt, weil ich ja selbst kaum Englisch konnte. Aber das ging dann so weiter, dass ich beim Draft Schutz hieß und auch meine Sozialversicherungsnummer auf den Namen Schutz läuft. Jetzt heiße ich eben so. Es wäre zu viel Arbeit, dass alles wieder zu ändern.

SPOX: Und es ergibt bei richtiger Aussprache einen netten Spitznamen für einen Eishockey-Stürmer.

Schütz: Stimmt. Viele meiner Freunde ziehen das U lang und sagen "Shoots".

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