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© (c) Getty Images (Clive Brunskill)
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Von Christian Albrecht Barschel

Steht auf der WTA-Tour ein spektakuläres Comeback bevor? Jennifer Capriati - Ex-Wunderkind, ehemalige Nummer eins der Welt, dreifache Grand-Slam-Siegerin, Olympiasiegerin und Mitglied in der International Tennis Hall of Fame - möchte wieder professionelles Tennis spielen. Das hat die mittlerweile 38-jährige US-Amerikanerin auf ihrem Twitter-Profil verkündet. Anscheinend wollte Capriati bereits bei den diesjährigen US Open an den Start gehen. Vor zehn Jahren hatte sie in New York im Halbfinale ihr letztes Grand-Slam-Match gespielt und zwei Monate später ihre Karriere beendet. Einen Rücktritt vom Profitennis hatte sie aber nie offiziell verkündet.

„Hatte geplant nach zehn Jahren zurückzukehren und bei den US Open zu spielen, wo ich mein letztes Grand-Slam-Match gespielt habe. Aber es muss ein weiteres Jahr warten", schrieb Capriati auf Twitter. Die 38-Jährige ging noch weiter ins Detail. Ihre Comeback-Absichten haben einen ernsten Hintergrund. „Dieser Traum und dieser Wunsch haben sich in meinem Inneren seit langem manifestiert. Es war niemals mein Schicksal, diesen Platz nie wieder zum Spielen zu betreten. Da mein Vater gegen den Krebs kämpft, bin ich noch entschlossener. Ich werde kämpfen, um meinem Vater das allergrößte Geschenk zu machen - jeden Moment zu feiern, den wir haben. Gute Nacht an all meine wahren Fans und Freunde. Lebt jeden Moment mit Liebe und Dankbarkeit. Lasst euch eure Fröhlichkeit von anderen nicht zerstören."

Ladendiebstahl und Marihuana-Besitz

Capriatis Vater Stefano, ist wie sie geschrieben hat, an Krebs erkrankt und spielte in der Karriere der US-Amerikanerin eine wichtige, tragende, aber auch eine tragische Rolle. „Sie hat Potential und sollte behutsam entwickelt werden. Betrachten sie ihre Tennis-Karriere nüchtern. Behalten sie den Spaß bei! Seien sie vorsichtig, dass sie ihren Fortschritt nicht zu schnell erzwingen." So hieß es in den Achtzigern in einer Beurteilung eines Tenniscamps über Capriati mit dem Rat an die Eltern, es langsam angehen zu lassen. Die US-Amerikanerin war damals neun Jahre alt. Stefano Capriati ignorierte aber diese Einschätzung und formte seine Tochter zum neuen Wunderkind im Tennis. Als „achtes Weltwunder" wurde Capriati tituliert, als sie mit 13 Jahren bei ihrem ersten Profiturnier ins Finale vorstieß. Mit 14 erreichte sie bei den French Open 1990 das Halbfinale und knackte einige Rekorde. „Zu viel, zu früh" hieß es immer wieder in Richtung Stefano Capriati, der die Karriere seiner Tochter generalstabsmäßig plante.

„Wenn die Frucht reift ist, isst du sie", entgegnete er den Kritikern. „Kinder brennen nicht aus, Eltern tun das", erklärte Stefano Capriati, der seine Tochter mit Eiscreme zu Höchstleistungen drillte. Mit 16 Jahren wurde „Jenny Baby" Olympiasiegerin in Barcelona und war vorläufig auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Doch dann begann der Teenager zu rebellieren. Capriati zog von Zuhause aus und wurde Ende 1993 beim Ladendiebstahl erwischt. Wenig später wurde sie wegen des Besitzes von Marihuana sogar inhaftiert. Das Polizeifoto von Capriati ging um die Welt. Sie besuchte für eine Woche eine Reha-Klinik und dachte sogar über ihren Freitod nach. „Ich war nicht glücklich mit mir selbst, meinem Tennis, meinem Leben, meinen Eltern, meinen Trainern, meinen Freunden. Wenn ich in den Spiegel blickte, sah ich dieses verzerrte Bild. Ich war so hässlich und fett. Ich wollte mich einfach nur umbringen", gestand Capriati.

Aus „Moppel-Jenny“ wird eine Grand-Slam-Siegerin

Die Karriere von Capriati schien mit 18 Jahren bereits zu Ende zu sein. Das ehemalige Wunderkind wurde nur noch als „Moppel-Jenny" verspottet. Immer häufiger traf man Capriati in Burgerbuden an. Doch die US-Amerikanerin befreite sich aus ihrem Tal der Tränen und griff noch mal an. Mit der Unterstützung ihres Vaters spielte sie sich wieder in die Weltspitze und krönte 2001 ihr Comeback mit dem Triumph bei den Australian Open. Im gleichen Jahr wurde sie Weltranglisten-Erste, gewann die French Open und 2002 ein weiteres Mal die Australian Open. „Ich bin der lebende Beweis, dass Licht am Ende des Tunnels ist, auch wenn du denkst, dass es am schlimmsten ist. Du kontrollierst alles. Glaub einfach an dich. Du baust dich selbst auf oder ruinierst dich selbst", erklärte Capriati nach ihrem ersten Titelgewinn in Melbourne.

Im November 2004 spielte die US-Amerikanerin im Viertelfinale beim WTA-Turnier in Philadelphia ihr letztes Match. Als damalige Weltranglisten-Neunte war sie der Russin Vera Zvonareva mit 0:6, 1:6 unterlegen. Im Jahr 2012 wurde Capriati in die Hall of Fame eingeführt. Größtenteils machte „Jenny Baby" in den letzten Jahren aber eher mit Negativschlagzeilen auf sich aufmerksam. 2010 wurde sie mit Verdacht auf eine Drogen-Überdosis ins Krankenhaus eingeliefert. Zwei Jahre später gab es Stalking-Vorwürfe gegen sie. Da sie ihren Ex-Freund belästigt haben soll, musste sie sogar vor Gericht erscheinen .

Dauerhaftes Comeback oder einmalige Sache?

Nun soll es wieder positive Schlagzeilen über ihre Person geben. Ein offizielles Interview hat Capriati zwar noch nicht gegeben, gegenüber der Journalistin Lindsay Gibbs, die in der Vergangenheit negativ über sie berichtet hatte, erklärte die 38-Jährige via Twitter jedoch wie folgt: „Ich tue das für mich selbst, meinen Vater und um es solch Leuten wie euch von den Medien zu zeigen, die mit Hass und Eifersucht leben und für sich selbst nur Bestätigung bekommen, wenn sie andere kleinmachen und die nie begreifen werden, was wahre Größe und Stärke wirklich bedeutet." Via Twitter hat Capriati bereits Bilder von ihrem Training gepostet. Die US-Amerikanerin gibt sich zudem philosophisch. „Vermisse den Schweiß und die Bräune!!! Das wird ein Spaß. Beginnen, zu lieben und diese stark zu halten, lässt auch unseren Geist stark bleiben. Es gibt keine Zeit zu verschwenden. Zu viel Zeit wurde bereits genommen."

Ob Capriati ein dauerhaftes Comeback anstrebt oder nur bei den US Open 2015 spielen möchte, ließ sie in ihren Tweets nicht durcklingen. Die US-Amerikanerin wird nächstes Jahr im März 39 Jahre alt und wäre nach Martina Hingis die nächste Spielerin, die nach ihrer Einführung in die Hall of Fame auf die Tour zurückkehrt. Mit einem Comeback im reifen Alter von 38 Jahren würde sich Capriati in prominenter Bekanntschaft befinden. Die Japanerin Kimiko Date-Krumm war im Jahr 2008 nach zwölf Jahren Abwesenheit auf die WTA-Tour zurückgekehrt und mischt immer noch im Damentennis mit. Date-Krumm, die in wenigen Wochen 44 Jahre alt wird, ist Mitglied in den Top 100 und steht bei den US Open im Doppel sogar im Halbfinale.