Zu Gast bei der erfolglosen ASKÖ Ebensee

Von Daniel Kendler
Die ASKÖ Ebensee ist der erfolgloseste Verein Österreichs
© GEPA

Die ASKÖ Ebensee ist heuer der erfolgloseste Verein Österreichs. SPOX hat den Klub besucht. Eine Geschichte aus dem Unterhaus über Ferserl, Geld und Musikkapellen.

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"Jetzt bin ich froh, wenn's für heuer vorbei ist", sagt Rudolf Engl. Der 78-Jährige ist Platzwart und eine Legende am Rasenmähertraktor der ASKÖ Ebensee. Der Fußballplatz trägt seinen Namen - "Rudolf-Engl-Stadion" steht auf einem Transparent geschrieben. Der Rasen ist perfekt gepflegt, auch Premier-League-Mannschaften haben hier in den Sommermonaten schon mit großer Zufriedenheit getestet.


Doch von diesem Fußball ist man in Ebensee weit entfernt. 136 Gegentore, eine Tordifferenz von minus 119 und null Punkte machen aus der ASKÖ Ebensee in der zweiten Klasse Süd, der letzten Spielklasse Oberösterreichs, heuer die erfolgloseste Kampfmannschaft aller Verbandsligen Österreichs. SPOX hat den Verein im oberösterreichischen Salzkammergut besucht.

"Wir sollten keine Ferserl und Zuckerpässe spielen"

Das letzte Spiel der Saison gegen Bad Ischl 1b steht an. Viel hat man sich vorgenommen, vieles davon wird aber nur in der zweiten Hälfte umgesetzt. Die Konsequenz: Eine 2:4-Niederlage. Es ist die 24. Pleite im 24. Spiel. Dass es kein leichtes Jahr werden würde, wusste Spielertrainer Gerald Zwitter schon im vergangenen Sommer: "Das hat schon mit den Abgängen von sechs Stammkräften begonnen. Die konnten wir nicht ersetzen."

Es war seine erste Saison als Spielertrainer. Natürlich wollte er diesen Nuller am Ende des Jahres verhindern, natürlich hat er alles dafür getan - aber es reichte eben nicht. Auch wenn bei den rund 100 Trainingseinheiten während der Saison immer durchschnittlich 15 Spieler anwesend waren: "Es war eben mehr Quantität als Qualität vorhanden. Wir sollten keine Ferserl und Zuckerpässe spielen, probieren es aber trotzdem. Das ärgert mich immer."

"Sie standen Woche für Woche auf dem Feld"

Aber - und das ist das Bemerkenswerte an diesem kleinen Verein - man stellte sich Woche für Woche dem sportlichen Schicksal. Warum sich Zwitter, ein ehemaliger Landesliga-Spieler, dem schon bei seinem Wechsel vor einigen Jahren die Frage nach dem Vogel im Kopf gestellt wurde, das überhaupt antut? "Ich habe durchgehalten, weil die Mannschaft durchgehalten hat. Ich dachte nach den ersten Deckeln stehe ich irgendwann alleine da, aber es war nie so. Was mich schon fast wundert ist, dass sie den Charakter bewiesen und sich jede Woche wieder auf das Feld gestellt haben, obwohl sie wussten, dass es kaum etwas zu holen gibt."

Auf den gezeigten Charakter, darüber ist man auf dem Fußballplatz eingebettet zwischen Traun und Wimmersberg, stolz. "Wir sind hier eine kleine Familie. Das alles ist unser Hobby, das wir gemeinsam ausleben möchten", sagt Sektionsleiter Andreas Hainzl.

"Die Geldzahlerei soll zurückgedrängt werden"

Trotzdem stellt sich die Frage, wie ein Verein in eine solche Abwärtsspirale kommen kann? Immerhin war die ASKÖ Ebensee nicht immer auf diesem Niveau. Zuletzt wurde man 1999/2000 Meister, mit dem körperbehinderten Trainer Franz Pesendorfer sorgte man für Furore. Darauf wurde auch der damalige Bundesligist FC Tirol aufmerksam, dessen Präsident Martin Kerscher den Ebenseern Dressen und Trainingsanzüge sponserte. Doch das ist Geschichte.

"Man muss wirklich Insider sein, um beurteilen zu können, was im Hier und Jetzt los ist. Ist es einfach ein Hänger im Verein, wo die Aktiven trotz Bemühungen eine schwache Saison gespielt haben oder ist es ein nachlässig geführter Verein", sagt Gerhard Götschhofer, Präsident des oberösterreichischen Fußballverband im Gespräch mit SPOX.

Nachlässigkeit kann man in Ebensee ausschließen. Der Nachwuchs arbeitet in einer Spielgemeinschaft mit dem SV Ebensee an der Kicker-Zukunft, auch ist der Verein nicht verschuldet. Aber man verfügt nicht über die finanziellen Mittel, um einen Aufstieg anpeilen zu können. "Die guten Kicker, die wir in den letzten Jahren hatten, sind gewechselt, weil man woanders dafür Geld bekam", sagt Hermann Kendler, seit 40 Jahren ein Teil der ASKÖ Ebensee, zunächst als Spieler, dann als Sektionsleiter, ehe er an Hainzl übergab.

Geld ist längst nicht mehr nur in der Bundesliga, ersten Liga und Regionalliga im Spiel. Bezahlte Spieler gibt es bis in die untersten Ligen hinein - und damit ist nicht Benzingeld gemeint. "Es gibt klare gesetzliche Regelungen, die hoffentlich mithelfen, dass die Geldzahlerei zurückgedrängt wird, weil wir uns eben im Breitensport befinden", sagt Götschhofer. Mehr als sich dagegen aussprechen kann der Verband allerdings nicht. "Da haben nur die Behörden die Mittel in der Hand."

"Wer dreht sich wie ein A4-Blatt im Wind?"

Bei der ASKÖ Ebensee wird nichts gezahlt. Im Falle eines Punkts wären Geldbeträge nur in die Spielerkasse gewandert. Doch bekanntlich wurde daraus heuer nichts. Die Sinnfrage stellt man sich im Rudolf-Engl-Stadion dennoch nicht. "In diesen Spielklassen sollte der sportliche Erfolg nicht über allem stehen. Hier zählt was anders. Ein Verein ist immer auch ein Spiegelbild der Gesellschaft, wie geht man mit Rückschlägen um? Wer dreht sich wie ein A4-Blatt im Wind? Wer zeigt Charakter?", will Hermann Kendler die Werte der Sektion vermitteln.

Man hat sich eine Gemeinschaft aufgebaut, die im schnelllebigen Fußball immer seltener wird. Trainer Zwitter bringt es mit einem Vergleich abseits des Fußballs auf den Punkt: "Baue ich mir ein Haus oder ziehe ich um, stehen zehn Leute da, die mir helfen - das ist für mich die ASKÖ Ebensee."

"Dann hat der Herr Präsident wenig Vereine"

Und so soll es auch bleiben. Wenngleich in den letzten Jahren das Wort Fusion immer öfter in den Marktgemeinde zum Thema wurde. Auch der Verbandspräsident lässt einen äußerst vage formulierten Vorschlag durchklingen: "So viel ich weiß, gibt es in Ebensee auch einen zweiten Verein, der erfolgreicher ist. Vielleicht ist dies der Anfang von manch vernünftigen Fusionen. Es sollen sich aber nicht alle Vereine, die gerade schwere Zeiten durchleben, fusionieren. Die Vereine sind autonom und müssen selbst erkennen, was sie wollen."

Bei der ASKÖ Ebensee steht man lieber auf eigenen Füßen. "Ebensee hat 8000 Einwohner und zwei Vereine, das heißt es kommt ein Verein auf 4000 Einwohner. Würde sich jeder Verein in einem 4000-Einwohner Ort die Existenzfrage stellen müssen, hätte der Herr Präsident viel weniger Vereine im Verband", sagt Kendler und hängt mit einem Lachen an: "Außerdem gibt es in vielen Orten auch mehr als eine Musikkapelle, da wird nie über Fusion gesprochen." Jetzt ist es für heuer ohnehin vorbei, wie Platzwart Rudi Eingangs bereits erwähnte. Aber es wird wieder von vorne los gehen, der Rasen wird wieder grün leuchten, die Tore werden wieder fallen. Das ist die ASKÖ Ebensee, Erfolglosigkeit hin oder her.