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Jelena Dokic: Endlich auf der Sonnenseite

Carolin BlüchelSPOX
06. Februar 200916:17
Mit ihrem Comeback spielte sich Jelena Dokic in die Herzen der AustralierGetty
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Mit 15 galt Jelena Dokic als das neue Tennis-Wunderkind, mit 19 war sich bereits ein physisches und psychisches Wrack. Doch nach langen Leidensjahren und der Trennung vom tyrannischen Vater startete die heute 25-jährige Australierin ein erfolgreiches Comeback.

Ob Peter Graf, Stefano Capriati oder Jim Pierce - die Spezies über-ehrgeiziger Tennis-Väter ist kein neues Phänomen. Die Emanzipation der Töchter vom Marionetten-Dasein stets ein schwieriges Unterfangen.

Steffi Graf und Mary Pierce überstanden diese Phase ihres Lebens relativ unbeschadet, Jennifer Capriati wäre beinahe zerbrochen: Drogendelikte, Ladendiebstahl, Verhaftungen. Nach der schmerzhaften Abnabelung vom Vater feierte Jenny-Baby 1999 ein sensationelles Comeback und wurde mit drei Grand-Slam-Titeln und dem Platz an der Sonne in der Weltrangliste erfolgreicher als je zuvor.

Eine Karriere wie eine Achterbahnfahrt, die ihresgleichen sucht - beziehungsweise suchte. Das Märchen der diesjährigen Australian Open stellte selbst Capriatis wundersame Rückkehr in den Schatten.

Dokic: Rasanter Aufstieg und tiefer Fall

Jelena Dokic heißt die Hauptdarstellerin, die sich nicht nur in die Herzen der australischen Fans spielte.

Mit 15 wurde die gebürtige Serbin mit australischem Pass bereits als Wunderkind gehandelt. Vier Jahre später verschwand sie nach vielen körperlichen und seelischen Verletzungen wieder in der Versenkung.

Der tiefe Fall der Jelena Dokic - er geschah mindestens genauso rasant wie der kometenhafter Aufstieg 1999, als sie in Wimbledon in der ersten Runde die damalige Nummer eins, Martina Hingis, mit 6:2 und 6:0 vom Platz schoss und bis ins Viertelfinale stürmte. 2002 stand sie auf Rang vier der Weltrangliste.

Dokic erlebt zweiten Frühling

Eine Dekade später, nach Jahren des Terrors durch ihren Vater und schlimmen gesundheitlichen Problemen steht die heute 25-Jährige wieder oder endlich auf der Sonnenseite des Lebens.

In Melbourne erreichte sie völlig unerwartet das Viertelfinale, wo sie sich der 173 Plätze besser eingestuften Dinara Safina erst nach einem mehr als zweistündigen Kampf geschlagen geben musste.

Dabei hatte sich die Blondine im Dezember letzten Jahres noch in einem Playoff-Turnier die Wildcard für das erste Grand Slam Turnier des Jahres erkämpfen müssen und war mit dem Ziel nach Melbourne gereist, die erste Runde zu überstehen. Da der Sponsor fehlte, spielte sie in einem Outfit, das ihr vom Turnierveranstalter zu Verfügung gestellt worden war.

"Durch die Hölle gegangen"

Damit spielte sie allerdings nicht nur gut, sondern sich förmlich in einen Rausch und konnte es selbst kaum fassen.

"Ich bin durch die Hölle gegangen. Ich habe zwei Jahre gegen schwere Depressionen gekämpft, monatelang nicht gespielt und daran gedacht, es überhaupt nicht mehr zu tun. Dass ich 18 Monate später mit den Besten mithalten kann, ist außergewöhnlich. Vielleicht ist das jetzt hier, die Belohnung für alles, was ich erlebt habe", sagte Dokic.

Vom Vater zum Wunderkind getrimmt

Das dunkelste Kapitel ihres Lebens, auf das sie anspielte, war geprägt von ihrem Vater Damir. Inspiriert durch die Erfolge von Monica Seles wollte der ehemalige Boxer seine Tochter zum Goldesel umfunktionieren.

Der Ehrgeiz des Vaters reichte sogar soweit, dass er Jelena nach Niederlagen vehement beschimpfte, Journalisten tätlich angriff oder Turnier-Organisatoren des Betrugs bezichtigte.

Platzverbot für Vater Damir

Nachdem Damir Dokic 2000 bei einem Turnier alkoholisiert festgenommen wurde, bekam er von der Women's Tennis Asssociation (WTA) ein sechsmonatiges Platzverbot auferlegt. Auch später wurde er immer wieder von Turnieren ausgeschlossen. Der Name Dokic stand längst nicht mehr für eine junge, aufstrebende Tennis-Prinzessin, sondern vielmehr für eine Persona non grata.

"Ich musste so viel aushalten, als mein Vater noch auf der Tour dabei war, all seine Ausbrüche. Ich habe mit einem riesigen Gewicht auf den Schultern gespielt und bin daran mit 19 irgendwie zerbrochen", erinnert sich Jelena.

Immer wieder hatte sie sich mit ihrem Vater überworfen, ihm sogar eine Million Euro gezahlt, dass er sie nur in Ruhe lässt. Wenig später kehrte sie jedoch wieder zu ihm zurück. Zu den ständigen Querelen mit der Familie kam das Verletzungspech. Dass all das zum tiefen Fall eines Teenagers führt, ist mehr als verständlich.

Abnabelung vom Vater

2005 sagte sie sich mit der Hilfe ihres Freundes Tin Bikic endgültig von ihrer Familie los. Beide kehrten zusammen mit Tins Bruder Borna, der zugleich Jelenas Trainer war nach Australien zurück, wo sie als Kriegsflüchtling die meiste Zeit ihrer Jugend verbracht hatte.

In der Weltrangliste war sie mittlerweile auf Platz 621 abgerutscht, doch sie wollte den Neuanfang. Anstelle eines Comebacks nahm das jahrelange Märtyrium des einstigen Wunderkindes aber eine neue Dimension an.

Drohungen vom Vater und Depressionen

Vater Damir fühlte sich durch die Flucht seiner Tochter persönlich gekränkt und drohte aus Rache, eine Atombombe auf Sydney zu werfen. Mit ehemaligen jugoslawischen Kriegsverbrechern soll er sogar die Entführung seiner Tochter geplant haben.

Jelena brach den Kontakt zu ihrer Familie ab, futterte sich 20 Kilo Kummerspeck an und rutschte in eine tiefe Depression. Auch die Bikic-Brüder - bis heute ihre einzigen Vertrauenspersonen - konnten den freien Fall nicht verhindern.

"Ich musste soviel verarbeiten. Die Leute denken, wenn man sich eine Auszeit nimmt, dann macht man Urlaub oder schmeißt sich ins Partyleben. Ich wünschte, es wäre so gewesen. Für meinen Freund Tin war es wahrscheinlich sogar noch schlimmer, weil er mich so leiden sehen musste", sagte die 25-Jährige.

Letzter Comebackversuch

Ende 2007 startete sie als Nummer 9.999 der Welt einen letzten ernsthaften Comeback-Versuch. Sie trainierte so verbissen, dass ihr Körper die Strapazen nicht aushielt. In den Playoffs für eine Wildcard für die Australian Open 2008 musste sie aufgeben.

Mit Erfolgen auf kleineren Challenger-Turnieren arbeitete sie sich aber innerhalb eines Jahres dann bis auf Rang 176 der Weltrangliste nach vorn. Mit dem Erfolg in Melbourne hat sie die Rückkehr in die Top 100 geschafft

Dokic hat Top 10 im Visier

Obwohl Jelena den Kontakt zu ihrer Mutter Liliana und Bruder Savo wieder aufgenommen hat, will sie mit ihrem Vater nichts mehr zu tun haben. "Ich habe in den letzten fünf Jahren versucht, mit ihm zurechtzukommen, aber es ist unmöglich. Ich habe es aufgegeben, es zu versuchen, ich denke nicht einmal mehr darüber nach. Ich habe mein Tennis und ich habe meine Leben.", sagt sie.

Während für ihren Trainer Borna der Erfolg nur zweitrangig ist, hat Jelena selbst aber längst die Top Ten im Visier. Gemessen an ihrer Vergangenheit wohl eine vergleichsweise leichte Übung.

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