Wenn Anna-Lena Grönefeld in einer turnierfreien Woche in ihr Apartment nach Saarbrücken kommt, wird aus der 23-jährigen Tennisspielerin eine ganz normale 23-jährige junge Frau.
"Eigentlich führe ich dann ein ganz normales Leben. Ich kümmere mich um meinen Haushalt, gehe gerne shoppen oder treffe mich mit Freunden. Außerdem halte ich mich über den neuesten Stand der Dinge bei 'GZSZ' auf dem Laufenden", sagt eine lächelnde Grönefeld im Gespräch mit SPOX.
Dass sie wieder lächeln kann, ist beileibe keine Selbstverständlichkeit. Nach ihrer Trennung von Rafael Font de Mora, ihrem tyrannischen Ex-Coach, verschwand die Deutsche erstmal in der Versenkung.
Ein dreiviertel Jahr pausierte sie, die 2006 immerhin mal die Nummer 14 der Welt war, sogar komplett.
Thema Font de Mora abgehakt
"Die Zeit damals war nicht leicht, aber ich habe meine Erfahrungen verarbeitet und das Thema abgehakt. Ich schaue lieber nach vorne", so Grönefeld. Man glaubt es ihr.
Sie hat ein völlig neues Kapitel in ihrem (Tennis-) Leben begonnen. Als sie sich wieder bereit fühlte für ein Comeback tingelte sie zuerst fast unbemerkt durch die Welt. Zlin, Alkmaar, Periguex, Bad Gastein, Rimini oder gar die Bronx: Nein, die große Tennis-Welt hört sich definitiv anders an.
Aber Grönefeld biss sich durch, gewann die kleinen Turniere, bei denen es gerade einmal ein paar Tausend Dollar Preisgeld gab und kämpfte sich in der Weltrangliste aus den Niederungen wieder nach vorn.
Bei den US Open in New York meldete sich Grönefeld dann endgültig zurück. Von der Qualifikation an gewann sie sechs Matches und stand plötzlich im Achtelfinale. Erst die Russin Dinara Safina beendete die erstaunliche Siegesserie.
Bald zurück in der Weltspitze?
Grönefeld war mit einem Schlag wieder in aller Munde. Auch Venus Williams war zuletzt trotz eines klaren Erfolgs gegen die Deutsche in Stuttgart sichtlich beeindruckt. Die Amerikanerin erwartet Grönefeld schon bald zurück in den Top-15 der Welt.
"Da setze ich mich überhaupt nicht unter Druck. Mein Ziel ist es, mich Schritt für Schritt weiter nach vorne zu arbeiten und wieder dahin zu kommen, wo ich schon einmal war. Zeitliche Vorgaben setzte ich mir dabei aber nicht", bleibt Grönefeld zurückhaltend.
Eines scheint aber klar: Kann sie ihren Aufwärtstrend fortsetzen, gibt es keinen Grund, warum sie nicht in der Zukunft bei den Grand Slams eine gute Rolle spielen kann.
Nach dem Rücktritt von Justine Henin ist das Damen-Tennis offener denn je. Jede Spielerin, die in den Top-20 steht, kann auch ein Grand-Slam-Turnier gewinnen.
Der Vater des Erfolgs: Dirk Dier
"So weit nach vorne schaue ich noch nicht. Vor einigen Monaten war ich noch die Nummer 430 und jetzt die 79. Da wäre es fast schon vermessen, sich mit der Möglichkeit eines Grand-Slam-Sieges zu befassen. Ich habe erst gerade wieder den Anschluss an die Weltspitze geschafft. Ich habe aber noch viel Luft nach oben", sagt Grönefeld.
Einen großen Anteil an ihrem Erfolg hat Coach Dirk Dier. Er hilft Grönefeld nicht nur dabei, ihr Spiel stetig zu verbessern und noch variabler zu machen. Er ist allem Anschein nach vor allem auch auf menschlicher Ebene genau der richtige Mann.
"Dirk hat mir Zeit gelassen, mein Leben neu zu ordnen und mir den Freiraum gegeben, um mich persönlich weiter zu entwickeln. Wir haben ein sehr positives Arbeitsklima, in dem es auch einmal Platz hat für Dinge abseits des Courts", beschreibt Grönefeld die Beziehung.
Grönefeld "fühlt" wieder
Statt wie in Font-de-Mora-Zeiten robotermäßig auf dem Platz zu stehen "fühlt" Grönefeld nun wieder ein Match: "Natürlich sprechen wir vor einem Match über Taktik und Strategie, aber schlussendlich entscheide ich während des Matches selbst, wie ich spiele. Tennis ist ein sehr intuitiver Sport."
Selbst entscheiden, ein Spiel fühlen, Intuition - alles Worte, die für die Wandlung der Anna-Lena Grönefeld stehen.
Früher kam sie Außenstehenden vielleicht glücklich vor, nun hält sie sich selbst dafür. Ein großer Unterschied.
"Ich habe so viel Spaß am Tennis und im Leben wie nie zuvor. Das kann man so sehen. Ich habe bewusst versucht, den Spaß wieder in den Vordergrund zu stellen. Heute kann ich mein Leben und meine Erfolge auch genießen und schöpfe gleichzeitig Kraft für neue Taten daraus."
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