Super-Bowl-Weekend! Gelingt den Falcons der erste Titel? Oder gibt es Nummer 5 für Brady und Belichick? Wo liegen die Schlüsselduelle? Und wer hat wo die Oberhand? Die SPOX-Redakteure Stefan Petri und Adrian Franke diskutieren mit den mySPOX-Usern brady12 und JaydoggBO. Die Super-Bowl-Übertragung beginnt am Sonntagabend ab 23.30 Uhr live auf DAZN - mit deutschsprachigem und dem Original-Kommentar.
Die Falcons-Offense - Stefan Petri (SPOX): Zur Offensivstärke der Falcons muss man eigentlich nicht mehr viele Worte verlieren. Matt Ryan spielt auf MVP-Niveau. Julio Jones ist der Star-Receiver, das Team jedoch nicht von ihm abhängig. Das Running Game ist exzellent, die Backs können auch als Passfänger glänzen. Offensive Coordinator Kyle Shanahan ist zu Recht wohl bald ein Head Coach. Zu diesem Thema haben wir in den letzten Tagen ja genügend Artikel raus gehauen.
Wie wär's deshalb mit ein paar Punkten, die gerne gegen Atlanta ins Feld geführt werden? Mangelnde Erfahrung zum Beispiel. In der Falcons-Defense eher, aber in der Offense? Center Alex Mack ist ein alter Hase. Julio hat auch schon jede Coverage gesehen.
Und Matt Ryan werden mit seinen 31 Lenzen auch nicht die Knie schlottern. Ja, es ist sein erster Super Bowl, aber das hat Russell Wilson vor drei oder Joe Flacco vor vier Jahren auch nicht umgeworfen. Gegen Green Bay im Championship Game jedenfalls wirkte er relativ entspannt. Außerdem werden im NRG Stadium mehr Falcons- als Patriots-Fans erwartet.
Julio abmelden? Eher nicht
Was ist mit der Weisheit, dass Bill Belichick die "Primärwaffe" des Gegners so regelmäßig abmeldet? Bill Barnwell von ESPN hat die Leistungen von All-Pro-Receivern seit 2000 gegen die Pats untersucht. Fazit: Praktisch kein Leistungsabfall zu erkennen. Zwei Verteidiger, die ihn quasi "einklammern"? Seine Routes sind so ausgefeilt, er ist physisch so stark (gerade gegen Press Coverage) - selbst das wird kaum reichen. Und wenn sich wirklich alles auf ihn konzentriert, gibt's ja noch die Mitspieler. Viermal blieb Jones 2016 unter 40 Yards. Viermal gewannen die Falcons.
Die Falcons-Offense in der Taktik-Analyse: Ein Raubtier mit vielen Zähnen
Fitness? Mack wird am Sonntag nicht bei 100 Prozent sein, wird aber laut Coach Dan Quinn trotzdem volles Tempo gehen können. Auch Jones (Zeh) und Pass-Rusher Dwight Freeney (Wade) sind einsatzbereit. An dieser Front muss man sich also - Stand jetzt - ebenfalls keine allzu großen Sorgen machen.
Und die vielgerühmte Defense aus New England, die die wenigsten Punkte überhaupt zulässt? Sie ist sehr gut gegen den Run, deshalb erwarte ich von den Falcons nicht unbedingt 100+ Rushing-Yards. Aber in der DVOA-Statistik von Football Outsiders stehen die Pats nur auf Platz 16. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass Ryan in den Playoffs bei Third Down 20 von 22 Pässen an den Mann gebracht hat und beide Running Backs gute Receiver sind, ist einiges drin. 40 Punkte wie gegen Green Bay? Wohl kaum. Aber an die 30 könnten sie herankommen.
Die Patriots-Defense - mySPOX-User brady12: Dass die Offense der Atlanta Falcons ein Matchup-Nightmare für gegnerische Defensive Coordinator ist, liest man in letzter Zeit recht häufig. Aber dass das gleiche auch auf die Defense der Patriots zutrifft, wird vielleicht einige überraschen.
Während eines Spiels nutzt Defensive Coordinator Matt Patricia beispielsweise klare Elemente von 4-3- und 3-4-Defenses. Dazu ist sein Play-Calling sehr flexibel, bei 25,2 Prozent der gegnerischen Dropbacks sendet er einen Blitz, bei 26 Prozent (deutlich am häufigsten in der Liga) dafür nur einen 3-Man-Rush.
Außerdem spielt New England nahezu jeden Snap mit 5 Defensive Backs, entweder Big Nickel (zusätzlicher Safety Duron Harmon, Patrick Chung spielt dann näher an der Line of Scrimmage) oder eine "normale" Nickel-Formation (Logan Ryan als Slot-CB). Oftmals stehen sogar beide zusätzlichen DBs am Feld (Dime-Formation).
Da man mit Alan Branch, Malcom Brown, Trey Flowers oder Dont'a Hightower in der Front hervorragende Run-Stuffer hat und zusätzlich auch Chung und Ryan für DBs gute Run-Defender sind, kann man sich solche Aufstellungen "leisten", ohne von gegnerischen Teams überlaufen zu werden. Nur 13,1 Prozent aller Runs gegen die Patriots heuer gingen weiter als 5 Yards (Topwert) und man hat insgesamt schon 25 Spiele in Serie keinen 90-Yard Rusher gegen sich erlaubt.
Was passiert mit Julio?
Tackling generell ist eine der großen Stärken der gesamten Unit, im Schnitt nur 4,05 Yards nach dem Catch sind der NFL-Spitzenwert. Das könnte vor allem gegen Atlanta sehr wichtig werden, da deren Offense hier auf Platz zwei der Liga ist (6,18 Yards nach dem Catch im Schnitt).
Ein weiteres großes Problem, welches die Falcons-Offense gegnerischen Defenses bereitet, ist Julio Jones - wahrscheinlich der beste Receiver der NFL. Aber auch hier sind die Pats gut gerüstet, seit dem zweiten Spieltag erlaubte man insgesamt nur zwei 100-Yard-Receiver.
Malcolm Butler, der Hero im letzten Pats-Super-Bowl, entwickelte sich inzwischen zu einem echten Nummer-1-Cornerback und hatte heuer 18 abgewehrte Pässe (Nummer drei der Liga). Interessant wird, ob er Julio mit ein wenig Safety-Hilfe bekommt oder Eric Rowe, der körperlich Jones deutlich ähnlicher ist, mit etwas mehr Safety-Hilfe. So oder so, Bill Belichick wird dafür sorgen, dass Jones nicht wie gegen Green Bay das Spiel dominiert.
Auf dem Papier sprechen also zumindest einige Dinge dafür, dass die Patriots-Defense ein paar Stops gegen die historische Falcons-Offense schafft und es Tom Brady so ermöglicht, das Spiel auf der anderen Seite des Balls zu gewinnen.
Die Patriots-Offense - Adrian Franke (SPOX): Bei all dem - völlig berechtigten - Lob für die Falcons-Offense geht mir New Englands Offensivabteilung insgesamt fast ein wenig unter. Denn trotz des Ausfalls von Rob Gronkowski sind die Patriots unglaublich schwer zu verteidigen.
Das hat mehrere Gründe: New England ist deutlich besser ausbalanciert, als noch in vergangenen Jahren, in der Regular Season standen durchschnittlich 34,4 Pässe pro Spiel 30,1 Runs gegenüber. Dabei haben die Pats nicht unbedingt das effizienteste Running Game der Liga, aber gleichzeitig ein sehr vielfältiges: LeGarrette Blount hatte in 16 Regular-Season-Spielen nur vier Mal weniger als 17 Laufversuche, in der Divisional-Runde gegen Houston drehten die Pats dann den Spieß um: 13 Runs für Dion Lewis, acht für Blount.
Blount, Lewis und James White geben New England einen Matchup-Vorteil, Blount könnte hinter Pull-Blocks und Double-Teams mit seiner Power zu einem ernsthaften Problem für Atlantas Linebacker werden - während Lewis mit seiner Vielfalt und seinen Fähigkeiten im Raum glänzt, und White ebenfalls problemlos als Receiver aufgeboten werden kann.
Weitere Gründe gefällig? Kein Problem! New Englands Offensive Line ist, vor allem außen, um Welten besser als etwa letztes Jahr und es ist sehr schwer, Bradys Rhythmus zu zerstören. Die Pats haben ein tiefes Receiving-Corps mit variablen Spielern, die aus diversen Positionen heraus angreifen können und verfügen mit Martellus Bennett über ein Red-Zone-Mismatch.
Red Zone als Knackpunkt?
Stichwort Red Zone: Die Patriots sind in der ligaweiten Top-10 was Scoring-Effizienz in der Red Zone angeht. Die Falcons-Defense in der Red-Zone-Effizienz? Letzter. Darüber hinaus kennt New Englands das Grund-Defense-Scheme von Falcons-Head-Coach und Ex-Seahawks-Defensive-Coordinator Dan Quinn von den Duellen mit Seattle in den vergangenen Jahren.
Die Patriots-Offense in der Taktik-Analyse: Wie eine Schachtel Pralinen
Gegen eine 4-3-Under-Defense, wie etwa die der Seahawks, hat New England über die letzten zwei Jahre vier Mal gespielt - und konnte dabei Yards produzieren: Zwei Mal gegen Seattle (377 und 385 Yards), ein Mal gegen Jacksonville (471) und ein Mal gegen Baltimore (496). Atlanta könnte im Gegenzug verstärkt auf Man Coverage setzen, was die zahlreichen Man-Beater-Konzepte der Patriots allerdings ins Spiel bringt.
Generell erwartet die junge Falcons-Defense eine sehr schwere Prüfung: Pittsburghs Defense, die allerdings auch einen viel zu passiven Ansatz hatte, wurde von den Pats förmlich überrumpelt, und etwas ähnliches könnte auch am Sonntag passieren. Ich erwarte von New England eine Mischung aus Power-Run-Game und extrem schneller No-Huddle-Offense, um einerseits Atlantas Front physisch, andererseits die Linebacker und die Secondary mental zu überfordern.
Die Falcons-Defense - mySPOX-User JaydoggBO: Gus Bradley und Dan Quinn, das sind die beiden letzten Defensive Coordinators die Seattle verlassen haben. So viel aber auch schon zu den Gemeinsamkeiten, denn in ihrer Art zu coachen könnten die beiden nicht unterschiedlicher sein: Quinn versuchte schon bei Seattle so wenig wie möglich zu blitzen und so die Coverage zu verstärken. Auch beim letzten Aufeinandertreffen mit den Patriots gab es kaum Blitze und trotzdem war Brady sehr oft unter Druck.
Nach Football Outsiders ist die Defense der Falcons auch am effektivsten, wenn man vier Pass-Rusher einsetzt und dabei lässt man 6,2 Yards pro Pass zu (Rang 9), den 4-Man-Rush spielt Atlanta in 77 Prozent aller Defensive Snaps. Dazu trifft man auf einen der besten Quarterbacks gegen den Blitz. Deshalb wird es hier besonders auf Vic Beasley ankommen, Druck zu erzeugen.
Ein weiterer Vorteil: Atlanta hat so sieben Spieler, die sich auf die Coverage konzentrieren können und wird hier oft Combo-Coverages aus Zone und Man Coverage spielen. Dies ist zwar sehr anspruchsvoll für die Defense, aber gerade gegen die Pass-Catching-Running-Backs effektiv, da die Falcons hier den Running Back oft in Man Coverage verteidigen werden.
Defensive Backs im Fokus?
Neben Beasley wird es auch besonders auf die Defensive Backs ankommen, durch die Verletzung von Trufant ist Robert Alford in den Fokus gerückt und das macht er sehr gut. Seit Woche 14 lässt er nur 5,2 Yards pro Pass zu und kommt auf eine Success-Rate von 62 Prozent.
Er wird es vermutlich sehr oft mit Edelman zu tun haben und hier erwartet uns ein spannendes Matchup. Knackpunkt wird der als Nickelback eingesetzte Brian Poole und dieser ist ein Grund dafür, dass Altanta gegen "andere Receiver" nach DVOA nur auf Rang 29 liegt.
Patricia und die Patriots-Defense: Rotkäppchen und die bösen Falcons
Gegen die Nummer-1- und Nummer-2-Receiver liegen die Falcons in den Top 10. Hier wird es auch sehr auf die Hilfe der Linebacker ankommen, die sich wie die gesamte Defensive-Unit, im Laufe der Saison verbessert hat. Die Falcons-Defense steht wohl vor ihrer schwersten Aufgabe der gesamten Saison, denn auf so eine gute Offense ist man die ganze Saison noch nicht getroffen und man darf nicht erwarten, dass man New England komplett einschränken kann.
Aber am Ende wird Atlanta auch zu Stopps kommen und so der eigenen Offense die Möglichkeit geben, sich abzusetzen. Prognose: Deion Jones wird mit einer Interception im vierten Viertel Matt Ryan die Chance geben, den Super Bowl im finalen Drive zu entscheiden.
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