NBA: Die Nuggets nach dem Coup mit Isaiah Thomas: Wir schießen euch aus der Halle

Robert Arndt
19. Juli 201814:26
Die Denver Nuggets wollen endlich wieder in die Playoffs einziehen. getty
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Die Denver Nuggets haben mit der Verpflichtung von Isaiah Thomas für ordentlich Aufsehen gesorgt. Das Team aus der Mile High City drängt nach fünf Jahren Durststrecke mit aller Macht in Richtung Playoffs. Ihre Spiele werden die Nuggets dabei vor allem in der Offense gewinnen müssen, da die Schwächen in der Verteidigung eklatant erscheinen.

Wer sich ein wenig mit der Geschichte der NBA auskennt, dem wird sicher auch der Name Doug Moe etwas sagen. Dieser coachte in den Achtzigern einige legendäre Teams der Denver Nuggets, die Run-and-Gun auf die Spitze trieben und zumeist Erster in der Offense und Letzter in der Defense waren. Dennoch waren die Nuggets in dieser Zeit stets ein gutes Playoff-Team, oft sogar ein ziemlich gutes, welches um Star Alex English aber einfach nicht an den Showtime-Lakers mit Magic Johnson und Co. vorbeikam.

In der Gegenwart könnte es wieder ein solches Nuggets-Team geben, welches Moe mit jeder Menge Stolz erfüllen könnte. Schon in der vergangenen Saison stellte Denver die beste Offense aller Teams, die nicht die Playoffs erreichten (insgesamt Platz 6, Offensiv-Rating: 109,1), aber eben auch die fünftschlechteste Defense, noch schlechter waren nur die Bulls, Kings, Cavs und Suns.

Die Moves der Offseason lassen zumindest darauf schließen, dass die Schere zwischen Offense und Defense noch weiter auseinandergehen könnte. Mit Wilson Chandler gaben die Nuggets per Trade nach Philadelphia ihren wohl besten Flügelverteidiger ab, der wichtigste Neuzugang, Isaiah Thomas, war defensiv nie mehr als - nett gesagt - unterer Durchschnitt.

Trades, um die Luxussteuer zu vermeiden

Und dennoch kann und muss diese Offseason als Erfolg für das Team aus der Mile High City gewertet werden. Im Draft fiel ihnen Michael Porter Jr. an Position 14 in den Schoß, der mal als bester High School-Spieler des Landes galt. Allerdings ist nicht klar, ob der Rookie in der kommenden Saison überhaupt ins Geschehen eingreift.

Mit Franchise-Center Nikola Jokic wurde langfristig um gleich fünf volle Jahre (148 Mio., keine Option!) verlängert, auch Mikrowelle Will Barton konnte am ersten Tag der Free Agency gebunden werden, wenn auch zu einem nicht ganz billigen Tarif (4 Jahre, 54 Mio.). Die Nuggets verfrachteten sich damit aber tief in die Luxussteuer und mussten darauf reagieren. So lässt sich auch der Trade von Kenneth Faried und Darrell Arthur nach Brooklyn erklären, es war schlicht und einfach eine Sparmaßnahme. In der Rotation spielten beide Bigs ohnehin keine Rolle mehr, deswegen war der Trade folgerichtig.

Allerdings nahmen die Nets die beiden Spieler nicht aus reiner Gefälligkeit. Rechnet man den Chandler-Trade auch noch mit ein, haben die Nuggets durch diese Moves insgesamt 90 Millionen Dollar gespart, aber dabei auch den Erstrundenpick 2019 und die Zweitrundenpicks 2020 und 2021 verscherbelt. 2022 hat Philly auch noch die Möglichkeit den Zweitrundenpick zu tauschen.

Die Playoffs sind für die Nuggets Pflicht

Denver zahlte somit den Preis, um die Youngster zu binden, aber auch um Fehler wie die teure Verlängerung von Mason Plumlee (3 Jahre, 41 Mio.) aus dem Vorjahr auszubügeln. Es dürfte wohl eine Ansage von den Besitzern, also der Kroenke-Gruppe, gewesen sein, die nicht gewillt war, für ein Team in die Luxussteuer zu gehen, das seit 2013 nicht mehr die Playoffs erreicht hat.

Letzte Saison war das Team von Mike Malone zumindest sehr nah dran, erst im Duell mit dem direkten Konkurrenten Minnesota am letzten Spieltag platzten die Träume. Da half auch die positive Bilanz von 46-36 nicht.

Nun müssen aber Ergebnisse her, das machte GM Tim Connelly nach dem Minnesota-Spiel deutlich. "Alles andere als die Playoffs wären für uns eine Enttäuschung", erklärte der GM, der aber auch das Team für die Saison lobte. "Ich bin sehr stolz auf das Team, wir sind richtig zusammengewachsen und sind stolz auf die 46 Siege."

Der Kern wird auch in der neuen Saison aus dem jungen Trio Gary Harris, Jamal Murray und Jokic bestehen, sie alle haben auch noch jede Menge Luft nach oben. Das gilt auch für Veteran und Borderline-All Star Paul Millsap, der die halbe Spielzeit verletzt fehlte und erst im Endspurt endlich die Chemie mit Jokic fand.

Macht Isaiah Thomas den Unterschied?

Mit Thomas kommt nun eine weitere Wildcard hinzu. Der ehemalige No.60-Pick soll dabei als Sixth Man von der Bank kommen und an seine alten, guten Zeiten in Sacramento und Boston anknüpfen. Die Verletzungen sowie das unsägliche Kapitel in Cleveland will IT damit vergessen machen und wieder mehr an den Thomas erinnern, der bei den Celtics Fünfter im MVP-Voting war und 29 Zähler im Schnitt erzielte.

Noch ist die Hüfte allerdings nicht verheilt, was ein weiterer Grund dafür ist, dass Denver den kleinen Scorer zum Veteranen-Minimum für ein Jahr verpflichten konnte. Im Prinzip ist es eine Win-Win-Situation. Denver brauchte einen erfahrenen Guard hinter Murray und Tiefe für die Bank, während Thomas auf der Suche nach Spielzeit war sowie einem Coach, der Vertrauen in die Fähigkeiten des nicht immer leichten Charakters hat.

Thomas und Coach Malone kennen sich aus Sacramento

Coach Malone und Thomas kennen sich aus gemeinsamen Zeiten in Sacramento (Saison 2013/14) und der jetzige Nuggets-Coach wurde später nicht müde zu betonen, welch ein großartiger Spieler IT ist. "Ich liebe diesen Jungen", schwärmte Malone vom Derwisch, als dieser mit Boston in Denver zu Gast war. "Was ich von ihm gelernt habe, war, dass wenn man ehrlich ist, lange in dieser Liga bleiben kann."

Malone hätte Thomas bei den Kings gerne gehalten, doch Sacramento verscherbelte den Guard in einem Sign-and-Trade nach Phoenix. "Viele in Sacramento wollten aus ihm jemanden machen, der er nicht ist", erklärte Malone. "Ich wollte nicht, dass er John Stockton ist. Das hat ihm gefallen, denn er hat gemerkt, dass ich wollte, dass er der beste Isaiah Thomas ist, der er sein kann."

In seinem dritten Jahr in der Liga explodierte der oft Verschmähte und legte im Schnitt 20,3 Punkte sowie 6,3 Assists auf, so viele Dimes spielte Thomas auch in seiner Zeit in Beantown nicht. An diese Zeiten soll IT anknüpfen, wenn auch in einer etwas kleineren Rolle, im Idealfall wie zu seiner Anfangszeit in Boston, als er als sechster Mann für Furore sorgte.

Nuggets: Die Defense wird Sorgen bereiten

Wenn Murray und/oder Barton auf die Bank gehen, soll Thomas den Druck auf die Defense hochhalten und für jede Menge Tempo sorgen. Malone dürfte seinem ehemaligen Schützling jede Menge Freiheiten einräumen und Thomas das machen lassen, was er am besten kann. Jede Menge Pick-n-Rolls laufen und den Korb aggressiv attackieren.

Natürlich gibt es auch Fragezeichen, ob Thomas' hohe Usage Rate sich mit Nikola Jokic gut verträgt, doch gerade die Stärken des Serben bei Handoffs dürfte für den Gegner durch Thomas noch schwerer zu verteidigen sein.

Allerdings wird sich Denver auch fragen, wie sie selbst verteidigen wollen. Eine Pick-n-Roll-Defense aus IT und dem Joker hört sich wenig vielversprechend an und klingt nach sicheren Punkten für den Gegner. So ruhen viele Hoffnungen in dieser Beziehung auf Millsap und dass die Youngster wie Murray, Harris oder Malik Beasley in dieser Kategorie noch einmal einen Sprung machen.

Bringt Isaiah Thomas die benötigte Konstanz?

"Am meisten Luft nach oben haben wir in der Defense", weiß auch Malone. "Wir haben eine elitäre Offense, aber defensiv muss mehr kommen, wenn wir nicht nur die Playoffs erreichen, sondern dort auch gewinnen wollen." Dies erklärte Malone noch vor dem Thomas-Signing während eines Summer League-Spiels gegenüber Doris Burke (ESPN), die Aufgabe dürfte nun nicht leichter geworden sein.

Denver wird wieder zu den besten Offenses der Liga gehören und an einigen Abenden auch mal 130 Punkte auf das Scoreboard zaubern. Viel entscheidender wird aber sein, ob man zumindest einigermaßen verteidigt und auch Konstanz in die Leistungen bringt, ein weiteres Manko der vergangenen Saison.

Auch dafür wurde ein Spieler wie Thomas geholt, der sich sein Leben lang beweisen musste und nun auch vielleicht die letzte Chance auf einen großen Vertrag bekommt. "Ich bin hier, um zu gewinnen. Dafür mache ich alles", kündigte Thomas bei seiner Vorstellung gleich einmal vollmundig an. "Ich bringe Erfahrung, ich bringe Führungsqualitäten und ich stehe für Konstanz. Auf mich wird man sich jeden Abend verlassen können."

Bei den Nuggets wird man dies gerne hören. Die Durststrecke muss in der kommenden Saison beendet werden, damit auch die Fans wieder vermehrt ins Pepsi Center kommen. Trotz der jungen Wilden zählten die Nuggets in der vergangenen Spielzeit zu den am schlechtesten besuchten Teams. In dieser Offseason wurde in punkto Attraktivität noch einmal ein wenig an der Schraube gedreht, die Nuggets bleiben jung, sind aufregend und immer für 130 Zähler gut.

Im wilden Westen schießt wohl keiner schärfer als dieses Team.