Die 50. Minute am Mittwochabend, Champions League gegen Neapel. Schweinsteiger und Inler prallen zusammen und Schweinsteiger signalisiert sofort: Er muss raus. Nach dem Spiel dann die Schock-Diagnose: Bruch des Schlüsselbeins, vermutlich das Aus für die Hinrunde.

Zunächst sei vorausgestellt: Bastian Schweinsteiger in der Form der bisherigen Saison kann der FC Bayern nicht 1:1 ersetzen. Er war die vielzitierte Seele des Spiels, Umschaltzentrale und Taktgeber des Spiels. Das heißt nicht, dass die Mannschaft jetzt in heillosem Chaos versinkt - aber einen Ersatz komplett ohne Qualitätsverlust wird es nicht geben.

Das eigene Spiel beibehalten

Zunächst stellt sich dabei die Frage: Wie soll der Ausfall taktisch kompensiert werden? Während man in der Champions League, grade in Manchester am letzten Spieltag der Gruppenphase, auch mit zwei defensiven Sechsern, also Tymoshchuk und Gustavo, auflaufen könnte, um selbst auf Konter zu setzen, wird dem FC Bayern In der Bundesliga die Dominanz vom Gegner zunächst mal auferlegt.

Trotz des Ausfalls von Schweinsteiger braucht man also einen spielstarken Sechser, der sich die Bälle an der Mittellinie abholt und dann verteilt, gleichzeitig aber auch Bälle erobern kann.

Einmal mehr stellt sich damit die Frage: Kann Toni Kroos auf der Doppelsechs spielen? Kroos selbst bejaht das, genau wie Bundestrainer Jogi Löw. Jupp Heynckes dagegen hielt bislang von der Idee wenig, sieht Kroos eher als kreativen Offensivspieler.

Dabei ist zunächst festzuhalten, dass Kroos diese Rolle schon mehrfach gespielt hat, beispielsweise in der letzten Saison gegen den HSV. Trotz der drückenden Überlegenheit der Münchner wird deutlich, dass Kroos relativ diszipliniert seine Rolle gespielt hat und vor sich Müller, Ribery und Robben wirbeln konnten:


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Die Balance finden

Wichtig wird in den nächsten Wochen sein, dass die Mannschaft insgesamt das Tempo und den Takt des Spiels bestimmt, unabhängig davon, wer jetzt auf der 6 spielen wird. Bisher fungierten Schweinsteiger und Kroos wie zwei Puzzlestücke, die in gegenseitiger Absprache rochierten und sich gleichzeitig perfekt ergänzen. Deutlich wird das anhand beider Heat Maps beim 2:0 auf Schalke:


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Schweinsteiger sichert das Zentrum ab und bewegt sich hauptsächlich in relativ engem Radius um den Mittelkreis herum, während Kroos' Bewegungsradius am Mittelkreis des Gegners beginnt und sich dann auch in die Breite des Feldes streckt:


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Diese Balance ist ein eminenter Baustein für das Offensivspiel und das regelmäßigen Pass-Spektakel, das die Mannschaft in dieser Saison abliefert. Wichtig wird jetzt sein, die Passsicherheit auch im Spiel nach vorne trotz der Verletzung Schweinsteigers nicht zu verlieren - also im Idealfall einen passsicheren Spieler einzusetzen.

Toni Kroos scheint hierfür prädestiniert. Kroos blüht unter Heynckes, mal wieder, auf, ist spielerisch perfekt in die Mannschaft integriert und spielt eine überragende Saison. Er hat die Fähigkeit, das Spiel auch von einigen Metern weiter hinten zu dirigieren.

Kroos: Am Fleiß mangelt's nicht

Neben Tormaschine Gomez, dem wieder aufblühenden Ribery und der Seele Schweinsteiger vergisst man Toni Kroos mitunter. Dabei weist der 21-Jährige beeindruckende Zahlen auf:

54,8% gewonnene Zweikämpfe insgesamt in der laufenden Bundesligasaison, bei 135 bestrittenen Zweikämpfen. Macht 2,2% mehr als etwa Träsch oder 4,4% mehr als Ballack, der seinerseits 117 Zweikämpfe bestritten hat. Kroos' Wert ist sogar um 0,1% über dem von Philipp Lahm.

Die durchschnittliche Laufdistanz in den Spielen, in denen er über 90 Minuten auf dem Platz stand, ist für einen 10er auch ungewöhnlich hoch: 11,04 Kilometer riss Kroos im Schnitt in diesen Spielen herunter und ist fast immer in der Top-3 der Münchner zu finden.

Außerdem lieferte Kroos in drei dieser von ihm über 90 Minuten absolvierten Spiele die meisten Münchner Torschüsse ab (in Hoffenheim, auf Schalke und gegen Freiburg), zwei Assists stehen in der Liga zu Buche.

Den Spielfluss am Leben erhalten

Rückt Kroos tatsächlich etwas zurück und spielt den kreativen Part der Doppelsechs, wird etwas offensichtlich: Es fehlt an adäquatem Ersatz für die Position des offensiven Spielmachers - zumindest in der Form, in der Kroos die Rolle ausübt.

Bleibt aber die etwas andere Auslegung des 4-2-3-1, mit Müller als hängender Spitze. Müller interpretiert die Rolle hinter der einen Spitze zwar anders, macht aber, ähnlich wie Kroos, das Feld breit und sucht immer nach der Lücke, um in die Spitze zu stoßen, was für erhöhte Torgefahr sorgt.

Deutlich wird das anhand Müllers Heat Map gegen Mainz aus der vergangenen Saison, als er eben jene Rolle ausübte: Klar Parallelen zu Kroos' Bewegungsradius, mit allerdings mehr Fokus auf dem eigenen Eindringen in den gegnerischen Strafraum, als der zusätzlichen Arbeit nach hinten.


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Mit der Variante, Kroos nach hinten und Müller nach Innen zu ziehen würde man das spielerische Defizit im Zentrum so gering wie möglich halten und an der aktuellen Startelf und dem taktischen System möglichst wenig ändern. Auf dem rechten Flügel könnte, wie auch schon in Kaiserslautern beim 3:0, David Alaba zum vorübergehenden Stammspieler werden. Aber natürlich gibt es auch...

Alternativen

Eine andere Option fürs Zentrum springt einem sofort ins Auge: David Alaba. Der 19-jährige Österreicher fällt ganz klar in die Kategorie "erweiterte Stammelf" und kam in der laufenden Bundesligasaison bereits auf neun (Kurz-)Einsätze. Der Österreicher kann das Spiel auch mitgestalten, ist lauf- und zweikampfstark (48,2% gewonnene Zweikämpfe als Flügelspieler, bei 56 Zweikämpfen).

Drastischer wäre die Umstellung des 4-2-3-1. So könnte Olic oder Petersen für Schweinsteiger in die Startelf rücken und so das System zum 4-4-2 mit Fokus auf den Flügeln werden - ein eher unwahrscheinliches Szenario, da die bairische Dominanz im 4-2-3-1 wesentlich stärker umsetzbar scheint.

Abschließend gäbe es noch die, bereits genannte, Option mit Gustavo und Tymoshchuk auf der Doppelsechs. Gegen Neapel wirkte das zwar hölzern, allerdings war nach dem Platzverweis gegen Badstuber ohnehin das ganze System auf ein 4-2-2-1 umgestellt, mit Gustavo in der Innenverteidigung und Kroos weiter zurückgezogen als 8er.

Tymoshchuk hat bereits bei Zenit keineswegs den reinen Abräumer gegeben, sondern immer auch Impulse nach vorne gesetzt und auch mit Toren geglänzt. Fraglich scheint allerdings, ob er in das schnelle Passspiel so ohne weiteres als Schaltzentrale integriert werden kann.