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Formel 1


Gründer: santiagodiaz | Mitglieder: 116 | Beiträge: 60
13.11.2013 | 4303 Aufrufe | 14 Kommentare | 7 Bewertungen Ø 9.7
Alonso vs. Räikkönen
Was kommt da auf die Formel 1 zu?
Der große Vergleich

Kimi Räikkönen wechselt 2014 zu Ferrari. Fernando Alonso ist schon da, und falls er bleibt, dürfen wir uns auf eine der aufregendsten Fahrerpaarungen aller Zeiten freuen. Es ist eine Mixtur mit reichlich Sprengstoffpotential und enormer Klasse am Lenkrad. Aber welches Schwergewicht wird in Maranello die Hausmacht bunkern?



Das Duell muss warten. Einstweilen werden Fernando Alonso und Kimi Räikkönen ihre Gefechte nicht mehr in verschiedenen Farben austragen. Eine wieder aufgebrochene Rückenverletzung zwingt den Lotus-Piloten zum verfrühten Saisonende - nicht ohne dem pikanten Zusatz, dass Räikkönen wegen ausstehender Gehaltszahlungen laut über einen Boykott der letzten beiden Rennen philosophiert hatte. Allen Verschwörungstheorien über die (Ir-)Relevanz der Verletzung nimmt er, zumindest offiziell, den Wind aus den Segeln: "Ich wäre sehr gern gefahren, aber die Schmerzen sind einfach zu groß. Ich kann noch nicht einmal daran denken, ins Auto zu steigen. Es ist die beste Lösung, mich umgehend einer Operation zu unterziehen, damit das Problem so schnell wie möglich gelöst werden kann. Das garantiert, dass ich für die kommende Saison wieder komplett fit bin."


Die kommende Saison, also dann, wenn es wirklich zählt. Wenn die Formel 1 gespannt und gebannt ins rote Lager blicken wird, um zwei Schwergewichte der Szene zu beobachten, wie sie mit den Säbeln rasseln - im selben Auto, Seite an Seite, Kopf an Kopf. Doch die ersten Kritiker spotten schon: Da hat sich Ferrari zwei ältere Herren mit Rückenleiden ins Haus geholt... Auch Alonso musste nach seiner unfreiwilligen Sprungeinlage in Abu Dhabi mit angeknackstem Rücken ins Krankenhaus. Vor dem Rennen im amerikanischen Austin klagt er nach wie vor über Beschwerden, wird aber "wie immer versuchen, 100 Prozent zu geben."



Feuer und Eis



Fernando Alonso versus Kimi Räikkönen, das wird ein Duo der Extreme. Man darf sich bereits die Hände reiben, vor Vorfreude, vor Spannung, vor der Hülle und Fülle an Gesprächsstoff, denn der spanische Torero und der finnische Leisetreter sind zwei Charaktere, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Feuer und Eis, profilgetreu skizziert diese Antithese den aufbrausenden Alonso und den apathischen Räikkönen. Nicht umsonst kennt ihn die Welt als "Iceman."


Was kommt da auf die Formel 1 zu?


Brisantes, orakelt Michael Schumacher. Der Rekordchampion ist lange Jahre gegen beide gefahren und brutzelt die würzigen Zutaten im Schnell-Kochtopf. "Ferrari mit Fernando und Kimi, das klingt nach einer explosiven Mischung. Für Motorsportfans sicher ein Knaller, für die Konkurrenz ein harter Brocken", sagt Schumacher. Der dreimalige Weltmeister Jackie Stewart ist der Ansicht, dass die Alonso'sche Hegemonie in Maranello bald ein Ende findet: "Bislang hat man ihm bei Ferrari jeden Wunsch von den Lippen abgelesen. Aber ist das auch so, wenn an seiner Seite ein gleichwertiger Fahrer ist? Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Alonso von der Verpflichtung Räikkönens begeistert ist..." Nonkonformist Jacques Villeneuve redet wie gewöhnlich nicht um den heißen Brei herum. Als "total wahnsinnig" bezeichnet er die Entscheidung Ferraris, ihren bis dato letzten Weltmeister zurück ins Mutterschiff zu lotsen.


Aber ist es wirklich so verwegen? Seit Fernando Alonso für Ferrari fährt, scheiterte er in vier Anläufen an der Mission Weltmeisterschaft, die eigentlich eine Sehnsucht ist. Da Kimi Räikkönen 2013 nicht mehr ins Lenkrad greifen kann, wird Alonso mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum dritten Mal als Zweiter im Ziel eintrudeln. Nur als Zweiter. Und deshalb wurde Räikkönen reaktiviert.


Bis die beiden Ausnahmekönner Anfang des kommenden Jahres im selben Overall posieren, werden allerhand Theorien ausgebreitet, die über das tatsächliche Leistungsvermögen Aufschluss geben (sollen). Die einen werden Alonso verherrlichen, weil er ja nicht nur "komplett" ist, das wäre zu irdisch, sondern der "kompletteste" Pilot überhaupt. Die anderen werden Räkkönens Naturtalent preisen, diesen unglaublichen Grundspeed, welcher den spanischen Stier sicherlich am Nasenring durch die Manege ziehen wird. Pro Alonso bedeutet dann contra Räikkönen, automatisch, unweigerlich, und im Umkehrschluss entsprechend.



Zahlen, Daten, Fakten



Fernando Alonso, 32 Jahre alt, aus Oviedo, geschieden, keine Kinder. Zwölf Jahre Formel 1 für Minardi, Renault, McLaren-Mercedes, Ferrari. 214 Starts, 32 Siege, 22 Pole Positions, 21 schnellste Rennrunden. Insgesamt 94 Podiumsplätze, 1581 WM-Punkte (Rekord), Weltmeister 2005, 2006 (jeweils auf Renault).


Kimi Räikkönen, 34 Jahre alt, aus Espoo, geschieden, keine Kinder. Elf Jahre Formel 1 für Sauber, McLaren-Mercedes, Ferrari, Lotus. 193 Starts, 20 Siege, 16 Pole Positions, 39 schnellste Rennrunden. Insgesamt 969 WM-Punkte, 77 Podiumsplätze, Weltmeister 2007 (im Ferrari).


Alonso und Räiikönen ergatterten die Titel der Jahre 2005 bis 2007. Danach triumphierte die England-Connection Lewis Hamilton (2008) und Jenson Button (2009), ehe der Deutsche im britisch-österreichischen Team zu musizieren begann - inzwischen im Vier-Vettel-Takt.


Schauen wir uns die beiden ehemaligen Champions einmal genauer an. Wer hat wo Vorteile? Wer bietet wo Angriffsflächen? Wer kann das hochsensible Ferrari-Gebilde eher stabilisieren?


Das Talent


Fernando Alonso hat in seiner Karriere bewiesen, unter allen Umständen und Regularien schnell zu sein. Sei es die Bereifung mit Michelin, Bridgestone, Pirelli, sei es deren Beschaffenheit, langlebig oder leicht verschleißbar, sei es mit oder ohne KERS, mit oder ohne DRS, mit V10 - oder V8-Motoren. Alonso war stets ein Sieganwärter. Und Ferrari zuletzt ein hinterherhinkender Rennstall. "Leider sind wir nicht in der Lage gewesen, ihm ein Auto zu geben, das seinem Talent entspricht", entschuldigt sich Teamchef Stefano Domenicali und streut seiner launischen Diva Rosen: "Man vergleicht ihn mit Vettel, aber wenn man ein besseres Auto hat, ist alles einfacher." Auch Felipe Massa huldigt Alonso, was nicht verwundert, denn das poliert seine eigenen, beschaulichen Leistungen etwas auf. "Schumacher war sehr, sehr gut, aber am meisten litt ich unter Alonso. Ich glaube, er ist der perfekte Pilot. Es wird nicht leicht für Kimi."


Den finnischen Wort-Aholic zeichnet seine Begabung aus, mit nahezu allen von Motoren angetriebenen Fortbewegungsmitteln sofort am Limit zirkulieren zu können. Er steigt ein, fährt los und beherrscht den Umgang scheinbar spielerisch. Gerhard Berger nannte Kimi das "schnellste Lebewesen auf vier Rädern." Was für Alonso gilt, darf sich Räikkönen ebenso auf die Fahnen schreiben: Er ist nicht auf eine bestimmte Epoche festgenagelt, nimmt neue Gegebenheiten an, lernt sie rasch zu verstehen, steigt ein, fährt los...


Wertung: Unmöglich, vorab einen klar Stärkeren zu bestimmen. Beide dürften allmählich an ihrem persönlichen Zenit kratzen. Unentschieden.


Die Politik


"Ich habe keine Angst vor Kimi!" So freundlich begrüßte Fernando Alonso seinen künftigen Tischnachbarn, wenn man einmal vom vorgekauten PR-Gedöns absieht. Das liest sich nämlich folgendermaßen: "Kimi war auf dem Markt der beste Fahrer, den wir bekommen konnten. Ich war von Anfang an über alle Entscheidungen des Teams informiert. Ich bin glücklich mit der Situation." Und Schalke 04 wird Deutscher Meister.


Räikkönen mag keinerlei Interesse an der hektischen Betriebsamkeit seiner Umwelt hegen, doch die Gehalts-Debatte bei Lotus zeigt, dass er durchaus konsequent sein kann, sofern Dinge nicht nach seinem Gusto laufen. Am Ende ist die Formel 1 ein monströses Business, auch für Kimi, den Öffentlichkeitsverweigerer. Es ist (leider) arg romantisiert, anzunehmen, dass sich ein Haufen unerschrockener Jungs jeden zweiten Sonntag auf dem Rennplatz trifft, ein bisschen am Wagen tüftelt und dann um die Wette fährt, um Mädchen zu beeindrucken. Die Wirklichkeit spielt sich zu einem beträchtlichen Teil hinter den großen Stellwänden ab, und der interessierte Außenstehende bekommt davon allenfalls die Hälfte mit. Wäre das Fahrerlager ein Plenarsaal, hätte Fernando Alonso unbestritten den Vorsitz inne. Der Spanier ist ein Verfechter gepflegter Nettigkeiten im Verborgenen, nichts passiert zufällig, und das höchst selten zu seinem Nachteil. Auf diese Weise hat er auch 2007 Fäden und Intrigen gesponnen, die dem naiven Lewis Hamilton zum Verhängnis werden sollten. Allein: Alonso schoss sich ins eigene Bein, wurde bei McLaren zum bösen Buben gestempelt und war am Saisonende außen vor. Den Titel verpassten übrigens beide. Jeweils um einen Punkt. Lachender Dritter war Kimi Räikkönen.


Wertung: Keiner versteht die Kunst des versteckten Handwerks besser wie Politiker Alonso. Ein Punkt für ihn, auf den er nicht unbedingt stolz sein sollte.


Der Maßstab Massa


Bevor Alonso und Räikkönen in medias res gehen, wird der arme Felipe Massa als Gradmesser herhalten müssen - schließlich ist der baldige Williams-Angestellte die einzige echte Konstante. Anhand des Brasilianers, acht Jahre für Ferrari aktiv, lassen sich recht vernünftige Vergleiche ziehen. Und doch nicht alle Fragen beantworten.


Alonso und Räikkönen trafen in ähnlichen Zeitspannen und zu ähnlichen Zeitpunkten auf Massa. Drei Jahre war er Kimis Kollege, vier Saisons der Adjutant von Alonso. Räikkönen war 27, als er kam, und 30, als er ging. Alonso übernahm das Ruder als 28-jähriger und verabschiedet sich mit 32 Jahren von seinem treuen Gehilfen. Keck bemüht der Spanier schon einmal vorsorglich das psychologische Element: "Felipe ist in Sachen Speed nicht langsamer als Kimi. Wenn die beiden gegeneinander gefahren sind, war Felipe genauso schnell wie er." Eine Aussage ohne Beleg, die trotzdem stimmt. Räikkönen behauptete sich 2007 nach Punkten (logisch, denn er wurde Champion), unterlag Massa jedoch in den Qualifying-Duellen mit 8:9. Im Jahr 2008 wendete sich das Blatt, Massa behielt mit 97:75 die Oberhand und distanzierte seinen Teamkollegen auch im Zeittraining deutlich (12:6). Die Saison 2009 fällt quasi aus der Wertung, da Massa in Ungarn bekanntermaßen schwer verunglückte.


Als er aus der Rekonvaleszenz wieder in den roten Renner kletterte, hatte sich Ferrari-Neuankömmling Alonso schon breit gemacht. Massa stand vor einem lagen, tiefen Tal, das er bis heute nicht gänzlich durchschritten hat. Seine Bilanz ist demoralisierend. 2010: Alonso gewinnt mit 252:144 sowie 14:5 im Qualifying. 2011: Alonso gewinnt mit 257:118 sowie 16:3 im Qualifying. 2012: Alonso gewinnt mit 278:122 sowie 17:3 im Qualifying. Aktuell hält der Zählerstand bei 217:106 - für Alonso. Im Qualifying hat sich Massa erheblich gesteigert, interessanterweise just ab der Bekanntgabe seiner Kündigung. 8:9 liegt er in dieser Disziplin (noch) im Hintertreffen.


Was an den mutmaßlich unbestechlichen Fakten revidiert werden muss, ist zweierlei. Erstens konnte Felipe Massa nach dem beinahe tödlichen Crash in Budapest nie wieder an sein früheres Leistungsniveau anknüpfen. Das begünstige Fernando Alonso, in der internen Ausscheidung glänzend abzuschneiden. Mit der Form von 2008, als der kleine Brasilianer zum kürzesten Weltmeister der Formel-1-Geschichte wurde, wären die Differenzen wohl weit geringer ausgefallen. Spekulation, klar, aber wenn man bedenkt, wie erfolgreich Kimi Räikkönens Comeback nach zweijähriger Abstinenz verlief, darf man annehmen, dass er damals zumindest nicht schwächer war - und Massa dennoch nicht enteilen konnte.


Ein zweiter Punkt ist die Umstellung auf die Pirelli-Reifen. Da nehmen sich Alonso und Räikkönen nicht viel. Massa hingegen kämpfte in den vergangenen Jahren mit den empfindlichen Pneus, und er vermochte seinen Fahrstil nicht ausreichend an die veränderten Gegebenheiten anzupassen. Im Verhältnis zu früheren Standards haben künstliche Einführungen die Formel 1 effektiv in eine andere Sportart gewandelt. Alonso und Räikkönen adaptierten sich, Massa schlingerte.


Wertung: Die vierjährige Dominanz ist unwiderlegbar. Punkt für Alonso.


Die Einsatzbereitschaft


Kimi Räikkönen wird landläufig nicht eben als Trainingsweltmeister bezeichnet. Der Fleiß soll nicht sein Freund sein, eher der Instinkt, die Intuition, die gottgegebene Befähigung. Fernando Alonso teilt seinen Twitter-Followern regelmäßig mit, wo und wann er wie schuftet. "Natürlich ist es schwieriger, sich zu motivieren, wenn du keine Chance auf die Weltmeisterschaft hast. Aber es gibt 22 Fahrer, die in einer schlechteren Situation sind", sagt er, Zweckoptimismus versprühend. Bei Räikkönen besteht die Mär von abflauendem Antrieb, sobald sich die Lage verkompliziert. 2009 wurde sein Abschied vielerorts mit fehlender Motivation erklärt. Auch denken manche, dass sich das Hickhack um die Lotus-Zahlungen auf Kimis Leistung ausgewirkt hat. Ähnlich wie Alonsos momentane Formdelle im Qualifying der eklatanten Unterlegenheit gegenüber Vettel sein soll. Nichts als heiße Luft? Vermutlich.


Wertung: Ohne stimmige physische und psychische Komponente könnten beide nicht in der höchsten Motorsportserie antreten und dort zum Tafelsilber gehören. Räikkönens Herangehensweise wird unterschätzt. Unentschieden.


Der Ferrari-Faktor


Jacques Villeneuve lässt kein gutes Haar an Räikkönens Berufsethos: "Er kann nicht mit Ingenieuren arbeiten, er kann das Auto nicht weiterentwickeln, er nimmt keine Sponsoren-Termine wahr - er kann nur schnell fahren." Was im Motorsport nicht die schlechteste Eigenschaft sein soll. Trotzdem hält sich seit Jahr und Tag das (Vor-)Urteil eines Kimi Räikkönen, der wertvollere Güter kennt als Kommunikation und Kooperation. Isoliert im Team sei er, ein Eigenbrötler und Einzelgänger. Als der Finne und Ferrari erstmals getrennte Wege gingen, kratzte sich Präsident Luca di Montezemolo ratlos am Kopf. Er könne ja verstehen, wenn ein Fahrer nicht viel reden wolle, meinte er. Aber so gar nichts sagen - das funktioniere nicht.


Lotus-Teamchef Eric Boullier hatte sich mit der Arbeitsweise seines Star-Piloten arrangiert. "Ich denke, es gibt auf der ganzen Welt niemanden, der Kimi vorschreiben kann, was er machen soll. Also werde ich damit bestimmt nicht anfangen!" Legendär sind seine Funksprüche, beziehungsweise jene knappen Wortfetzen, die als Rudimente von Dialogen übrig bleiben. Doch so leicht ist das mit Räikkönen und dem Schweigegelübde nun auch wieder nicht. Er wisse durchaus, dass seine Truppe versucht, ihm zu helfen, betont Kimi. Allerdings müsse "man ja nicht zweimal pro Minute dasselbe sagen - ich bin nicht so doof, dass ich mir nicht merken kann, was ich gerade tue..." Über seinem damaligen Ferrari-Exodus hängen nach wie vor dunkle Wolken, und di Montezemolos Statement unterstreicht die kulturbedingten Annäherungsschwierigkeiten zwischen der heißblütigen Scuderia und dem kühlen Skandinavier. "Es gibt viele Geschichten aus meiner Vergangenheit, aber die sind alle von den Medien", relativiert Räikkönen. "Ich hatte mit Ferrari eine gute Zeit und die werden wir auch wieder haben."


Der umtriebige Luca di Montezemolo hat Mitte dieses Jahres auch seinen vermeintlichen "Co-Dirigenten" auf Normalmaß gestutzt. Hatte man zuvor den Eindruck, dass Fernando Alonso derjenige war, auf den Ferrari seit Schumacher wartet, und der zum heimlichen Herrscher in Maranello aufgestiegen war, wurde seine penetrante Kritik an Rennstall und Arbeitsgerät zum Bumerang. "Wenn du ein Familienvater bist, musst du deinem Sohn ab und zu mal die Ohren lang ziehen", ergriff di Montezemolo erzieherische Maßnahmen. Alonso hatte die Nörgelei in den täglichen Sprachduktus integriert. Mal lamentierte er über seinen (un)fahrbaren Untersatz, mal beklagte er technischen Stillstand, mal jammerte er, wie traurig es sei, ständig zu verlieren: "Wir haben nicht einmal das zweitschnellste Auto, wie wir jedes zweite Wochenende vor Augen geführt bekommen." Als er sich im Juli einen Red Bull zum Geburtstag wünschte, war eine imaginäre Grenze überschritten. Niemand, auch kein Alonso, verunglimpft das springende Pferd! "Dann fuhr Montezemolo dazwischen und im privaten Kreis habe auch ich das getan", enthüllt Stefano Domenicali. Seitdem haben sich die Wogen zwar - äußerlich - geglättet, doch in der einstigen Traumehe kriselt es. Räikkönens Verpflichtung wird als dezenter Hinweis an den aufmüpfigen Alonso interpretiert. Credo: So weit und keinen Schritt darüber hinaus.


Der Doppelweltmeister hat, aller unbestrittenen Klasse zum Trotz, in vier Jahren nicht gezeigt, eine Entwicklung einläuten zu können. Freilich, ohne die hundsmiserable Strategie in Abu Dhabi 2010 würde sich die Gesamtbetrachtung völlig konträr darstellen, doch der Konjunktiv gewinnt keine Titel. Den Nachweis, eine Mannschaft aus tausenden Mosaiksteinen zusammenzuführen, die Individualität der Mitglieder in einer Masse mit gemeinsamer Maxime zu vereinigen, alle Kräfte zu bündeln - diesen Nachweis hat der Spanier bei Ferrari nicht erbracht.


Wertung: Alonso hat seine Chance vertan. Verhält sich Räikkönen geschickt, kann er zum Team-Leader avancieren. Punkt für Kimi.



Fazit und Ausblick



Von fünf Kategorien verbucht Fernando Alonso zwei für sich, zwei weitere (Talent und Einsatz) sind ausgeglichen. Kimi Räikkönen hat nur in einem Aspekt die Nasenspitze vorn, doch dieser könnte der entscheidende sein. Ferrari ist ein spezielles Team, die Mechanismen greifen nicht blindlings ineinander. Und Alonso, so scheint es, ist in der Innen - und Außenwirkung einen Schritt zu weit gegangen.


Dass Räikkönen, 2009 im Unfrieden und mit knapp 20 Millionen Abfindung in die Rallye-WM hinauskomplimentiert, nun von Ferrari zurückbeordert wird, kann seinem bisherigen Nummer-1-Piloten nicht schmecken. Mehr noch: Es ist ein offener Affront gegenüber Fernando Alonso und dessen Hausmacht. Mit dem Titelrivalen im gleichen Auto wählt Ferrari - wohl bewusst - die heikle Variante. Auch Nico Hülkenberg wäre zu haben gewesen, also jemand, der dem Alphatier Alonso keinen erbitterten Kampf um Status und Einfluss geliefert hätte. Wird die Combo Alonso/Räikkönen wie weiland Prost und Senna? Stellt sich der stolze Spanier überhaupt der Herausforderung eines emanzipierten Kollegen, oder flüchtet er etwa vor der Konkurrenz im eigenen Stall? McLaren soll locken, spätestens ab 2015.


Alonso selbst wiegelt - branchenüblich - rigoros ab: "Ich habe einen Vertrag bis 2016, und den werde ich erfüllen, vielleicht sogar noch einmal verlängern." Kann er 2014 endlich Dauersieger Sebastian Vettel ablösen? "Wenn wir ein konkurrenzfähiges Auto haben, werden wir die Saison sehr genießen. Wenn wir kein konkurrenzfähiges Auto haben, wird es sehr ähnlich wie in dieser Saison werden." Und was ist nun mit der innerbetrieblichen Nummer 1? "So etwas gibt es bei uns nicht." Aha.


Felipe Massa tippt auf Kleinkrieg im roten Revier: "Ich kenne Fernando und Kimi auf und abseits der Strecke und sehe sie als exzellente Fahrer, aber ich befürchte, dass sie aneinandergeraten werden, wenn sie im gleichen Team sind." Prophezeiungen, die Kimi Räikkönen - wie sollte es anders sein - kalt lassen. Lapidar zuckt er die Schultern: "Wir sind keine 20 Jahre alten Jungs mehr. Es wird harte Kämpfe auf der Strecke geben, aber ich bin sicher, dass es funktionieren wird. Wir sind alt genug, um zu wissen, was wir machen. Wenn es doch Probleme geben sollte, werden wir darüber sprechen." Sprechen! Und das aus Kimis Munde. Es wird ein tolles Jahr.


Bildquelle: spox.com

KOMMENTARE
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Red_7
22.11.2013 | 16:37 Uhr
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Red_7 : 
22.11.2013 | 16:37 Uhr
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Red_7 : 
Was Killerinstinkt angeht, würde ich das eher auf den Lotus schieben. Der Lotus kann augenscheinlich länger an seinem Limit fahren, als andere Autos, dafür ist das Limit nicht ganz so hoch. Ferrari und Red Bull können bei gewissen Features (Drehzahl, Benzingemisch, Kühlung) kurzzeitig ein höheres Maximum abrufen (auch wen das dann langfristig gegen die Zuverlässigkeit geht -> siehe Webber). Erinnerst Du Dich an Nürburgring Grosjean vs. Vettel? Grosjean ist mit teilweise 1 Sekunde pro Runde aufgeschlossen, konnte sich im Windschatten aber nie in die Position bringen um zu überholen.

Das Räikkönen dagegen sehr wohl um die Ausmaße seines Autos Bescheid weiß kann man in hat er bei verschiedenen Gelegenheiten in diesem Jahr gezeigt (Bsp. in Ungarn vs Grosjean).

Und Alonso versteht es halt den Ferrari so zu managen, dass er die Bonusfeatures in dem Moment abruft, wen sie am wichtigsten sind. Wobei auch dass eher von der Boxenmauer angeleitet wird, da der Renningenieur da die bessere Übersicht über das Rennen hat.
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MasterStief
22.11.2013 | 12:00 Uhr
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22.11.2013 | 12:00 Uhr
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Was ich bei Kimi während der Pirelli-Ära ebenfalls etwas vermisse, ist teilweise der Killerinstinkt beim Überholen. 2013 zwar verbessert, aber gerade 2012 waren sehr wenige Überholmanöver auf der Strecke von Kimi zu sehen. Sehr viel lief über gute Strategie. Hing er dann doch mal fest, ging es häufig nicht nach vorne.

Bei Alonso habe ich das Gefühl, dass er früher oder später immer vorbei kommt. Und er fightet immer immens.

Insofern würde ich den Punkt "Einsatz" auch eher Alonso zurechnen als Kimi...der Iceman fährt häufig halt "sein" Rennen, während Alonso eher auch gegen andere racet.

Weiß nicht, wie ihr das seht?
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MasterStief
22.11.2013 | 11:56 Uhr
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22.11.2013 | 11:56 Uhr
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Den Punkt mit Gradmesser Massa finde ich interessant, aber das ist wirklich schwierig zu sagen. Habe da mal ein paar Gedanken, die du teilweise auch schon erwähnt hast:

1. Massa kam relativ geschwächt von seiner Verletzung zurück. Die Stallorder in Hockenheim war für mich allerdings eher der Todesstoß als "nur" die Feder von Barichello. Danach ging wirklich nichts mehr bei Felipe. Deswegen kann man den Massa-Vergleich, denke ich, nur schwierig ansetzen.

2. Räikkönen war 2008 vom Pech verfolgt: Viele Ausfälle und technische Probleme, die ihn früh aus dem Meisterschaftsrennen warfen. Ohne diese hätte Kimi ihn wohl auch 2008 geschlagen!
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MasterStief
22.11.2013 | 11:47 Uhr
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22.11.2013 | 11:47 Uhr
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Toller Blog. Sehr ausführlich

Ich verwette mein linkes Ei, dass Alonso Kimi dominiert übrigens...
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RoyRudolphusAnton
19.11.2013 | 09:13 Uhr
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19.11.2013 | 09:13 Uhr
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@ Dr_D

Da stimme ich dir voll zu. Danke für die Anmerkung.
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Dr_D
17.11.2013 | 15:46 Uhr
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Dr_D : 
17.11.2013 | 15:46 Uhr
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Dr_D : 
Starker Blog. Sehr stark.

Aus meiner Sicht wird viel davon abhängen wie gut, oder nicht gut der Ferrari sein wird. Kimi kann sehr gut auch mit nicht ganz so guten Autos schnell fahren, was Alonso auch kann, aber Kimi kann auch den Mund halten.
Sollte Fernando dann sticheln und motzen wird sich das Team auf Kimis Seite stellen.

Sollte Ferrari ein gutes Auto haben können sich die beiden gegenseitig pushen, was kein nachteil sein muss.

Eins noch zum Blog: Die Fahrerpaarung Senna/Prost war mit Verlaub noch eine Klasse höher einzustufen, als Alonso und Räikkönen, sowohl vom Talent und auch auch von der Politik.
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RoyRudolphusAnton
14.11.2013 | 21:03 Uhr
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14.11.2013 | 21:03 Uhr
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Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit genommen habt, um den Text zu lesen. Ich weiß, dass die Länge grenzwertig ist.

@ hummels10
Die Wertung enthält zwar keine Ich-Form, aber ist natürlich auch subjektiv. Völlig klar, dass es da unterschiedliche Auffassungen gibt.

@ LewisNo1
Dankeschön Ja, der Zeitpunkt ist vielleicht nicht optimal. Es werden halt im Laufe der nächsten Monate so viele Vergleiche kommen. Soll nicht egoistisch klingen, aber ich hatte Lust auf das Thema und wollte einigen einfach ein bisschen zuvorkommen...
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Red_7
14.11.2013 | 20:54 Uhr
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Red_7 : Hummels10
14.11.2013 | 20:54 Uhr
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Red_7 : Hummels10
Das eine Kimifanpage die Weltverschwörung vom Himmel herunterbiegt um das ausscheiden ihres Fahrers bei Ferrari zu erklären (und das er von Massa geschlagen wurde), würde mich jetzt nicht wundern.

Ich würde mich da auch nicht von der Vielzahl an Quellenhinweisen blenden lassen. In den zentralen Punkten wird in Aussagen (ua der von Schumacher) sehr viel reininterpretiert ohne Belege dafür liefern zu können. Und solange die Fehlen bleibt der Beitrag einfach reine Spekulation.

Zumal der Blogbetreiber auf Twitter sehr exzessiv gute F1-Journalisten anpöbelt, wen ihre Meinung nicht mit der seinen übereinstimmt.
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LewisNo1
14.11.2013 | 15:31 Uhr
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LewisNo1 : @ RoyRudolphusAnton
14.11.2013 | 15:31 Uhr
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LewisNo1 : @ RoyRudolphusAnton
Also zuerst ma an dich: Wirklich sehr gut geschrieben so wünscht man sich das, allererste Sahne;).
Einziger Kritikpunkt der eigentlich keiner ist, ist der Zeitpunkt des Blogs.
An deiner Stelle hätte ich ihn kurz vor Saisonbeginn gebracht, DENN dieser Blog macht richtig Bock auf das Duell Kimi vs Fernando!
Meine Meinung zu den beiden ist, das beide sich im Q nicht viel tun werden, wenn würde ich leichte Vorteile bei Kimi sehen.
Zum Rennen würde ich sagen das Fernando stärker ist, denn ich glaube er ist seit 2012 in einer Form an die nur sehr sehr wenige rankommen und ob das Kimi schafft? Naja wir werden sehen.
Ich wünsche mir aber ehr ein wirkliches Duell auf Augenhöhe wie damals Hamilton vs Alonso das war einfach grandios.
Ansonsten kann 2014 gerne kommen.
Vielleicht auf eine spannende Saison mit einem Stallduell das alles in den Schatten stellen wird, aber wir werden sehen, auf 2014!
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Red_7
13.11.2013 | 15:06 Uhr
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Red_7 : 
13.11.2013 | 15:06 Uhr
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Red_7 : 
Ich freue mich sehr auf das nächste Jahr (und das nicht nur weil die WM dann wieder bei Null losgeht ).

Mein persönlicher Eindruck ist, dass sich bei Ferrari nicht viel ändern wird. Wenn es keinen klaren Leistungsunterschied gibt, dann wird Alonso die Nummer 1 im Team bleiben. Er ist seid vier Jahren da und hat alle auf Linie und eigentlich gilt Kimi nicht gerade als politischer Fahrer, was ihm bei seinem ersten Intermezzo auch ein wenig zum Verhängnis geworden ist. Räikkönen wird sich nur beklagen, wenn es zu unfairen Dingen kommt, ansonsten wird er sein Ding durchziehen.

Aber wer weiß, vielleicht heißt es 2014 auch wieder:

"By my calculation, we won the championship by one point"

http://www.youtube.com/watch?v=ksbcQiGGGQE

Ich bin btw. übrigens mal gespannt wer der Renningenieur von Raikkönen wird.

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