Damals ...

... der honk hat ja schon den Opa der Community herausgekehrt.
Ich darf sagen: Ich bin noch älter.
Ungefähr ein Jahr.

Als gebürtiger Osnabrücker und Stammhalter eines Fußballverrückten erlebte ich in der Rückrunde der Oberliga-Saison 1969/70 meine Premiere an der Bremer Brücke.
Es war die Hochzeit der Lila-Weißen.
Zum zweiten Mal hintereinander erreichte der VfL die Aufstiegsrunde zur Fußball-Bundesliga. Nachdem man - vor dem ärgsten Rivalen FC St. Pauli - Meister der Regionalliga Nord geworden war.
Drei weitere Aufstiegsrunden sollten folgen. Aber den Aufstieg schaffte man nie ...
Von nun an verfolgte ich ich in schöner Unregelmäßigkeit live die Spiele "meines" VfL.

Unregelmäßig, weil mein Vater den Traumberuf aller meiner Klassenkameraden innehatte.
Er war Feuerwehrmann!
Berufsfeuerwehr.
Ich konnte diesen Traum nun überhaupt nicht teilen.
Musste ich doch am eigenen Leib die Nachteile dieses Berufes erleben.
Wechselschicht.
24 Stunden Dienst.
24 Stunden frei.
Bereitschaft: 365 Tage im Jahr, 24 Stunden! Einschränkungen bei der Wahl des Wohnortes - man musste innerhalb des Stadtgebietes wohnen!
Und von Atemschutz und ähnlichem hatte man zwar schon gehört ...
Und von psychologischer Betreuung vielleicht auch ...
So war das halt damals.

Und natürlich begann ich selbst die Fußballschuhe zu schnüren.
Die aus Leder.
Dickem! Leder.
Mit zusätzlichen Wollsocken drin.
Die sollten ja länger als nur ein paar Monate tragbar sein.
Und der Ball war auch noch aus Leder.
Und bei Regen schwerer als ich.
Rein gefühlsmäßig.

Wie dem auch sei, eines Tages stellte mir mein Vater in Aussicht, einmal nach Gelsenkirchen zu fahren.
Zu seiner großen Liebe.
In die Glückauf-Kampfbahn
Zu den Knappen.
Um "Ihn" zu sehen!
Den Fußballgott persönlich!
Stan Libuda!
Die schöne Anekdote nach der auf einem Plakat einer Kirchengemeinde mit der Aufschrift: "An Jesus kommt niemand vorbei!" als Ergänzung handschriftlich gestanden habe:
"Libuda doch!"
hat er mir natürlich erzählt.

Auch, dass der bulgarische Nationaltrainer bei der WM 1970 nach dem Spiel festgestellt habe:
"Diesen Mann kann man nur mit einer Flinte erlegen!"

Und den sollte ich also wirklich spielen sehen! Zusammen mit anderen klangvollen Namen wie "Katze" Nigbur, "Tanne" Fichtel oder dem jungen Klaus Fischer!

Die Übernachtungsmöglichkeit bei einer Tante meines Vaters war auch bereits abgeklärt.
Man hatte sich eben noch nicht an die neue Autobahn, die A 1, die seit gut einem Jahr Osnabrück mit dem Ruhrgebiet verband, gewöhnt ...

Doch dann kam alles ganz anders.
Am 06. Juni 1971 platzte die Bombe. Der Bundesligaskandal!

Und mittendrin: Reinhard Libuda und der FC Schalke 04!

Mein Vater war zutiefst enttäuscht.
Von Libuda, von Schalke, von der Bundesliga, dem Profi-Fußball an sich.

Er, der Fußballverrückte, der keine Sportschau ausgelassen hatte - bis 1970 noch in der Eckkneipe nebenan, der "Krausen Eiche", einen Fernseher hatten wir damals nämlich noch nicht - der wenn es irgend ging, an die Bremer Brücke fuhr, der in früheren Jahren oftmals mit dem Motorrad oder seinem Lloyd nach Gelsenkirchen gefahren war um seine Idole zu sehen, schloss mit dem Fußball ab.

Die Sportschau begann er erst nach der WM 1974 wieder zu schauen und entwickelte eine verhaltene Sympathie zu den Fohlen aus Mönchengladbach.

In ein Fußball-Stadion ist er erst 1989 wieder gegangen.
Zum Endspiel der Damen-Europameisterschaft.
Am 2. Juli. Deutschland gewann mit 4:1 gegen Norwegen.

Und er hängte seine Fußballschuhe und die Torwarthandschuhe in denen er für die Feuerwehrmannschft gespielt hatte an den Nagel.


Ich ... blieb bei meinen Lila-Weißen.
Weil genug meiner Mannschaftskameraden mit mir gemeinsam zur Brücke pilgerten.
Und einige später sogar für den VfL spielten.
Da hatte ich dann allerdings schon meine Dauerkarte.
Und stand auf der anderen Seite des Zauns.

Rückblickend muss ich wohl sagen:

Deswegen bin ich damals keine Schalker geworden ...