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100 Jahre BVB


Gründer: UnrealFabian | Mitglieder: 299 | Beiträge: 68
14.03.2013 um 22:03 Uhr
Geschrieben von Galactic89
Warum BVB? Teil 2
Auf dem Weg zum Auto unterhalten wir uns noch mit einem älteren Cottbus-Fan, er war noch nie beim BVB und zeigt sich beeindruckt von der Stimmung. Als er darauf hingewiesen wird, dass dies auch mein erstes Spiel im Stadion war, lächelt er und stellt nüchtern fest: "Aber sicher nicht das letzte." Ich stimme zu. Der Freund lächelt, der Vater auch. Der Tag ist perfekt. Doch ist er nur der Einstieg. Dass ich Fan geworden bin, werde ich auf die harte Art lernen.

Während der nächsten Jahre wächst meine Verbindung zum Verein. Ich gehe öfter ins Stadion, Dortmund wird sogar Meister und kommt ins UEFA-Cup Finale. Blöderweise verpasse ich den letzten Spieltag der Meistersaison wegen einer "blöden Konfirmation", wie ich frustriert feststelle. Zum Entsetzen meiner Eltern tue ich dies direkt vor den Eltern des konfirmierten Kindes, frei Schnauze eben. So richtig böse kann mir keiner sein, die Familienväter unterhalten sich sowieso über nichts anderes, in der Messe klingelt mehr als einmal ein Handy.

Meine Verbindung zum BVB hat auch einen Effekt auf mein Privatleben, ich habe mich in den Fußball verliebt. 2003 melde ich mich vom Sportfechten ab, dass ich überhaupt nur betrieben habe weil ich im Rahmen einer Talentförderung für Schüler der 2. Klasse gesichtet wurde, nachdem ich Hockey doof fand und lieber "was mit Waffen" machen wollte. Komme ich mir zu Beginn noch wie ein Ritter vor, verwandelt sich der Sport schnell in für mich auf Dauer ödes Taktieren und Technikübungen, die mir für mein Leben allerdings sicher etwas gebracht haben. Meine Eltern verstehen meinen Wunsch aufzuhören nicht ganz, ich bin erfolgreich und gewinne einige Turniere. Als ich ihnen jedoch darlege, dass ich unbedingt in einen Fußballverein will, sogar schon nachgefragt habe wann Training ist und sich die Trainingszeiten überschneiden würden, geben sie nach. Es scheint mir wichtig zu sein. Überhaupt, Fußball und der BVB scheinen mir wichtig zu sein. Ich erinnere mich an eine kleine Anekdote bis heute, ich wollte Abends in einer englischen Woche mit dem Freund, seinem Vater und einigen anderen Schulfreunden ins Stadion gehen. Englische Woche, das hieß am nächsten Tag Schule. Und Schule hieß in diesem Fall Vokabeltest in Latein. Meine Mutter reagierte eher reserviert auf meine Absicht, am Abend zuvor noch ins Stadion zu gehen und stellte die Bedingung, ich müsse gut gelernt haben. Als sie mich, 3 Stunden bevor ich abgeholt werden sollte, abfragte, konnte ich nichtmal die Hälfte. Warum ich so schlecht gelernt hatte weiß ich nicht, es war eben so. Meine Mutter stellte daraufhin fest, dass ich dann eben nicht ins Stadion gehen dürfe. Ich regte mich auf, befand die gesamte Welt für unfair und fragte, wie ich das bitte den anderen erklären solle. Meine Mutter stellte mich vor die Wahl, entweder die Vokabeln zu können oder eben einfach damit leben zu müssen, dass alle außer mir dorthin fahren würden. Innerhalb von zweieinhalb Stunden habe ich an die 150 Vokabeln gelernt. Als meine Mutter mich das zweite mal abfragte, konnte ich alle. Am nächsten Tag würde ich den wohl besten Vokabeltest meines Lebens schreiben.
Gelohnt hat sich das ganze auch noch. Das Spiel ging 6:1 für den BVB gegen die Eintracht aus.

Am 23. Dezember kommt dann der Schock. Dortmund steht unmittelbar vor der Insolvenz, die Nachricht trifft mich wie ein Faustschlag. Ich habe Weihnachten in diesem Jahr nicht genossen, ich hatte andere Sorgen. Doch ebenso wie für Borussia Dortmund ist der folgende Zeitraum der Ungewissheit eine Phase, aus der ich als anderer Mensch und gestärkt gehen werde. Nachdem ich eine Woche lang jeden Tag meinem Vater beim Frühstück die Zeitung aus der Hand genommen hat um die neusten Nachrichten zum Stand der Finanzen zu erfahren machten meine Eltern es sich zur Angewohnheit, mir sämtliche Neuigkeiten direkt an meinen Platz zu legen. Mehrfach drohte ich zu spät zur Schule zu kommen, weil ich noch nicht fertig gelesen hatte. Die Tagesschau wurde Pflichtprogramm, auf dem Pausenhof gab es kaum ein anderes Thema. Außer Mädchen. Und die an zweiter Stelle. In einem Alter, in dem andere Kinder den Verein X mögen weil der Spieler Y dorthin gewechselt ist, begann ich zu verstehen was Erfolg im Fußball kostet, woraus sich die Umsätze zusammensetzen, wie im Fußball wirtschaftliches Wachstum oder ein Niedergang vonstatten gehen kann und, dass der wirtschaftliche Erfolg des Vereins eine mindestens so große, wenn nicht größere Bedeutung hat, wie der sportliche. Als die Rettung der Borussia in der Tagesschau verkündet wurde habe ich geweint. Ich weine eigentlich nie. Rückblickend hat diese Zeit mich wahrscheinlich stärker an den Verein Borussia Dortmund gebunden als jeder Titel es jemals könnte. Mein Verständnis von Fußball wurde im entscheidende Facetten erweitert, bis heute interessiert mich der wirtschaftliche Teil des Fußballs genau so sehr wie der sportliche.

Im Schuljahr 2005/2006, als der Ausverkauf begann, war ich in England um mal etwas anderes kennenzulernen. Nach der Meldung, dass Rosicky zu Arsenal wechselte, musste ich meine englischen Freunde über dessen Fähigkeiten aufklären und mich den Fragen stellen, warum Dortmund so einen Spieler für so wenig Geld überhaupt gehen lassen würde. Ich erklärte es ihnen, die Geschichte des Vereins berührte dort den ein oder anderen. Zurück in Deutschland lud ich ein paar von ihnen ein, dort auch mal ein Spiel mit mir zu sehen. Sie zeigten sich begeistert, einer pilgert bis heute regelmäßig in den Signal-Iduna Park.

Mit der Meisterschaft 2011 hat sich sowohl für Borussia Dortmund als auch für mich ein Kreis geschlossen. Die Erkenntnis, wieder wer zu sein und auch ohne großen finanziellen Aufwand erfolgreich spielen zu können, ist Balsam für die Seele eines Menschen, dessen ganze Begeisterung für Fußball untrennbar mit dem wirtschaftlichen Risiko und dem Wissen darüber verbunden ist. Das Double im folgenden Jahr, eigentlich die viel größere Sensation, setzte dem ganzen die Krone auf. Seit dem 5. März 2013 ist nun auch der zweite Kreis geschlossen. Der BVB ist international wieder wer, dieses Mal bin ich Fan. Und dennoch kann ich über die von Außen an mich getragene Erwartungshaltung nur lächeln. Für mich hat sich der Grundsatz entwickelt, dass Titel zwar schön sind, aber ihnen zuliebe niemals das große Ganze geschwächt werden darf. Auch die kleinen Erfolge zählen, das stetige Wachstum genießt bei mir oberste Priorität.

In einer Sky-Reportage zum BVB würde bezogen auf die Stimmung später der folgende Satz gesagt werden:

"Dortmund ist Fußball, Fußball ist Dortmund."

Für mich ist dies mehr als ein Satz, mehr als ein Sinnbild. Fußball zu spielen, Fußball zu lieben und Fan dieses Vereins zu sein ist für mich zusammengefallen. Ob ich jemals in einen Fußballverein gegangen wäre, wenn ich nicht BVB-Fan wäre, weiß ich nicht. Ob ich Fußball im jetzigen Ausmaß genauso gut verstehen würde? Wohl eher nicht.

Für mich ist dieser Satz Realität.
Aufrufe: 4555 | Kommentare: 30 | Bewertungen: 21 | Erstellt:14.03.2013
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Galactic89
14.03.2013 | 22:07 Uhr
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Galactic89 : 
14.03.2013 | 22:07 Uhr
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Galactic89 : 
Teil 1: http://www.spox.com/myspox/group-blogdetail/Warum-BVB--Teil-1,191671.html
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