30.03.2010 um 15:52 Uhr
Geschrieben von midget
Sterbehilfe
Vorbericht 29. Spieltag
Die gesamte Rückrunde lang hängt sie auf der Intensivstation.
Die Hinrunde hatte ihr schwer zugesetzt ganz plötzlich. Im Sommer 2009 war noch alles in Ordnung. Sie hüpfte herum wie der Frühling war ausgeglichen und nach längerer Zeit auch wieder in der Lage durch Europa zu reisen. Nicht die Metropolen, dafür schwächelte sie im Mai 2009 zu sehr. Ihr fehlte die Energie, sie ist ja nicht mehr die Jüngste. Für die Provinzen reicht es aber, bis sie dann in Lissabon nicht mehr konnte. Lissabon war eine Nummer zu groß und dann dieser Wetterumschwung, der geht im Alter meist auf den Kreislauf.
Wieder in der Heimat war sie endlos fertig. Sie fühlte sich müde und abgekämpft. Die Ausdauer ließ zu wünschen übrig und jeder Treppengang fiel ihr schwer, so dass sie sich entschloss erst einmal im Keller zu verweilen. Die Schritte Richtung Hochpaterre sollten ihr im Laufe der Wochen bestimmt wieder gelingen. Von da aus könne man wenigstens wieder ein bisschen Himmel sehen. Vom Hochparterr ein paar Treppenstufen hin zum Glück.
Die alte Dame
Sie hatte es jedoch schlimmer erwischt als vermutet und hängt nun seit Monaten schon am Tropf. In ihrem Keller. An Hochparterr ist gerade nicht zu denken und immer dann wenn man geneigt ist ihren Abgesang einzuläuten, berappelt sie sich immer und immer wieder. Mehrere Schläuche, an denen sie hängt, lässt sie noch hoffen. Auf Leben! An Maschinen!
Aber was ist das denn bitte für ein Leben? Woche für Woche bangen Angehörige um ihre Gesundheit und immer dann wenn man den Anschein hat "ja, jetzt gehts ihr besser, jetzt wird alles gut!", kommt der nächste unberechtigte Rückschlag. Das hat auch viel Schicksalhaftes. Das Schicksal spielt ihr oft einen Streich, denn immer dann wenn sie auf andere ein bisschen angewiesen ist, zeigen diese ihr die kalte Schulter oder die falsche Fahne.
Der Mensch kann herzlos sein.
Meine Beziehung zu der alten Dame ist liebevoll. Ich hab sie lieben gelernt auf eine andere Art .Wir unterhalten uns öfter wenn sie noch Kraft dazu hat und manchmal verdrück ich mir auch eine Träne. Immer dann wenn sie anfängt sentimental über "Früher" zu reden. Das bricht mir das Herz. Dabei kenn ich sie noch gar nicht alt zu lange. Unsere Beziehung begann vor 7 Jahren in der großen Stadt. Sie hatte viele Freunde in der großen Stadt und über diese lernte ich sie kennen.
Anfänglich war es eine sehr nüchterne Freundschaft. Wir siezten uns und hatten auch sonst nicht viele Gemeinsamkeiten. Ich bin Kölner, ich lerne schnell Menschen kennen, allerdings zu meist immer sehr oberflächlich und damit kam die alte Dame gar nicht klar, auch weil ich meine endlose Liebe zu einem heimatlichen Streicheltier nicht verheimlichen konnte.
Dennoch respektierten wir uns sehr. Während ich dem Kölner Bier zusagte, bevorzugte sie Chardonnay, kein Riesling, wenn dann Chardonnay. Und so saßen wir öfter alleine zusammen und philosophierten über das Leben, über dies und das und auch über die Endlichkeit.
Unsere Beziehung gleicht ein wenig Harold und Maude und auch das Ende wird wohl ähnlich ausgehen. Zwar ohne Geburtstagsfeier und Tabletten, aber mit einem Besuch in Köln Müngersdorf.
Ich mache auch keinen Hehl daraus, dass mir die alte Dame zeitweise auf die Nerven geht. Das machen ja viele in einer penetranten Art. Dann werden sie lästig. Das Lästigwerden nahm in den letzten Wochen überhand. Wollte sie noch (?) konnte sie noch(?) – wollte sie nicht mehr? Es war keine klare Entscheidung ihrerseits zu erkennen und das machte mich stellenweise wahnsinnig.
Dennoch:
Ich freue mich auf jeden Tag mit ihr. Ich hoffe der Besuch in Köln, in meiner Heimat, tut ihr gut. Daraus soll sie Kraft schöpfen, die zwei Stufen Richtung Hochparterr zu erklimmen, für mehr wirds nicht mehr reichen, aber wenigstens einmal noch, ein einziges mal noch den Himmel sehen!
Ich bekunde hier öffentlich dass ich es nicht über das Herz bringe Sterbehilfe zu leisten. Nicht am Samstag und auch überhaupt nirgend wann. Wenn sollen das andere Menschen tun. Ich kann das nicht und von daher hoffe ich einfach, dass die alte Dame noch genug Luft hat um es ihren Widersachern zu zeigen.
Allet Jute Hertha!
Ick mag Dir.
Die gesamte Rückrunde lang hängt sie auf der Intensivstation.
Die Hinrunde hatte ihr schwer zugesetzt ganz plötzlich. Im Sommer 2009 war noch alles in Ordnung. Sie hüpfte herum wie der Frühling war ausgeglichen und nach längerer Zeit auch wieder in der Lage durch Europa zu reisen. Nicht die Metropolen, dafür schwächelte sie im Mai 2009 zu sehr. Ihr fehlte die Energie, sie ist ja nicht mehr die Jüngste. Für die Provinzen reicht es aber, bis sie dann in Lissabon nicht mehr konnte. Lissabon war eine Nummer zu groß und dann dieser Wetterumschwung, der geht im Alter meist auf den Kreislauf.
Wieder in der Heimat war sie endlos fertig. Sie fühlte sich müde und abgekämpft. Die Ausdauer ließ zu wünschen übrig und jeder Treppengang fiel ihr schwer, so dass sie sich entschloss erst einmal im Keller zu verweilen. Die Schritte Richtung Hochpaterre sollten ihr im Laufe der Wochen bestimmt wieder gelingen. Von da aus könne man wenigstens wieder ein bisschen Himmel sehen. Vom Hochparterr ein paar Treppenstufen hin zum Glück.
Die alte Dame
Sie hatte es jedoch schlimmer erwischt als vermutet und hängt nun seit Monaten schon am Tropf. In ihrem Keller. An Hochparterr ist gerade nicht zu denken und immer dann wenn man geneigt ist ihren Abgesang einzuläuten, berappelt sie sich immer und immer wieder. Mehrere Schläuche, an denen sie hängt, lässt sie noch hoffen. Auf Leben! An Maschinen!
Aber was ist das denn bitte für ein Leben? Woche für Woche bangen Angehörige um ihre Gesundheit und immer dann wenn man den Anschein hat "ja, jetzt gehts ihr besser, jetzt wird alles gut!", kommt der nächste unberechtigte Rückschlag. Das hat auch viel Schicksalhaftes. Das Schicksal spielt ihr oft einen Streich, denn immer dann wenn sie auf andere ein bisschen angewiesen ist, zeigen diese ihr die kalte Schulter oder die falsche Fahne.
Der Mensch kann herzlos sein.
Meine Beziehung zu der alten Dame ist liebevoll. Ich hab sie lieben gelernt auf eine andere Art .Wir unterhalten uns öfter wenn sie noch Kraft dazu hat und manchmal verdrück ich mir auch eine Träne. Immer dann wenn sie anfängt sentimental über "Früher" zu reden. Das bricht mir das Herz. Dabei kenn ich sie noch gar nicht alt zu lange. Unsere Beziehung begann vor 7 Jahren in der großen Stadt. Sie hatte viele Freunde in der großen Stadt und über diese lernte ich sie kennen.
Anfänglich war es eine sehr nüchterne Freundschaft. Wir siezten uns und hatten auch sonst nicht viele Gemeinsamkeiten. Ich bin Kölner, ich lerne schnell Menschen kennen, allerdings zu meist immer sehr oberflächlich und damit kam die alte Dame gar nicht klar, auch weil ich meine endlose Liebe zu einem heimatlichen Streicheltier nicht verheimlichen konnte.
Dennoch respektierten wir uns sehr. Während ich dem Kölner Bier zusagte, bevorzugte sie Chardonnay, kein Riesling, wenn dann Chardonnay. Und so saßen wir öfter alleine zusammen und philosophierten über das Leben, über dies und das und auch über die Endlichkeit.
Unsere Beziehung gleicht ein wenig Harold und Maude und auch das Ende wird wohl ähnlich ausgehen. Zwar ohne Geburtstagsfeier und Tabletten, aber mit einem Besuch in Köln Müngersdorf.
Ich mache auch keinen Hehl daraus, dass mir die alte Dame zeitweise auf die Nerven geht. Das machen ja viele in einer penetranten Art. Dann werden sie lästig. Das Lästigwerden nahm in den letzten Wochen überhand. Wollte sie noch (?) konnte sie noch(?) – wollte sie nicht mehr? Es war keine klare Entscheidung ihrerseits zu erkennen und das machte mich stellenweise wahnsinnig.
Dennoch:
Ich freue mich auf jeden Tag mit ihr. Ich hoffe der Besuch in Köln, in meiner Heimat, tut ihr gut. Daraus soll sie Kraft schöpfen, die zwei Stufen Richtung Hochparterr zu erklimmen, für mehr wirds nicht mehr reichen, aber wenigstens einmal noch, ein einziges mal noch den Himmel sehen!
Ich bekunde hier öffentlich dass ich es nicht über das Herz bringe Sterbehilfe zu leisten. Nicht am Samstag und auch überhaupt nirgend wann. Wenn sollen das andere Menschen tun. Ich kann das nicht und von daher hoffe ich einfach, dass die alte Dame noch genug Luft hat um es ihren Widersachern zu zeigen.
Allet Jute Hertha!
Ick mag Dir.
Aufrufe: 4866 | Kommentare: 34 | Bewertungen: 34 | Erstellt:30.03.2010
ø 9.2
KOMMENTARE
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23.08.2011 | 21:20 Uhr
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taneu :
Sie ist wieder auferstanden, die alte Dame. Und sie sieht so gut aus wie nie zuvor. Und bald lerne ich sie persönlich kennen. Ik frei mir.
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05.04.2010 | 02:22 Uhr
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Tagon :
Ich wünschs der Hertha auch. Ich finde die Fanfreundschaft zwischen KSC und Hertha (wie jede Fanfreundschaft) zwar nen Witz, aber ich mag Hertha so irgendwie doch ganz gerne. :) Ich vergess auch nicht den lieben, wenn auch letzlich brotlosen Sieg, den sie dem KSC letzte Saison am 34.Spieltag geschenkt hat. :)Und Midget: ich bin grad zu müde, um in euphorische Jubelstürme auszubrechen, aber bei dem Blog hatte ich Gänsehaut. Stark! Ganz stark! Tiefgründig! Top! 10P! Bier!
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01.04.2010 | 19:32 Uhr
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= 3 Punkte, denn nur so schöpfen wir neue Kraft Danke, das du uns das wünscht ich hoffe wir werden dir das erfüllen
Sensationeller Blog sonst
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01.04.2010 | 16:24 Uhr
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01.04.2010 | 15:02 Uhr
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midget :
möchte hier nur mal kurz zum teasering was anmerken.da steht:"...seine Zweitliebe neben dem Effzeh..."!
ähm das ist en bisschen falsch, das ist weniger liebe als zweckgemeinschaft.
wenn man versteht was ich meine ;)
ansonsten hat das gejammer von honk sich gelohnt.
dankeschön!
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31.03.2010 | 17:09 Uhr
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bayern ist aktueller anlass. aber ganz ehrlich das ist ein wahnsinns teil. toll geschrieben. 100/10 punkte
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31.03.2010 | 16:14 Uhr
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Dr_D :
q Honk
Stimmt auch wieder...ich muß wieder raus auf die Straße...vrooooommmm
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