Dieser Tage gibt es nur wenige Dinge, die europäische Fußballspieler vom großen Ziel Europameisterschaft abschweifen lassen. Fans, Funktionäre, fast die ganze Welt schaut dieses Jahr nach Polen und in die Ukraine, um den Besten der Besten zu küren.

Selbst für Spieler aber gibt es auch in diesen Tagen Dinge, die solch ein Ereignis zur Nebensache werden lassen. Am 23. Mai wurde Éric-Sylvain Bilal Abidal aus dem Krankenhaus entlassen. Ruhig geworden war es um den karibisch abstämmigen Franzosen nach seiner Tumorerkrankung im März 2011. Diagnose: Leberkrebs. Nur zwei Tage später wurde er in der BarnaClinic in Barcelona mehr oder weniger erfolgreich operiert. Die Anteilnahme war groß. Im Champions League-Achtelfinalrückspiel zeigten selbst der große Rivale Real Madrid und der ehemalige Verein des Innen- und Linksverteidigers Olympique Lyon eine große Geste und streiften sich nach Abpfiff des Spiels T-Shirts über auf denen Stand "Ánimo Abidal", soviel wie "Kopf hoch, Abidal" über. Die UEFA untersagt in der Regel Derartiges, was die Aktion, allein der Tatsache noch wertvoller macht. Aber auch Sportler aus anderen Ländern, wie beispielsweise Francesco Totti, gaben ihre Anteilnahme bekannt.

Eric Abidal wurde 1979 in Lyon geboren. Seine Eltern stammen aus Martinique, einer Karibik-Insel der kleinen Antillen aus der französischen Überseeregion. Das Fußballspielen lernte er bei AS Lyon-la-Duchère. Im Jahr 2000 wechselte er ablösefrei zur AS Monaco, um nur zwei Jahre später seinem ehemaligen Trainer Claude Puel zum OSC Lille zu folgen. Dort avancierte er zum Stammspieler und konnte fast die gesamte Saison durchspielen. Der Verein zog schnell seine Kaufoption für den bis dato ausgeliehenen Verteidiger, der durch seine sehr guten Leistungen natürlich das Interesse der französischen Topklubs Paris Saint Germain sowie Olympique Lyon auf sich lenkte. Der Drang in die alte Heimat siegte, man überwies 2004 ca. 8,5 Millionen Euro nach Lille und am Ende unterschrieb Abidal einen Vierjahresvertrag in Lyon ("Kurioserweise" befindet sich dort unter anderem die Internationale Agentur für Krebsforschung.), wo schließlich auch seine Nationalmannschaftskarriere begann.

Mit der Zeit verdrängte er dort Mikaël Silvestre von der angestammten linken Außenverteidigerposition. 2006 startete in Deutschland sein erstes großes Turnier. Bis auf das letzte Gruppenspiel (Gelbsperre) konnte Éric Abidal alle Spiele absolvieren. Im Finale traf er seinen Elfmeter im entscheidenden Krimi, aber letztendlich reichte es nicht. Den faden Beigeschmack der Partie dürfte bisher niemand vergessen haben.

Nichtsdestotrotz machte die Karriereleiter keinen Halt. Der Fc Barcelona sicherte sich 2007 die Dienste des Franzosen. 15 Millionen Euro waren als Ablöse gefordert und bezahlt. Die Eingewöhnung ins Spielsystem verlief reibungslos. Bereits in seiner ersten Saison nicht mehr wegzudenken, gelang es ihm ein Jahr später, 2008/2009, mit seinen Teamkollegen das Triple zu holen. Sportlich tragisch, denn Abidal fehlte im Finale der Champions League wegen eines Platzverweises gegen seinen Landsmann Nicolas Anelka im Trikot des Fc Chelsea aus dem wohl umstrittensten Spiel der jüngeren Europa-Cup-Geschichte.

Mit der Ankunft von Maxwell, der von Inter Mailand nach Katalonien kam, und mehreren Verletzungen verlor Abidal seinen Stammplatz vorerst, erkämpfte sich aber, auch aufgrund der Verletzung von Kapitän Puyol, Spielpraxis als Innenverteidiger. Nach fast vier Jahren gelang ihm in der Copa del Rey sein erstes Pflichtspieltor für Barça im altehrwürdigen San Mamés zu Bilbao. Etwa zwei Monate später erhielt Abidal die Diagnose: Leberkrebs.

Knapp 72 Tage vergingen. Abidal befand sich auf dem Weg der Besserung. Ein vorerst weinendes Auge, trotz des großen persönlichen Erfolges, war dennoch nicht zu übersehen. Im Mai 2011 war Champions League Finale. Der Fc Barcelona spielte Manchester United an die Wand. Was niemand für möglich gehalten hätte: Der Franzose wurde im Halbfinale gegen Real Madrid unter Applaus der Zuschauer eingewechselt und im Finale kurz vor Ende von Carles Puyol zum Kapitän umfunktioniert, sodass er als erster den Pokal in den Händen halten konnte. Eine schöne Geste!

Die Freude währte aber leider nicht lang. Im März 2012 die nächste Hiobsbotschaft. Es musste dringend ein Spender für eine neue Leber gefunden werden. Sein Cousin Gerard kam als Solcher in Frage und überlies ihm einen Teil seines Organs. Die etwa neunstündige Operation in der Hospital Clinic Barcelona verlief ohne Komplikationen und beiden geht es den Umständen entsprechend gut. Im Camp Nou wurde derzeit Fußball gespielt. Getafe war zu Gast und in der 22. Minute (Abidal trägt die entsprechende Rückennummer) erhoben sich die Zuschauer von Ihren Plätzen und gaben Beifall. Ob Eric Abidal sich aber erneut so schnell von seiner schweren Erkrankung erholen kann ist ungewiss. Die Chancen "... stünden gut, aber man müsse abwarten ...".

Jetzt ist EM. Für manche aber nur Nebensache.

Ánimo Abidal!