Donnerstag morgen, die Sonne scheint, nachdem der Himmel über Schwaben fast die ganze Nacht geweint hat.

Ich weiß nicht, ob man das als Zeichen werten darf, daß Petrus VfB-Fan ist, Petrus' Chef hingegen scheint dem VfB aktuell nicht ganz so wohlgesonnen.
Außerdem bin ich mir sicher, daß heute über Cannstatt noch die ein oder andere dunkle Wolke zu erblicken sein wird.

Einige Leute in Stuttgart und Umgebung werden sowieso eine unruhige, wenn nicht schlaflose Nacht hinter sich haben, wenn einer der Spieler oder einer der sportlichen Leitung des VfB nach diesem Spiel Offenbarungseid ruhig schlafen konnte, dann soll er bitte seine Sachen packen und verschwinden, weil ihm dann der VfB und seine Fans egal sind.

Gerade bei den Fans war die Frustration gestern groß - vorab zum einen durch gerade mal 41.720 Zuschauer dokumentiert - für ein Nachbarschaftsduell ist das wohl Minusrekord - da waren ja während des Umbaus fast noch mehr Leute da... Auch während des Spiels bereits haben die Fans (zurecht) ihrem Unmut Luft gemacht - nach dem Spiel gingen die Diskussionen in den Fankneipen, rund ums Stadion und auch in den einschlägigen Internetforen noch einige Zeit weiter.

5 Minuten hui - 85 Minuten Pfui!

Am morgen danach ist die Frustration immer noch groß - zuviel Negatives kam gestern in der Mercedes-Benz-Arena zusammen: gerade mal knapp fünf Minuten zeigte man Engagement - nach dem 0:1, bei dem Usami etwa 8 Stuttgartern einen Knoten in die Beine dribbelte und Ulreich den Ball durch dieselben schob, waren alle guten Vorsätze, die eventuell vor dem Spiel bestanden haben, vergessen.

So groß die Hoffnung auf eine Wende zu Beginn der zweiten Halbzeit war - und man Raphael Holzhauser auch gönnte, diese einleiten zu können, so schnell war alles nach Niedermeiers unnötigem Ballverlust und dem 0:2 durch Joselu alles wieder verfolgen.

Symptomatisch für die Selbstaufgabe des VfB-Teams war das 0:3 durch Johnson nur etwa 10 min später: nach einem erneuten Konter war die VfB-Verteidigung völig indisponiert, so daß erst Joselu und Usami an Ulreich scheiterten, der zweimal hervorragend parierte, gegen den dritten Versuch des völlig freistehenden Johnson dann aber chancenlos war.

Keiner hätte es an diesem Abend Sven Ulreich übel genommen, wenn er angesichts solcher Szenen in Oliver Kahn-Manier einen seiner Mitspieler am Kragen gepackt und wachgerüttelt hätte. Das Donnerwetter auf dem Platz blieb jedoch aus und auch Bruno Labbadia schien frühzeitig resigniert zu haben - er verfolgte weite Teile der zweiten Halbzeit fast versteinert von seiner Bank aus. Man konnte fast den Eindruck gewinnen, daß er mit seinem Latein am Ende ist.

Wie geht's weiter?

Am Samstag steht nun das Duell gegen gestern ähnlich desolate Nürnberger an - somit hat Bruno Labbadia noch zwei Tage Zeit, sein Team auf diese Partie einzustellen (davon ausgehend, daß bis dahin sich keine Veränderung auf der Trainerposition ergibt...).

Auffällig ist, daß die Mannschaft aktuell sehr schnell verunsichert ist und die Leitungen sehr stark schwanken. Während man in Bremen es nach der Pause noch schaffte, durch eine couragierte Leistung noch ein 2:2 zu erreichen, weigere ich mich, zum Spiel gestern überhaupt von einer Mannschaftsleistung zu sprechen.

Zur sportlichen Krise kommen interne Unruhen im Verein, die in den letzten Wochen ja ausgiebig auch durch die Medien gingen: fehlende Förderung der Jugend, Kritik einzelner Spieler am Trainer über die Medien - der Weggang zweier altgedienter und verdienter Jugendtrainer konterkariert den propagierten Stuttgarter Weg und das Image der jungen Wilden auf ein Neues.

Kritisieren muß man auf jeden Fall, daß es Bruno Labbadia nicht gelungen ist, trotz einer überwiegend verletzungsfreien Vorbereitung und einem Kader, der früh stand, eine funktionierende Mannschaft zu bilden - was umso mehr verwundert, da der Stamm des Kaders unverändert geblieben ist und die personellen Veränderungen im Vergleich zu anderen Clubs doch eher gering waren.

Die Mannschaft (und mit ihnen die Fans) hat in den letzten Jahren mehrere Höhen und Tiefen durchgemacht - vor diesem Hintergund ist mir die aktuelle sportliche Krise aber noch weniger erklärlich: offensichtlich hat man aus den Fehlern der vergangenen Jahre nichts gelernt.

Viele schieben jetzt die Schuld auf den strikten Sparkurs des Vereins - da aber die letzten Jahre gezeigt haben, daß nicht jede Investition sinnvoll ist, sehe ich die Probleme nicht darin begründet. Abgesehen davon kann man am aktuellen Kader sowieso in der Vorrunde nichts mehr verändern, weil die Transferperiode rum ist und das, was an vereinslosen Spielern auf dem Markt ist (z.B. Ballack, Hitzlsperger, Pezzoni, Auer, Hargreaves), würde uns aktuell wohl auch nicht weiterhelfen.

Jede Position muß hinterfragt werden

Deshalb müssen die ran, die im Kader stehen - jede Position muß hinterfragt werden, ob hier der richtige Spieler auf dem Platz steht:

Auf der Torhüterposition besteht noch der geringste Handlungsbedarf, da Sven Ulreich als einzige auf konstantem Niveau hält - er ist auch Identifikationsfigur für viele Fans.

In der Abwehr zeigen die etablierten Kräfte Tasci, Maza und gestern auch Niedermeier zum Teil haarsträubende Fehler, hier hat sich noch kein passendes Duo gebildet - vielleicht kann Antonio Rüdiger hier der lachende Vierte sein.

Auf den Außenpositionen haben wir aktuell die Wahl zwischen Pest und Cholera: Boka und Molinaro wissen beide nicht zu überzeugen, Sakai wirkt völlig überspielt und Hoogland fällt noch mehrere Wochen aus - willkommen in der Problemzone Nr. 1

Im defensiven Mittelfeld ist William Kvist weit von seiner Bestform entfernt, aber auch Gentner und Kuz konnten bislang viel reißen. Wobei Kuz eher noch ein Antreiber ist als die anderen beiden. Und warum nicht mal einen Holzhauser auf der 6 von Anfang an bringen?

Im offensiven Mittelffeld ist für mich die Uhr für Tamas Hajnal abgelaufen - hier müssen jetzt andere beweisen, daß sie's können Torun hat's bislang noch nicht getan, Cacau bemüht sich, erreicht aber auch nicht viel zählbares, Harnik ist zum Glück wieder in Nürnberg dabei - und wer weiß, vielleicht wird ja Johan Audel diese Saison zu unserem Leon Andreasen...

Okazaki spielt aktuell auch noch sehr unglücklich, Traore hat einige lichte Momente, aber dann auch wieder viel Schatten - hier stellt sich die Frage, inwieweit ein Kevin Stöger weiterhelfen kann. Viele sehnen die Genesung von Daniel Didavi herbei - aber das dauert noch bis zur Rückrunde...

Im Sturm ist ohne Ibisevic nicht viel los - mit ihm aber gestern auch nicht. Er ist sehr vom Rest des Teams abhängig - und das ist aktuell sehr mit sich selbst beschäftigt.

Egal, wen Labbadia am Samstag auf den Platz schicken wird - ohne einen Sieg wird die Luft für ihn sehr dünn werden - und die schlaflosen Nächte werden weitergehen...

Auch wenn die Zeiten als Fan aktuell schwer sind: VfB - ein Leben lang!