Auf zu neuen Ufern - oder: Die Suche nach Konstanz

Yao Ming ist Geschichte, die Rockets suchen eine neue Identität. Der Laker Pau Gasol hätte in die großen Fußstapfen Yaos treten sollen, doch die NBA verhinderte den Trade in einem Anfall archaischer Herrschaftsansprüche. So bleibt viel Talent übrig, aber eben auch ein großes Fragezeichen, denn die Roten müssen sich weiter ohne echten Superstar behaupten. Mit neuem Coach, viel jungem Blut und einem (unfreiwillig) eingespielten Team wollen die Texaner endlich Konstanz in ihr Spiel bringen, auf diesem Weg zurück in die Postseason.



Was ist neu?
Der wichtigste Neuzugang kam erst kurz vor Weihnachten: Samuel Dalembert, ehemals Sacramento Kings, soll die Probleme unter dem Korb beheben und die Defensive stabilisieren. Der Center aus Haiti hat seine Stärken im Rebound und Block und bringt mit 2,11m die dringend benötigte Präsenz, die zuletzt in der Zone fehlte. Im Draft sicherte man sich die Rechte an Marcus Morris, Chandler Parsons sowie Donatas Motiejunas, der allerdings vorerst in Europa bleiben wird. Morris kann beide Forward Positionen spielen, wird aber tendenziell eher auf der Drei gebraucht. Second Round Pick Parsons ist ein Projekt, von ihm erhofft man sich eine ähnliche Entwicklung, wie sie Chase Budinger vollzog. Jener wurde 2009 ebenfalls erst in der zweiten Runde gewählt, vergangene Saison aber dank starker Leistungen zum Starter befördert. Zudem verpflichteten die Roten am Draft-Abend Jonny Flynn von den Timberwolves, der die Guard Rotation noch ein bisschen tiefer macht. Nicht mehr als Füllmaterial dürfte Jeff Adrien sein: Der Forward war vergangene Saison für Houstons D-League Team, die Rio Grand Valley Vipers aktiv, sammelte in der Zwischenzeit aber immerhin in Italien bei Benetton Treviso Erfahrung.

Umfeld:
Zum Unmut vieler Fans und Spieler wurde der Vertrag mit Coach Rick Adelman nach vier Jahren erfolgreicher Zusammenarbeit nicht verlängert, Kevin McHale als Nachfolger bestimmt. Die Celtics-Legende arbeitete zuletzt als Fernsehkommentator/-analyst und weist zwar mehr als 30 Jahre NBA-Erfahrung sowie drei Meisterschaftsringe auf, hat allerdings noch nie ein Team über eine ganze Saison betreut. Dass der ehemalige Power Forward für die Entwicklung großgewachsener Spieler Gold wert ist, zeigt das Beispiel Kevin Garnett, den McHale damals nicht nur höchstpersönlich draftete, sondern auch in Minnesota zu der Qualität protegierte, die ihn später zum mehrfachen All-Star machte. In Houston wünscht man sich einen ähnlichen Effekt auf die Youngster Hill, Patterson, Morris oder womöglich sogar Thabeet.

Houston ist die viertgrößte Stadt der Staaten. Selbst nach Yaos Rücktritt sind die Rockets darüber hinaus das mit Abstand beliebteste Team im gigantischen chinesischen Markt und jeder Bankspieler dort um ein vielfaches berühmter, als in der eigenen Heimat. Gute Rahmenbedingungen sind also gegeben, auch weil GM Daryl Morey unermüdlich daran arbeitet, das Team zu verbessern. Bei Drafts und Trades lag er immer richtig, wenn man ihn denn gelassen hat. Besitzer Les Alexander, ehemaliger Börsenmakler, gilt zwar als Hardliner, ist aber bereit für Erfolg zu investieren und führt das Team mit besonnener Souveränität. So werden die Rockets bis zur Deadline akribisch weiter daran arbeiten, ein paar der guten Spieler für einen wirklich sehr guten zu tauschen und der Franchise ein neues Flagschiff zu geben.

Stärken:
Die Rockets weisen einen voluminösen Pool an jungen, talentierten Spieler auf. Coach McHale steht ein tiefer und vielseitiger Kader zur Verfügung, der Verletzungen und individuelle Schwächephasen ohne vergleichsweise allzu große Einbußen auffangen kann. Die variable Offensive bleibt das Prunkstück des Teams: Bis auf Neuzugang Dalembert ist jeder Starter an jedem Abend für 20 Punkte und mehr gut. Zahlreiche Spieler, Starter und Bankspieler, verfügen sowohl über einen gefährlichen Distanzwurf, als auch einen guten Zug zum Korb. Der Vorteil am verhinderten Gasol-Trade ist die erhalten gebliebene Teamchemie. Abgesehen von Chuck Hayes gibt es keinen nennenswerten Abgang, die wichtigsten Spieler arbeiten schon länger zusammen und harmonierten im letzten Drittel der vergangenen Saison hervorragend (17-8 nach dem All-Star Game).

Schwächen:
Drei Siege fehlten den Rockets für die Playoffs, weit mehr als dreimal so viele Spiele haben sie aus Leichtsinn oder Nachlässigkeit hergeschenkt. Zu oft wurden Führungen unnötig aus der Hand gegeben, der Gegner durch haarsträubende Fehler wieder ins Spiel zurück gebracht und die eigene Klasse phasenweise minutiös versteckt. In diesen Momenten fehlte ein Superstar, der das Team trägt, Verantwortung übernimmt, zur Stelle ist, wenn es bei den Mitspielern nicht läuft und jenen neuen Antrieb gibt. Das schnelle Spiel sorgt außerdem immer wieder für Turnover, lädt die Gegner zu einfachen Fastbreaks ein. Auch bleibt abzuwarten, ob Dalembert die teilweise eklatanten Schwächen unter dem Korb in den Griff kriegen wird und Coach McHale die oftmals generell zu löchrige Defensive zu kitten versteht.

Spieler im Fokus:
Kyle Lowry. Vergangene Saison schaffte der Point Guard in kurzer Zeit den Sprung vom sechsten Mann zum Floor General. In verletzungsbedingter Abwesenheit des bisherigen Spielmachers Aaron Brooks vertrat Lowry jenen so herausragend, dass er zum Starter und Anführer avancierte, während der dann entbehrliche Brooks getradet wurde. Der Kern um Scola, Martin und Lowry muss funktionieren - weil aber Lowry in diesem Führungstrio als einziger wirklich gut verteidigt, wird er die Frage nach Erfolg oder Misserfolg beantworten.

Fazit und Prognose:
Die Rockets wollen zurück in die Playoffs. Die verkürzte Saison spielt ihnen dabei aber voraussichtlich nicht in die Karten, denn das junge Team und der neue Coach müssen erst zusammenwachsen, was in dieser kurzen Vorbereitungszeit auf Anhieb kaum möglich ist. Die Hoffnung rührt also daher, dass in der sehr harten Western Conference letztmalige Playoff-Teams nicht mehr dieselbe Qualität aufweisen und man deren Platz in der Postseason einnimmt. An einem guten Tag halten die Rockets mit den Top Teams der NBA mit, gleichzeitig setzte es aber zu viele Niederlagen gegen weitaus schwächer besetzte Mannschaften. Gelingt es ihnen, solche Fehltritte in den 66 Spielen zu minimieren, mehr Reife ins eigene Spiel zu bringen und gleichzeitig an den vielen Baustellen den ein oder anderen Schritt vorwärts zu gehen, wird im Mai nach zwei Jahren Auszeit wieder Playoff-Basketball im Toyota Center gespielt. Ansonsten droht zum dritten Mal in Folge der 9. Platz im Westen und damit Draft Pick #14.