"Man müsste verrückt sein, diese Offense auseinander zu brechen", sagte Mike Shanahan als man ihn im Dezember 2008 in Denver vor die Tür setzte.

Pro-Bowl-Quarterback Jay Cutler? Gone. Top-Receiver Brandon Marshall? Gone! Spitzen-Tight-End Tony Scheffler? Gone! Shanahan-Nachfolger Josh McDaniels will alles loswerden, was an seinen Vorgänger erinnert. Er betreibt eine strikte Verjüngungskur – und sortiert Störenfriede rigoros aus. Doch macht es die Broncos besser?

Offense

Eigentlich interessiert sich niemand für den dritten Quarterback. Kein Schwein. Der Backup vom Backup rangiert in der gewöhnlichen Teamhierarchie irgendwo zwischen Ersatzkicker und Wasserträger. Wie gesagt: eigentlich. Denn bei den Denver Broncos heißt der dritte Mann Tim Tebow. Und bei dem ist alles ein bisschen anders. Welcher NFL-Rookie war schon die Hauptfigur in einem umstrittenen Super-Bowl-Halbzeit-Werbespot? Richtig, keiner. Aber Tebow ist eben nicht irgendein Rookie. Er ist College-Legende, Missionarssohn und Unterwäsche-Model in einem. Und ganz nebenbei: der Liebling der Fans.


Und das trotz der unfassbaren Frisur, die ihm seine Teamkollegen verpassten.

Bei seinem ersten Trainings-Auftritt sorgte er gleich für einen Zuschauer-Rekord. Tebowmania, heißt das in Denver. Und das, obwohl er noch lange nicht NFL-tauglich ist, sagen viele Experten. Bei den Broncos ist man sich da offenbar nicht mehr ganz sicher. Eigentlich sollte der 22-Jährige hinter Kyle Orton und Brady Quinn als klare Nummer drei in seine erste Saison gehen. Mittlerweile bekommt er im Training aber immer mehr Bälle – und überzeugt. Dennoch soll er vorerst nur in der auf ihn zugeschnittenen "Wild Horse"-Formation auf dem Feld stehen.

Jedenfalls ist das der Plan. Denn wenn der Saisonstart auch nur ansatzweise in die Hose geht, haben Orton und Quinn als Platzhalter ausgedient. Der öffentliche Druck wird Tebow früher oder später in die Starter-Rolle drängen. ESPN-Experte Paul Kuharsky sagt jetzt sogar bereits voraus: "Ich wette, Tim Tebow erzielt gleich beim ersten Spiel in Jacksonville einen Touchdown."

Und das vielleicht als Running Back. Denn genau das wird seit den Verletzungen von Knowshon Moreno und Correll Buckhalter im Netz diskutiert. Ein Erstrunden-Quarterback als Running Back? Bisher ist das nur ein Hirngespinst. Doch die (wenn auch nur kurzzeitigen) Verletzungen von Buckhalter und Moreno haben es deutlich gemacht: breit sind die Broncos nicht aufgestellt. Ein echter Playmaker, der die gegnerische Defense in Angst und Schrecken versetzt? Fehlanzeige! Moreno könnte einer werden. Doch dazu muss er sich in seiner zweiten Saison erheblich steigern. Und Buckhalter? Der ist ein solider Backup – hat aber wegen Verletzungen bereits drei Saisons verpasst. Dahinter? Da kommt nicht mehr viel.

Aus purer Verzweiflung haben die Broncos sogar den wegen Marihuana-Konsums für die ersten vier Spiele gesperrten und von den Tennessee Titans gefeuerten LenDale White verpflichtet. Damit überhaupt jemand trainiert, wird geunkt.

Und bei den Receivern? Wer soll Brandon Marshall (1120 YDS, 10 TD) ersetzen? Der war immerhin der Dreh- und Angelpunkt der letzten Saison. Und ist jetzt: weg. Richten sollen es Eddie Royal (348 YDS, kein TD), Jabbar Gaffney (732 YDS, 2 TD) und Erstrunden-Pick Demaryius Thomas. Royal konnte unter McDaniels allerdings bisher nicht überzeugen und Gaffney ließ nur selten sein Talent aufblitzen. Für eine Überraschung könnte Matt Willis sorgen. Der 26-Jährige verbrachte das letzte Jahr im Practice Squad – spielte aber gleich zu Beginn des Training Camps groß auf und bekam mehr Spielzeit als etwa Thomas.



Defense

Größtes Vorhaben in der Off-Season war die Aufstockung der Defensive Line. Denn gegen den Lauf war man 2009 extrem anfällig. Nur Rang 26 in der Liga – schlechter als die Rams! Doch mit der Verpflichtung von Justin Bannan (Ravens), Jarvis Green (Patriots) und Jamal Williams (Chargers) ist das gelungen. Alle drei werden die Broncos-D von Beginn an deutlich besser machen – alle drei haben aber auch die 30 bereits überschritten. Insgesamt könnten acht der elf Defensive-Starters bei Saisonstart älter als 30 Jahre sein.

Die Stärke der Broncos ist ihre Pass-Defense (zuletzt Platz drei hinter den Jets und Bills) angeführt von Brian Dawkins und Champ Bailey. Noch wichtiger als die puren Skills der Spieler ist die gute Stimmung und der Ehrgeiz der Truppe. Besonders verkörpert durch Dawkins. Der ist mittlerweile 36 Jahre alt – arbeitet im Training Camp aber extrem hart und verzeiht sich keinen Fehler. Als er vor kurzem eine sichere Interception fallen ließ, machte er zehn Push-Ups als Strafe für den Fehler.

Der Schock für die Broncos dann am vergangenen Mittwoch. Nach Left Tackle Ryan Clady (der von vielen Experten für den besten Spieler im Team gehalten wird) verletzte sich auch Sack-Monster Elvis Dumervil. Bis zu fünf Monate könnte der gefährlichste Verteidiger der Liga (17 Sacks in 2009) mit einem verletzten Brustmuskel ausfallen. Das ist ganz bitter!



Special Teams

Matt Prater ist einer der besten Long-Range-Kicker der NFL. Es gibt nicht wenige, die ihm in der nächsten Zeit ein 60-Yard-Field-Goal zutrauen. Bei den Punts hatten die Broncos hingegen Probleme. Brett Kern und Mitch Berger konnten Coach McDaniels nicht zufrieden stellen – und sind Geschichte. Richten soll es jetzt der noch unerfahrene 25-Jährige Britton Colquitt. Die Returns werden sich Royal und Rookie-Cornerback Perrish Cox teilen.



Coaching

Seit seiner Zeit als Offensive Coordinator in New England wird McDaniels als "Offensive Wunderkind" bezeichnet. Kein Wunder: schließlich führte er die Pats zu einer Undefeated-Regular-Season. In seiner ersten Saison in Denver konnte er davon allerdings nicht viel zeigen - bei dem vorgefundenen Team allerdings auch kein Wunder. Er hat einen harten Reform-Kurs eingeschlagen – und das war bei den Broncos auch bitter nötig. Wenn er ausreichend Zeit bekommt, kann er das Team umkrempeln und damit Erfolg haben.



Fazit & Ausblick

Vier Jahre hintereinander haben die Broncos die Playoffs verpasst. Und sie werden es auch ein fünftes Jahr in Folge tun. Josh McDaniels formt das Team nach seinen Vorstellungen. Vorbild: die New England Patriots. Doch bis die Broncos soweit sind, wird es noch dauern. Denn es fehlen Playmaker.

Tipp: 5-11 und nach einem 1-6-Start ist Tebow der Starting Quarterback.