Ich muss zugeben, ich fühle mich schlecht. Ein wenig so, als ob ich gerade Bambi getötet hätte. Zumindest so ungefähr.
Schließlich haben wir am vergangenen Sonntag mit St. Pauli das Lieblingskind der deutschen Sportmedienlandschaft geschlagen - und das auch noch unverdient, wenn man dem allgemeinen Spielberichtstenor so Glauben schenken mag.

Und wenn man ehrlich ist, dann hatte der Sportflügel der Linkspartei [(c) by Jens1893] natürlich einige hochkarätige Chancen, wie den Lattenknaller von Zambrano in der ersten Hälfte oder die Gelegenheit von Kruse in der 55. Minute, als Tasci noch so eben den Ball spektakulär von der Linie wegfallrückzieht.

Aber wenn ich noch ehrlicher bin, dann ist mir das schlechte Gefühl und der Unverdientheitsgrad des Sieges selbstverständlich vollkommen wurscht, denn nach 8 Spieltagen, die fast ausschließlich mit Rück- und Tiefschlägen für uns VfB-Fans gefüllt waren, ist es doch eine absolute Wohltat mal wieder mit 3 Punkten aus einem Bundesligawochenende zu kommen und dabei auch noch einen ansehnlichen Sprung in der Tabelle für sich verzeichnen zu können.

Die Frage ist nun natürlich, wie schon von Keeper94 in seinem Blogvon Sonntag ausgeführt, was der VfB aus dem zarten Aufwärtstrend nun in den kommenden, durchaus wegweisenden Wochen machen wird.
Erst einmal geht es im DFB-Pokal morgen gegen Viertligist Chemnitzer FC (die im übrigen schon St. Pauli rausgekickt haben) - wo eine Niederlage und das damit verbundene Ausscheiden natürlich schon ein klarer Rückschlag wäre. Ob eine Hochzeit weniger der Konzentration auf den Ligaalltag (und die Europa League) nicht vielleicht sogar zuträglich wäre, lassen wir dabei mal aussen vor, da ich den psychologischen Effekt eines im Optimalfall klaren Sieges eindeutig höher einschätzen würde. Von der Chance aufs internationale Geschäft mal ganz abgesehen...

Im Anschluss daran geht es am Wochenende dann zu einem weiteren Auswärtsspiel gegen den VfL Wolfsburg, bevor es dann zum Heimspiel gegen Werder Bremen geht - zwei Gegner der namhafteren Kategorie und dementsprechend richtungsweisend werden die Ergebnisse sein.
Zu großen Spekulationen möchte ich mich nicht hinreissen lassen, einfach schon weil unser Team noch immer nicht den stabilsten Eindruck hinterlässt, aber ich halte es für möglich gegen beide Teams zumindest Punkte zu holen. Wolfsburg glänzte am Wochenende gegen Nürnberg einmal mehr überhaupt nicht und bei Bremen sind die Abwehrprobleme ja mittlerweile Allgemeinwissen.
(Dazwischen geht es natürlich noch zum EL-Spiel gegen Getafe, dem ich allerdings nur begrenzte Aussagekraft zugestehe, in Anbetracht der Tabellensituation. Ein Unentschieden würde uns hier natürlich sehr gut zu Gesicht stehen und die greifbare Qualifikation für die nächste Runde weiter absichern.)

Die entscheidende Frage ist aber natürlich, wie sich die Spieler des VfB präsentieren werden. Denn nur wenn die Mannschaft insgesamt wieder in Richtung ihrer oberen Leistungsgrenze geht, dann wird es machbar sein, gegen die Norddeutschen Punkte zu holen. Einigermaßen Mut macht es da, dass zumindest die Defensive des VfB so allmählich zu sich findet und trotz der teils guten Gelegenheiten für St. Pauli einen wesentlich stabileren Eindruck macht als noch vor wenigen Wochen.
Entscheidenden Anteil daran hatte sicherlich Sven Ulreich, den ich schon vor Wochenfrist gelobt hatte und der nun am Sonntag das gezeigt hat, was ich immer von ihm "gefordert" hatte: Ein Spiel selbst zu gewinnen. Und das war mit einigen exzellenten Paraden am Sonntag erstmals der Fall und dürfte ihm hoffentlich helfen so allmählich auch bei den eigenen Fans das Standing zu bekommen, dass er eigentlich meines Erachtens verdient hätte.

Sorgen bereitet derzeit noch etwas die Offensive, wo sich von den Stürmern noch niemand wirklich empfehlen konnte in dieser Saison. Cacau gibt sich zwar phasenweise sehr engagiert und arbeitet viel nach hinten, hat aber mindestens ebenso häufig Phasen, in denen er sehr lustlos agiert und andere die Arbeit machen lässt. Zudem präsentiert er sich derzeit mehr als glücklos im Abschluss, was vorwiegend dadurch nicht so extrem auffällt, da auch keiner der anderen Stürmer wirklich konstant Torgefahr ausstrahlt. Zwar haben Pogrebnyak und Marica ab und an Spiele wo sie einigermaßen glänzen können, aber dann auch immer wieder Partien, in denen ihre Aktionen ein einziges Ärgernis für uns Fans sind.

Harnik habe ich dabei noch ausgeklammert, denn in Anbetracht der Verletztenmisere und der Formkrise von Gentner auf der linken Seite, könnte ich mir vorstellen, dass er bis auf weiteres häufiger mal dort eingesetzt wird und nicht in der Spitze. Vielleicht platzt der Knoten ja dort für ihn.

Der platzende Knoten wäre durchaus auch mal was für Timo Gebhart. Er hat meines Erachtens noch am ehesten das Potential sich als unumstrittene Führungskraft im Offensivspiel zu etablieren und ist auch neben Träsch der vermutlich bislang stärkste Feldspieler der Saison - leider fehlt aber auch ihm noch die Konstanz.