Ach, wie sehr haben wir alle gezweifelt ... "Weltmeister werden wir doch eh nicht", haben sie gesagt. "Mit Jogi werden wir nie was erreichen", haben sie gesagt. Sicher, einen einzigen Sieg in der Gruppenphase sollte man nicht überbewerten, aber das Spiel gestern gegen Portugal, welches unsere Mannschaft mit 4:0 für sich entscheiden konnte, macht Hoffnung, dass Philipp Lahm nach Abpfiff des Finalspiels den Pokal in den Nachthimmel Brasiliens strecken kann. Der erste Schritt dahin ist gemacht!
Gewinner des Spiels:
Danke, Thomas Müller. So Typen wie dich brauchen wir bei solchen Großereignissen einfach. Nachdem er bereits 2010 bei seinem WM-Debüt in Südafrika Torschützenkönig (fünf Treffer) wurde und auch noch zum besten Jung-Spieler ausgezeichnet wurde, machte er gegen die total überforderten Portugiesen da weiter, wo er im Viertelfinale 2010 gegen Argentinien nach seiner zweiten gelben Karte aufgehört hatte. Erst verwandelte er einen Elfmeter ganz cool, dann setzte er bei seinem zweiten Treffer gegen Bruno Alves gut nach und das 4:0 war dann ein klassischer Abstauber. Dazu "provozierte" er noch eine Rote Karte vom gegnerischen Abwehrchef Pepe. Good Job! Deutschland hat wieder einen Müller! Deutschland hat endlich jemanden gefunden, der die Falsche Neun interpretieren kann - obwohl diese Antwort eigentlich schon jahrelang auf der Hand lag ...
Auch Mario Götze, der den Elfmeter zum 1:0 herausgeholt hatte, machte generell ein sehr starkes Spiel. Der Mittelfeldspieler des FC Bayern München war fast überall auf dem Platz zu finden und sonderte sich etwas vom Ballbesitz-Fußball des DFB-Teams ab, indem er eben nicht einfach den Ball weiterspielt, sondern auch einmal das Eins-gegen-Eins mit einem Verteidiger sucht. Dass er den Elfmeter rausgeholt hat, krönt natürlich seine starke Leistung.
Auch Jerome Boateng machte ein Bomben-Spiel. Im Vorwärtsgang war der zum Rechtsverteidiger umgeschulte Innenverteidiger der Bayern kaum zu sehen, dafür machte er defensiv alles richtig; denn sein Gegenspieler war kein geringerer als Cristiano Ronaldo, seines Zeichens amtierender Weltfußballer. Und bei dieser Wahl war ausnahmsweise mal nichts manipuliert! Ronaldo war total abgemeldet, kam nur auf 44 Ballkontakte (die wenigsten aller Spieler) und hatte dementsprechend auch keine Chance aus dem Spiel heraus. Das haben wir Boateng zu verdanken!
Verlierer des Spiels:
Kann man nach so einem Spiel überhaupt ein paar Verlierer finden? Auf jeden Fall! Denn es war nicht einmal die schlechte Leistung, die den ersten Spieler zu einem "Verlierer" macht, sondern der eigene Anspruch. Die Rede ist von Philipp Lahm, der zum ersten Mal in einer WM- oder EM-Endrunde die Position des defensiven Mittelfeldspielers begleiteitete. Unser "Mr. Zuverlässig" war aber gar nicht mal so zuverlässig. Im Spiel nach vorne war er sehr zurückhaltend und in der Abwehr unterliefen ihm Fehler, die wir sonst nur von seinem Teamkollegen Jerome Boateng kennen. Einer davon zu Beginn des Spiels wäre fast mit einem Gegentor bestraft worden, welches Manuel Neuer aber vereiteln konnte. Komm schon, Philipp, das kannst du besser!
Auch Lukas Podolski ist etwas an den eigenen Anforderungen gescheitert. Der Flügelstürmer des FC Arsenal London präsentierte sich bei den letzten beiden Testspielen gegen Kamerun und Armenien in Top-Form und hierzulande rechnete jeder mit einem Startelf-Einsatz von "Prinz Poldi" - aber nix da! Joachim Löw entschied sich dafür, ihn sich als Joker zu bewahren. "Na gut, dann kommt er eben zur Halbzeit", war der Gedankengang vieler, als dies verkündet wurde. Aber auch hier machte unser Jogi unseren Fans einen Strich durch die Rechnung. Bis zur 80. Minute musste der momentan vielleicht formstärkste Deutsche auf der Bank Platz nehmen, ehe er für die letzten paar Minuten, in der beide Mannschaften das Spielen schon längst eingestellte hatten, eingewechselt wurde. Dass er aus seinen "Möglichkeiten" nicht viel machte, ist wohl selbsterklärend.
Überraschung des Spiels:
Die Überraschung des Spiels ist die Aufstellung, die unser Bundestrainer ins Spiel schickte. Statt dem bereits angesprochenen, formstarken Podolski begann Götze, der zwar ein starkes Spiel machte und statt André Schürrle durfte Toni Kroos von Beginn an ran - dazu Mesut Özil auf der Zehn. Also insgesamt drei Zehner, die unser Jogi aufs Feld schickte. Götze spielte wie gesagt stark, Özil und Kroos nicht mehr und nicht weniger als solide. Schürrle und Podolski wurden zwar noch eingewechselt, aber es hätte dem teilweise doch ziemlich langsamen deutschen Spiel sicher nicht schlecht getan, wenn einer der beiden von Beginn an auf dem Feld gestanden hätte.
Unwort des Spiels:
Ein-Mann-Mauer. Cristiano Ronaldo hatte keinen guten Tag. Cristiano Ronaldo hatte sogar einen ziemlich schlechten Tag. Wie erwähnt hat Jerome Boateng ihn komplett abgemeldet; Torchancen waren Mangelware. Als Portugal kurz vor dem Ende dann doch noch auf den Ehrentreffer drückte, um nicht komplett abgeschlachtet zu werden, durfte der Spieler von Real Madrid einen Freistoß aus zentraler Position, ca. 30 Meter vor dem Tor, ausführen. Freistöße sind sicherlich nicht die größte Schwäche des Flügelstürmers ... Nach ein paar Schritten nach hinten und dem obligatorischen breitbeinigen Stand nahm er Anlauf und drosch den Ball ... direkt auf 1,70m-Mann Philipp Lahm, der einzige Spieler, der sich in der Mauer befand. In diesem Moment könnte man meinen, Lahm wäre zu einem etwas kleineren Tim Wiese mutiert. Irgendwie war das sinnbildlich für den ganzen Abend der Portugiesen!
Bitte was?! Kroos war nicht mehr und nicht weniger als Weltklasse und auch Özil war deutlich verbesster als zuletzt und mit vielen lichten Momenten.
Noch kleine Korrektur: Müller hat nicht gegen Argentinien mit dem Toreschießen auf gehört sondern gegen Uruguay (Spiel um Platz 3).
Ansonsten guter Blog. Hättest Klose noch rein bringen können.