Schwester, bring mir mal än Lebberworschdbrot!

Um 4.30 klingelt der Wecker, schließlich geht es um 5.30 Uhr an den Flughafen Frankfurt. Es ist 5 Uhr, da stehe ich dann auch mal auf.

Mit kleiner Verspätung geht es also los, der Trip nach Bordeaux, 12.000 machen sich bzw. sind auf dem Weg, um das Auswärtsspiel zu einem Heimspiel zu verwandeln. Ob mit Bus oder Bahn oder Flugzeug ganz egal, Eintracht Frankfurt international lautet für viele das Motto, schließlich müssen 1200 Kilometer zurückgelegt werden - unter der Woche.

Am Flughafen angekommen steigt die Aufregung. Es ist kein Auswärtsspiel wie sonst, man fährt nicht mit dem Auto nach Hamburg oder Gladbach. Diesmal heißt es Fliegen. Kontinental. Schließlich spielen wir im Europacuuup, Europacuuup in diesem Jahr.

Wir betreten eine 757 von Condor, Bordeaux non-stop, eigentlich nicht möglich vom Frankfurter Flughafen - wäre da nicht diese Mannschaft, dieser Verein. Auf den Sitzplätzen sind Europacup-Schals verteilt, unser Europacup in diesem Jahr-Motiv ziert die Rückenlehne. Die Stimmung könnte nicht besser sein. Mittlerweile haben wir kurz nach 8 und der Flieger steht bereit. Im hinteren Teil der Maschine gibt es die ersten leeren Flaschen Russian Standard, da passiert es. Eine hübsche blonde Stewardess tritt zum ersten mal in Erscheinung. Da kommt von hinten, typisch hessisch, schon die Aufforderung: Schwester, bring mir mal än Lebberworschdbrot! Wie sollte es auch anders sein.

Wir starten, an schlafen ist nicht zu denken, next stop: Bordeaux.

The Connemara Pub und die Ostkurve

Das Flugzeug landet in Bordeaux, 15 Minuten später steigen wir in den Shuttelbus Richtung Innenstadt. Dort heißt es: sucht The Connemara Pub! Ziemlich schwierig ohne Stadtplan bzw. überhaupt einem Plan vor irgendwas. Mangelnde Englisch-Kenntnisse der Franzosen erschweren die Suche, irgendwann folgen wir nur noch dem orangen Strom. Wir erreichen das Connemara nach kurzer Stadtwanderung (unglaublich beeindruckende Architektur in Bordeaux) und stellen fest, wir sind morgens um 10 Uhr nicht alleine. mit unserem Durst nach einem Kilkenny. Das Connemara wurde im Vorfeld im Eintracht-Forum empfohlen, eine Art Fantreff findet dort nun also statt.

Gegenüber des Pubs wird gerade gebaut, Container auf Container stapeln sich und eine provisorische Straßenüberführung wurde für die Bauarbeiter errichtet, welche darauf laufen/stehen. Gekleidet sind sie normal plus Westen - in Orange! Sofort kommen die Ostkurve! Ostkurve Rufe Richtung Bauarbeiter, welche artig zurück winken und Fotos machen.

Mittlerweile haben wir 14 Uhr. Nach knappen vier Stunden am Pub machen wir uns auf den Weg zum nächsten Sammelplatz, dem Place de la Victoire.

Heiße Studentinnen und filmende Polizisten (kein Schmuddelfilm)

Der Place de la Victoire ist ein relativ großer Platz in der Innenstadt, eine Art Triumphbogen dient als inoffizieller Eingang und der Platz ist eines ganz sicher, komplett in Orange. Bisschen weniger als sieben Stunden sind es noch und immer mehr Fans versammeln sich auf diesem. Glücklicherweise für die meisten Fans, zum Teil angeheitert, grenzt der Platz an die Universität von Bordeaux (zumindest an ein Gebäude) aus welche im Minutentakt Frauen rauskommen - eine schöne als die andere! Dass hier natürlich gegraben und gebaggert wird versteht sich von selbst - wobei die meisten Französinnen es mit Humor nehmen. Nahezu jede Studentin, jeder Student fotografiert den Place de la Victoire, selbst die Polizisten, die irgendwann als Türsteher für die Universität dienen - am Anfang die kostenlose Möglichkeit ein WC zu benutzen - filmen was das Zeug hält und sehen es relativ entspannt, wenn mal hier, mal da ein Bengalo brennt. An sich erleben wir eine sehr entspannte Atmosphäre, es wird viel gefeiert, viel gehüpft und viel gefroren und die Zeit vergeht wie im Flug.

Es ist 18 Uhr, wir marschieren los, wie viele? Keine Ahnung! der ganze Platz setzt sich in Bewegung und es soll nur Minuten dauern, bis ein orangenes Meer die Straßen flutet. Es geht durch enge Straßen, es wird gesungen, viel gesungen und auf den Balkonen über uns Winken uns die Franzosen zu. Der Schlachtruf wird umgedichtet. Heißt es sonst Hurra! Hurra, heißt es nun: Salut. Ca va? Die Frankfurter sind da!

90 Minuten laufen wir, um der Kälte zu entkommen. 90 Minuten laufen wir, alle mit nur einem Ziel: Stade Jacques-Chaban-Delmas - Girondins Heimstätte.

Heimspiel in Bordeaux

Wir kommen im Stadion an, einem ziemlich maroden Stadion, ohne Einlasskontrollen, nicht mal unsere Tickets werden überprüft. Also kann es losgehen, das Heimspiel in Bordeaux. Die komplette Kurve gehört uns. Franzosen, welche Karten in der Virage Nord haben, wurden im Vorfeld umgesetzt.

So ziemlich jeder läuft in Orange rum, die Kurve gibt ein geschlossenes Bild ab. Peter Fischer (Präsident der Eintracht) zeigt sich im orangen Schal und bekommt eine Motto-Mütze zugeworfen, er zieht sie auf.

Wir sind heiß, heiß auf das internationale Geschäft. Die kommenden 83 Spielminuten kühlen uns jedoch ab. Ein Spiel, aus unserer Sicht nicht gerade das Beste. Zittern, nervenflattern, Kevin hält uns im Spiel. Spielaufbau über weite Strecken Fehlanzeige, doch dieser eine Moment soll alles ändern, wir führen. Niemand kann sich mehr zurückhalten, die Erlösung - wir führen vor der 86. Minute und aus den Erfahrungen der letzten Wochen reicht es also mindestens für einen Punkt, Minimum Platz 2. Europacuuup, Europacuuup, also auch im nächsten Jahr.

Das Spiel ist fertig, wir fahren danach leider direkt zum Flughafen und landen um 5.30 Uhr in Frankfurt. Um 6 Uhr schließe ich die Haustür auf, dusche und gehe direkt auf die Arbeit - der Alltag hat mich wieder. Europa ist Geschichte, bis zum 12.12.

Wir waren alle in Bordeaux, wir spielen international, das auch noch im nächsten Jahr.