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WM 2014


Gründer: Voegi | Mitglieder: 30 | Beiträge: 7
Von: Maxi_FCB
11.07.2014 | 3640 Aufrufe | 12 Kommentare | 7 Bewertungen Ø 9.7
Miroslav Klose
Ein Schritt zur Unsterblichkeit
Eine Laudatio auf den WM-Rekordhalter

"Sag mal, Maxi: Hast du auch schon einen Lieblingsspieler?"
"Ja klar, den Miro Klose!"
Die Antwort schien meinen Gegenüber zu verblüffen. Olli Kahn, Michael Ballack - mit so jemandem hatte sie wohl eher gerechnet. Aber Klose?
Dabei war die Antwort nur logisch - sofern man die Vorgeschichte kannte. Es trug sich nämlich am 1.6.2002 etwas zu, das mein Leben nachhaltig verändern sollte.

Ob ich auch schon vor diesem Tag auf dem Hof meiner Großmutter mit ebendieser kickte, oder erst nach diesem schicksalhaften Spiel im Sapporo Dome, das war retrospektiv für mich nicht mehr zu klären. Das muss ich zugeben. Es scheint allerdings ein prägendes Ereignis in meinem noch jungen Leben gewesen zu sein, schließlich ist die Erinnerung an jenen Tag noch sehr lebhaft. Und das, obwohl ich seinerzeit gerade einmal zarte fünf Lebensjahre absolviert hatte.

Es war ein früher Nachmittag am Petersberg, nahe Fulda. Seine Eltern hatten den kleinen Maxi bei seiner (anderen) Großmutter abgeliefert, da sie offensichtlich irgendetwas zu erledigen hatten. Jedenfalls war meine Großmutter beschäftigt, musste putzen, kochen oder irgendetwas Derartiges tun. Da der fünfjährige Knirps allerdings beschäftigt werden musste, kam sie auf die rückblickend gleichwohl profane wie geniale Idee, den Fernseher einzuschalten. Nach kurzem Durchschalten blieb ich hängen - Fussball. Deutschland gegen Saudi-Arabien. Für diejenigen, denen dieses Spiel nicht mehr vor Augen steht: Es endete 8:0, die Saudis waren der bemitleidenswerte Sparrings-Partner für den bis dato höchsten deutschen Sieg bei einer WM-Endrunde.

Doch das faszinierte mich nicht so sehr. Beziehungsweise: Es fasizinierte mich schon, nur: Einer faszinierte mich am Meisten. Ein gewisser Miroslav Klose. Jener nämlich verwertete zwei Flanken von Ballack, sowie eine von "Schnix" zu drei Toren. Dass ich erst bei meiner Recherche entdeckte, dass er auch in den folgenden beiden Gruppenspielen noch je einen Treffer beisteuerte - geschenkt. Ich hatte mein Idol gefunden. Die einen verehrten Ronaldo, die anderen Ronaldinho, wieder andere Michael Ballack. Ich verehrte fortan Miro.

12 Jahre, einen Monat und eine Woche später. Man schreibt die 23. Spielminute. Kroos steckt durch für Thomas Müller, der legt ab auf Klose. Klose macht einen Schritt, schließt ab - pariert! Der Ball flippert ihm wieder vor die Füße, Klose schießt, der Ball schlittert knapp an Julio Cesar vorbei - drin! 2:0 Deutschland. Ekstase. Wahnsinn.
Es gibt kein Halten mehr, eine zwei zu null-Führung nach 23 Minuten gegen den Favoriten, gegen den Gastgeber. Plötzlich blendet die Regie einen beleibteren Mann ein. Er sitzt hinter einer Glaswand. Konsterniert sieht er aus. Konsternierter als alle Brasilianer im weiten Rund des Estadio Mineirao. Erst jetzt begriff ich, was gerade geschehen war. Besagter Ronaldo wusste sofort was geschehen war. Er war abgelöst worden. Seine 15 WM-Tore? Fortan eine Randnotiz der WM-Geschichte. 16 WM-Tore (+X ?) sind der neue Nimbus. Erzielt von: Miroslav Klose.

Der Jubel bestätigt die Regel

Lapidar kommentierte der inzwischen bereits 36-Jährige: "Ich bin ein Stürmer - und Stürmer wollen Tore erzielen. Und natürlich will ich diese Liste so lange wie möglich anführen".
Wo andere ekstatisch geworden wären ob der Historizität des Erreichten, bleibt Klose, nunja, eben Klose. Denn zu großen, markigen Worten schwang sich der im schlesischen Opole geborene Stürmer selten bis nie auf.
"4 Jahre Zimmermann, das hat mich geprägt. Das war unglaublich wichtig für mich, auch vom Kopf her." sagt Klose über sich selbst. Bescheidenheit und Demut sind seit jeher die Eigenschaften, die der Mann vom Lazio Rom pflegt.

Typen wie Miroslav Klose sind ungemein wohltuend im stets hektischer werdenden Business Fussball, in dem die Akteure zu wirtschaftlich profitablen Marken degradiert werden, in der die Eigeninszenierung bisweilen den Teamerfolg sticht.

Wenn Klose spricht, dann tut er das meist leise und bedacht. Häufig verfällt dabei auch er in den typischen Fussballer-Sprech. Doch das kann kein Vorwurf sein. Klose ist so. Professionell neben dem Platz, eher scheu vor den Kameras, bei weitem nicht so eloquent, wie mancher Berufskollege. Doch das muss er, meiner Meinung nach, auch gar nicht sein.
Die große Selbstinszenierung ist einfach nicht sein Ding. Extravaganzen sucht man vergebens. Der Klose-Salto ist die einzige Vornehmheit, die Klose sich leistet(e). Die Ausnahme bestätigt eben die Regel.

Ansonsten glänzt er als stilles Vorbild. Wenn Joachim Löw seine Führungskräfte benennt, so fallen stets die Namen Schweinsteiger, Mertesacker und Lahm. Unter Umständen noch Sami Khedira oder Manuel Neuer. Seinen mit Abstand Dienstältesten lässt er dabei bewusst außen vor. Zwar wurde Klose im Nationalteam schon einige Male die Kapitänsbinde anvertraut, wirklich warm mit ihr wurde er nie. Der gelernte Zimmermann bleibt lieber im Hintergrund, will lieber mit Taten, denn mit Worten Vorbild sein. Als elder Statesman. Und das gelingt ihm ausgezeichnet.
Denn Eskapaden sind von Klose keine überliefert. Fragt man den zweifachen Vater nach seinem Erfolgsrezept, so führt er stets seinen professionellen Lebenswandel an: Viel Schlaf, wenig Alkohol. Am liebsten verbringt er Zeit mit seiner Frau und den Zwillingen Luan und Noah.

Vorbildlich ist überdies sein Umgang mit sportlichen Rückschlägen.
Wo Mats Hummels nach einigen Bankdegradierungen eine Verschwörung gegen ihn witterte, wo Sami Khedira, ebenfalls nach einer Platzierung auf der Bank, die eigenen Teamkollegen einigermaßen unverhohlen kritisierte, bleibt Klose gelassen. "Ich sehe das entspannt. Mir ist es egal, in welcher Form ich helfen kann".

"Ein durchschnittlicher Stürmer"?

Fairerweise muss man zur Verteidigung von Hummels und Khedira anführen: Klose hat mit seinen 36 Lenzen schon mehr Rückschläge erlitten als die beiden Himmelsstürmer. Man denke nur an die Jahre beim FC Bayern.

Nach Jahren als unumstrittener Starspieler beim FCK (120 Ligaspiele/44Tore/18Assists) und bei Werder Bremen (89/53/39), 05/06 gar garniert mit der Torjägerkanone, sollte die große Karriere des Miroslav K. beim deutschen Branchenprimus endlich mit Titeln vergoldet werden. Zu Bremen kam er erst nach der Wahnsinns-Saison 03/04, ebenso beim FCK: 1998 wurden die Roten Teufel Meister, 1999 kam Klose.
In der ersten Saison ging der Plan auf: An der Seite von Luca Toni knipste Klose 10mal, assistierte 8mal und hatte somit nicht unerheblichen Anteil am Double 07/08. Auch unter Klinsmann lief es für ihn persönlich nicht viel schlechter (10Tore/7Assists).
Der große Bruch folgte unter van Gaal, der für Klose keinerlei Verwendung fand. Zwischenzeitlich rückte der gelernte Zimmermann in der Stürmer-Hackordnung gar auf die vierte Position hinter Ivica Olic, Mario Gomez und Luca Toni. Nach zwei harten Jahren folgte 2011 die folgerichtige Trennung. Klose und Bayern - das war nie eine Liebesgeschichte.

Sein sportliches Glück fand der inzwischen schon 33-Jährige in der "ewigen Stadt". Genauer: Bei Lazio Rom. In drei Jahren Serie A brachte es Klose auf 81 Einsätze, in welchen ihm 35 Treffer und 15 Vorlagen gelangen. Doch viel wichtiger: In Rom widerfuhr ihm etwas, was Klose lange vermisst hatte: Die Anerkennung, die Verehrung durch die Fans. Die Werderaner verziehen ihm den Wechsel zum seinerzeitigen Rivalen nie, mit den bajuwarischen Anhängern wurde er nicht wirklich warm. In Rom dagegen ist Klose die Gallionsfigur in einer ansonsten, mit Ausnahme von Antonio Candreva und vielleicht noch Senad Lulic, eher blassen Mannschaft. Ein Volksheld. Geachtet von Fans aller Couleur und von den Medien.
Vor allem eine Aktion hat ihm nachdrücklich Respekt gebracht: Beim Stande von 0:0 erzielte Klose gegen den SSC Neapel den Führungstreffer. Allerdings wählte er dazu das falsche Körperteil, die Hand nämlich. Was Sportskameraden wie Diego Maradona oder Thierry Henry galant verschwiegen, gab Klose zu. Eine Rarität im heutigen Fussball. Vor allem, wenn man die Folgen bedenkt: Kloses Lazio bekam in der Folge eine deftige 3:0-Packung. Klose lediglich den Fair-Play-Preis - und viele, viele Sympathien.

Doch ein Makel haftet immer noch an Klose. Ein Makel, der schon über diverse andere Karrieren tiefe Schatten warf. Der Makel, dass ihm die ganz großen Titel fehlen. Bis auf die Double 2008 und 2010, sowie den Sieg bei der Coppa Italia 2013 ist Kloses Trophäenschrank nicht sonderlich prall befüllt. Doch macht ihn das schon zu einem "durchschnittlichen Stürmer", wie ich jüngst von diversen Usern lesen durfte?

Klose bringt es summa summarum in 663 Pflichtspielen auf 278 Treffer.

278 Treffer in Pflichtspielen: "Ein durchschnittlicher Stürmer"? What?
Bedenkt man zudem, dass Klose meist keine Xavis, Iniestas, Figos oder Di Marias um sich hatte, wertet das seine ohnehin schon beachtliche Quote noch einmal auf.

Rekorde im Vorbeigehen

Dennoch muss man zweifelsohne festhalten: Auf Vereinsebene ist Klose, um mich der kicker-RddF-Wertungskategorien zu bedienen, ein Stümer von internationaler Klasse. Auf Nationalmannschaftsebene ist er, das bezweifelt hoffentlich niemand ernsthaft, Weltklasse.

Vor allem die Weltmeisterschaften fungierten regelmäßig als Bühne für die großen Galas des Miro K. Angefangen bei besagter WM 2002, in der Klose, bis dato eher Randfigur im deutschen Fussball, plötzlich mit fünf Treffern per Kopfball, was zeit seiner Karriere stets seine größte Stärke darstellte, auftrumpfte, bis zum vergangenen Dienstag, an dem Klose als Torschütze und Quälgeist im gegnerischen Aufbauspiel reüssierte. Egal, welche Form Klose im Verein auch hatte - im DFB-Team lieferte er stets auf Knopfdruck.

So auch beim Sommermärchen 2006, als sich Klose mit abermals fünf Treffern den Titel des Toschützenkönigs sicherte. Darunter auch der wichtige Ausgleichstreffer im inzwischen legendären Viertelfinalkrimi gegen Jose Pekermans Argentinier.
Vier Jahre später war erneut Argentinien Gegner in einem von Kloses Meilenstein-Spielen: Durch seine beiden Treffern gegen die seinerzeit von Diego Maradona gecoachten Gauchos zog er mit den 14 WM-Toren des größten deutschen Stürmers aller Zeiten gleich, Gerd Müller. Am Ende standen erneut starke 4 Treffer für Klose bei der Endrunde 2010 zu Buche.

Blickt man rein auf die Statistiken, so ist Miro Klose gar der beste deutschen Stürmer aller Zeiten. Mit seinem Treffer beim 3:0 Sieg über Österreich schloss er mit seinem 68. Nationalmannschaftstreffer auch in dieser Statistik zum Bomber auf, überholte ihn beim Testspiel gegen Armenien gar. Kloses Kommentar: "Natürlich bedeutet es mir etwas, aber wichtiger war es für mich, in Form zu kommen."
Typisch Klose eben.

Aus Verehrung wird Respekt

12 Jahre, 1 Monat und 10 Tage später.
"Sag mal Maxi, wer ist eigentlich dein Lieblingsspieler?"
"Der Fussballgott natürlich!"
Aus meiner kindlichen Verehrung für Miroslav Klose ist großer jugendlicher Respekt geworden. Verehren tue ich nur noch Schweinsteiger, Robben und mit Abstrichen Falcao.

Kloses Wechsel zum einstigen Rivalen meines Lieblingsvereins hat die ganz große Liebe erblassen lassen. Die ständigen Vorhaltungen, wie toll Werder im Vergleich zu den rumpelnden Dusel-Bayern doch spiele, haben eine gewisse Antipathie dem Verein gegenüber wachsen lassen.

Doch der Respekt vor Klose ist nach wie vor da. Es ist nicht lediglich ein genereller Respekt, wie man ihn wohl gegenüber jedem x-beliebigen Nationalspieler haben könnte. Den habe ich nicht. Ich habe weder nennenswerten Respekt vor Hummels, wenngleich ich seine Leistungen bei dieser WM als überragend erachte, noch vor Weidenfeller, geschweige denn vor Großkreutz.

Bei Miro Klose ist das anders. Er mag nicht mehr mein größtes Idol sein, gleichwohl bleibt er ein Idol. Ein Musterprofi. Der bislang wohl größte deutsche Stürmer des noch jungen neuen Jahrhunderts.

Er hat maßgeblich dazu beigetragen, dass ich zum Fussball-Fanatiker geworden bin. Und ich bin mir sicher, dass ich damit nicht ganz alleine stehe.

Nach der WM könnte Schluss sein mit der großen Nationalmannschaftskarriere des Miroslav Klose, wenngleich er das jüngst nicht bestätigen wollte.

Mit ihm verlöre der deutsche Fussball einen ganz Großen. Ein Vorbild und Idol.
Doch noch ist es nicht so weit, Abgesänge anzustimmen. Ein Spiel steht noch an. Das wohl größte in der Karriere von Miroslav Klose. Er wird wohl wieder von Beginn an auf dem Platz stehen, laufen, kämpfen, kombinieren und nicht zuletzt: lauern. Lauern auf die eine Chance. Die Chance, sich endgültig unsterblich zu machen. Wenn es einem zu gönnen wäre, dann ihm.

ø 9.7
KOMMENTARE
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Maxi_FCB
11.07.2014 | 17:10 Uhr
1
0
Maxi_FCB : 
11.07.2014 | 17:10 Uhr
0
Maxi_FCB : 
Erstmal danke für's Lob!
Hoffentlich gelingt dem Miro noch eins. Oder noch besser: Vielleicht gelingen ihm ja auch zwei.

P.S. Blöder Zufall, dass Roys Zwischenüberschrift meinem Titel entspricht. Habe aber nicht abgekupfert, an dem Blog sitze ich schon seit Mittwoch
1
Voegi
MODERATOR
11.07.2014 | 16:26 Uhr
1
0
Voegi : 
11.07.2014 | 16:26 Uhr
0
Voegi : 
sehr sehr schönes porträt. und ich habe das gefühl, dass dem ollen miro am sonntag noch mal großes gelingen wird.
1
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