Leichter Wind weht übers Stadiondach. Der Rasen ist feucht, dein Verstand trocken wie altes Brot. Wolken ziehen auf. Fremder Schweiß liegt in der Luft. Du bist bereit.

Rennst los. Bremst wieder ab. Rennst los. Suchst die Lücke in der Viererkette. Undercover im Grenzbereich. Kaum zu erkennen. Katzengleich wie an Mondfinsternis gleitest du an deinen Gegnern vorbei. Camouflage in ihren reinsten Farben schmückt deinen tarnkappenbomberähnlichen Körper. Ferguson sagte einst über Inzaghi, er sei im Abseits geboren. Du hast von der anderen Seite der Linie aus zugeguckt und gelacht. Heute wie damals gefürchtet wie Herpes im Swinger Club. Der juckende Ausschlag im Gesicht eines jeden Verteidigers. Ein Virus. Einmal heißt immer. Kein entkommen.

Dann der Pass. Ein kurzes Zucken und du gehst steil. Wie ein Hund im Wind. Deine Stollen krallen sich greifvogelartig in den Rasen. Lassen nur los um Millisekunden später, eine gefühlte Ewigkeit weiter vorne, das nächste Stück Grün zu ergreifen. Deine Arme schwingen in solch synchroner Perfektion mit den kraftvollen Bewegungen deiner stählernen Beine mit, dass jeder Boxsack nervös in sich zusammenzuckt.

Das Publikum wird unruhig. Du merkst das. Schärfst deine Sinne. Gibst noch einmal alles. Der Ball kommt immer näher. Der sagenumwobene first touch muss sitzen. Die erste Berührung, die über alles weitere entscheidet. Du musst euer Schicksal in deine Hände nehmen. Hier und jetzt kann dir niemand mehr helfen. Du allein bist das Zünglein an der Waage. Der Kimme ihr Korn. Dem Toto sein Harry. Dem Usain sein Bolt. Wenn ihr siegen wollt, musst du erfolgreich sein.

Ein weiterer großer Schritt und du hast den Ball. Kannst ihn schon förmlich unter deiner Sohle spüren und es kaum erwarten. Ob rechts oder links- du hast dir abgewöhnt darüber nachzudenken- sind doch beide perfekt. Der Torwart ist schon lange ausgeguckt. Du strotzt nur so vor Routine. Abgebrüht wie das zäheste Stück Suppenfleisch. Der Ball wurde genäht, um dir zu dienen. Kein Mann dieser Welt mit Gummi über den Händen, kann sich der unverbesserlichen Symbiose aus Präzision, Kraft und mentaler Überlegenheit wiedersetzen. Gnade fühlst du nur für deine Mutter.

Du bist nicht wie Gott, erklärst du alle zwei Wochen dem Pfarrer beim Gottesdienst. Du bist besser. Machst keinen Wein aus Wasser. Du machst Meister, stürzt Legenden und zerstörst Träume. Sieben Plagen? Letzte Saison alleine hast du dreißig verteilt. Deine Seiten rasiert, den Unterarm tätowiert. Das Trikot eng, die Stutzen hoch. Ein lässiger Dreitagebart täuscht über das Monster in dir hinweg. Ein Assasine, der seine Pfeile für den Höchstbietenden verschießt. Natürlich bist du treu. Dir selbst.

Gerade als du den Ball berührst, ertönt ein Pfiff aus dem Nichts. Da muss sich der Schiedsrichter doch geirrt haben. Hat da jemand aus dem Publikum gepfiffen? Du rennst weiter mit dem Ball am Fuß. Doch wieder pfeift es. Dieses Mal lauter, energischer und gleich mehrere Male. Deine Arme schnellen in die Luft. Gesichtszüge entgleisen. Nicht deutbare Brülllaute entfliehen deinem weitaufgerissenen Mund. Du drehst dich um. Deine Mitspieler winken ab, haben längst das unabwendbare akzeptiert.

Doch das kann es nicht gewesen sein. Nun widmest du dem Linienrichter dein Gebrüll. Dieser Hampelmann steht da und hält seine Fahne hoch, wie eine goldene Kriegstrophäe. Allerdings merkst du schnell, dass du deine Zeit mit dieser mundtoten Marionette verschwendest. Du musst zu seinem Vorgesetzten. Zum Herr der Pfeifen. Er wird- nein er muss- dich ernst nehmen. Ein Gespräch auf Augenhöhe. Zwei Alphatiere unter sich. Angesicht zu Angesicht. Du verschränkst deine Arme hinter dem Rücken, pumpst deine nur so vor Muskeln strotzende Brust auf, senkst das Kinn und machst dich so groß wie es nur irgendwie geht.

Zu deiner Überraschung zeigt er sich uneinsichtig, will sich den offensichtlichen Fehler nicht eingestehen. Zeigt dir zu allem Überfluss auch noch die gelbe Karte. Das Publikum steht weiter hinter dir. Geschlossen wie ein schwäbisches Portemonnaie an Weihnachten. Ohne Zweifel an deinem Urteil, dem Recht der guten Tat. Sie pfeifen, buhen und spucken in Richtung des Schiedsrichters. Würdest du ein Schwert ziehen, sie würden an deiner Seite sterben. Doch du kennst die Situation nur zu gut. Hast sie schon durchlebt, hunderte Nächte davon geträumt. Den Krieg hast du bis jetzt immer gewonnen. Du weißt, dass man ab und zu eine Schlacht abgeben muss. Der Klügere gibt eben nach.

Aber du kommst wieder. Wirst dich anschleichen, lossprinten und das Tor machen. Das liegt in deiner Natur. Das ist deine Gabe. Niemals wird sich das ändern, niemand ist stark genug dich vom rechten, deinem Weg abzubringen. Ein einsamer Wanderer zwischen den Welten, auf der Jagd und nicht satt zu kriegen. Dein Leben ein Drahtseilakt auf einer unsichtbaren Linie. Du bist ein reinrassiger Stürmer, wie dein Vater und sein Vater es waren. Eine aussterbende Gattung. Doch bis es soweit ist, wird du jeden Abwehrrecken von hier bis New York das fürchten lehren.

Meine Gegner:

ausLE

MacMurph