Eine Krise, ein Chaos, ein freier Fall – oder besser: Werder Bremen!

Es gibt viel zu Bereden in Bremen. Die Krise steht nicht nur vor der Tür, sondern eigentlich sitzt sie schon in der Bremer Wohnstube beim Kaffeekränzchen, zusammen mit einer gewissen Frau Ratlosigkeit, und den Herren Plattitüde und Durchhalteparole. Wie das kam, was die Fans sagen, und wie man es vielleicht wieder ändern könnte, versuche ich im Blog zu behandeln.

Die Krise
Die Zahlen und Ergebnisse der letzten Wochen sprechen Bände, 0:4, 0:0, 0:6, 0:2. Das sind die letzten vier Pflichtspielergebnisse aus Bremer Sicht. Auf der einen Seite wird, zu Recht, auf der Bremer Defensivschwäche herumgeritten. Die Abwehr ist teilweise desolat, es geht über haarsträubende individuelle Fehler, krasse Missverständnisse und Abstimmungsprobleme, teilweise purer Dilettantismus und unfitte Profis, denen es schlicht an Qualität mangelt. Auf der anderen Seite jedoch fällt auf, dass Werder keine Tore mehr schießt. Es gab Zeiten und ganze Jahre, in denen Bremen vielleicht in nur 2-3 Spielen der gesamten Saison kein Tor zustande bekam. Gerade diese Eigenschaft eines bedingungslosen und torhungrigen Offensivzaubers brachte den Bremern Sympathien und Fans im ganzen Land. Wenn jetzt beide Varianten zeitgleich erscheinen, ist eine Niederlagenserie folgerichtig. Zuvor hat Bremen jahrelang Abwehrschwächen mit grandiosem Offensivfußball überdecken können.

Die Fans
Die Meinungen der Fans gehen auseinander. Das ist insoweit positiv, dass nicht jeder sofort die Entlassung des Trainers fordert. Denn die Verantwortlichen sind eine Bremer Institution, mehr als eine Dekade ist das Gespann Schaaf/Allofs überaus erfolgreich, dass man als Bremer Fan durchaus von fetten Jahren sprechen kann. Schaaf müsse bleiben, er habe bis jetzt noch jede Krise erfolgreich gemeistert und Bremen sei oft gestärkt aus diesen Situationen hervor gegangen. Bremen sei ein Verein, der gerade nicht wie der norddeutsche Konkurrent alljährlich die Verantwortlichen austauscht, und diese Vereinsphilosophie solle nicht aufgegeben werden, denn auch das erhalte Sympathien und mache stolz.

Andererseits werde davon gesprochen, dass es offensichtliche, sogar tiefgreifende Probleme im Mannschaftsgefüge gebe. Schaaf lasse in letzter Zeit Kommunikationsfähigkeit vermissen, und zu viele altgediente Spieler würden den nötigen Umbruch verhindern. Kaderpolitik hätten sich Schaaf/Allofs gleichermaßen ankreiden zu lassen, denn Transfers würden nur in absoluter Übereinstimmung getätigt.

Der berühmte Tropfen, der alles Überlaufen lässt
Bremen ist völlig verunsichert, dazu mannschaftsinterne Probleme. Ein Beispiel vom Samstag wurde mehrfach in den Foren diskutiert – ca. 18 Min gespielt: flache Hereingabe eines Schalkers vom linken Flügel. Prödl rauscht heran, auch Wiese will klären, beide stoßen zusammen, Wiese hält sich die Hand, doch der eigene Mitspieler Prödl würdigt dessen keines Blickes und dreht sich um. Und auch sonst ließ sich das Spiel aus Bremer Sicht gut an. Gefällige Kombinationen schon in der ersten Minute, bis zum Gegentor war Werder präsenter, mehr Ballbesitz, die klareren Aktionen nach vorne. Da fragt man sich, wie es dann zu solch einem Scheibenschießen kommen kann. Wenn Wiese in der zweiten Halbzeit das Privatduell gegen Huntelaar nicht 4:0 für sich entschieden hätte, wäre auch ein 8:0 für Schalke drin gewesen.

Die Verantwortlichen
Schaaf werde weiterhin vorgeworfen, einige Fehler in Sachen Mannschaftsaufstellung sowie Taktik gemacht zu haben. Die Balance stimme nicht mehr, auch die Ausrede der Verletzten sei nicht genügend, denn fast jeder Verein habe damit zu kämpfen. Und gerade als langjähriger CL-Teilnehmer gäbe es doch Möglichkeiten, einen ausgewogenen doppelt besetzten Kader zusammenzustellen. Schaafs Autorität scheint zu schwinden, Gehaltskürzungen und Straftrainings wurden schon als Mittel herangezogen, was kommt jetzt? Dazu kommt die Ratlosigkeit der Verantwortlichen: "Es gibt keinen Plan B oder C. Wir haben nur den einen. Den müssen wir besser umsetzen.", sagte Schaaf nach dem Spiel. Es ist noch gar nicht lange her, da wurde ein anerkannter Fußballfachmach in Stuttgart freigesetzt, weil er keine Lösungsansätze parat habe.

Allofs werde vorgeworfen, dass die Stadionplanung aus dem Ruder gelaufen sei. 16,25 Mio. Mehrausgaben bei einem veranschlagten Budget von 60 Mio. bedeuten, dass man mehr als 25% über das Ziel hinausgeschossen sei. Und wofür das ganze? Die Kapazität des Stadions hat sich nicht wesentlich verändert, es bleibt bei ca. 40.000 Plätzen. VIP-Bereich und Reha-sowie andere Spielerzonen haben sich verbessert, hinzu komme ein hochmodernes Catering. Wie dem Fan das gefällt? Man fühlte sich mehr im Kaufhaus als im Stadion, der Kommerz habe vollends Einzug ins Weserstadion gehalten. Lediglich der Umbau zum reinen Fußballstadion kommt gut an. Jedoch, andere Vereine (z.B. Gladbach) hätten für ähnliche Summen ein komplett neues Stadion mit weit über 50.000 Plätzen gebaut. Denn die Kredite für den Umbau der Ostkurve 1996 und der Nordgeraden 2004 sowie kleinere Aktivitäten an der Südgeraden seien noch gar nicht abbezahlt, da werde schon wieder rumgetüftelt. Bremen tilgt gerade vier unterschiedliche Baumaßnahmen, wäre eine große Lösung da nicht sinnvoller, ökonomischer, ja logischer gewesen? Geld, das jetzt fehle um in die Mannschaft zu investieren. Und falsche Verträge z.B. mit Hunt, der Nr.1-Verdiener in Bremen ist, kann man Allofs ebenfalls zuschreiben wenn man sich seine Leistungen der letzten Wochen ansieht.

Lösungen?
Werder Bremen ist eine der besten Mannschaften der letzten Dekade gewesen. Die Betonung liegt leider auf gewesen. Wenn man einen Schnitt will, sollte er nicht zu spät kommen. Der Kader-Schnitt wurde mMn schon verpasst. Im Sommer hätten altgediente Spieler aussortiert und junges Blut hinzugefügt werden müssen. Aber was bringt neues Blut, wenn die Pumpe die alte bleibt? Muss also auch der Trainer gehen? Ich weiß es nicht, aber zumindest die Kaderveränderungen sollten in der Winterpause angegangen werden. In Sachen sportlicher Leitung gibt es Kontrollgremien, doch Aufsichtsratschef Willi Lemke ist ja ehr dafür bekannt, an Dingen festzuhalten, als wegzujagen.

Ich bin für eine klare Problemanalyse, ein Soll-Ist-Vergleich und Bewertung der Zukunftschancen. Das alles sollte bis zur Winterpause passieren, damit zu Beginn dieser gehandelt werden kann. Entweder (1) sportliche Leitung erneuern und neue Leute holen, die der neue Trainer will oder (2) sportliche Leitung stärken, in dem alte Zöpfe im Kader abgeschnitten werden, mögliche Quertreiber aussortieren, Grüppchen sprengen und der Mannschaft unmissverständlich klar machen, wer der Chef ist! Dazu neue Leute holen, die den Druck erhöhen, Leistung zeigen zu müssen, wenn man in der ersten Elf stehen möchte.