Ich geb's ja zu: Ich bin eine elendige Nörgeltriene. Ich schau' mir beispielsweise seit Jahren kaum noch Test- und Quali-Spiele der Nationalmannschaft an, weil der Anspruch ("Überragender Offensivfußball aus einem Guss bei högschder Disziplin") mit der Wirklichkeit ("Wir rumpeln wie zu Sir Erichs Zeiten, aber das geben wir nicht zu!") so viel zu tun hat wie Udo Lattek mit Erdinger Alkoholfrei. Zugegeben: Beim Spiel gegen Australien sah das tatsächlich aus, als würden Anspruch und Wirklichkeit langsam deckungsgleich, aber ich bin gespannt, was gegen richtige Gegner geschieht. Außerdem: Ich sprach ja von den Quali-Spielen. Und die waren: scheiße!

Egal, um die Qualität unserer Nationalmannschaft, die unbestritten vorhanden ist, soll es hier nicht gehen. Wär' auch blöd von mir, weil in diesen Tagen jedes kritische Wort wenigstens ungehört verhallt, meistens jedoch die Kommentare unter solchen Artikeln eher fordern, den elenden Defätisten "durch die Wand" zu klatschen. Denn Fußball-Deutschland hat mit dem "richtigen" Deutschland irgendwie nix zu tun. Die Regierung stümpert sich seit einem Jahr durch eine einzige große Krise wie weiland Sir Erichs Knappen durch die EURO 2000. Und das tolle daran ist: Jeder darf draufhauen. Weil: Eine Regierung ist kein gesamtdeutsches Identifikationsobjekt, und ein Aushängeschild schon gleich gar nicht.

Bei der Nationalmannschaft war das über Jahre hinweg, also schätzungsweise von 1996 (post-EM-Zeit) bis 2006 (prä-WM-Zeit) auch opportun. Wenn man keine Ahnung von Fußball hatte, aber sich am Gespräch beteiligen wollte, konnte man mit einem geschmeidigen "Also was der Ramelow da wieder gespielt hat letztes Wochenende, unglaublich!" sofort Sympathien gewinnen. Fußballkenner der damaligen Zeit erkannte man daran, dass sie durchaus lobende Worte fanden, selbst dann, wenn es nix zu loben gab.

Heute ist das umgekehrt. Wer die Nationalmannschaft in den höchsten Tönen lobt, so Marke: "Jaha, schon toll was der Gomez gemacht hat, gell?", darf sich der Sympathie der Umstehenden, nicht minder Ahnungslosen, gewiss sein. Aber wehe, es kommt einer auf die Idee und nölt so Günter-Netzer-mäßig dazwischen: "Ja, aber..." Was nach dem "aber" folgt, ist latte, weil Jogis Jungs, unsere Jungs, die Söhne der Nation kritisieren? Geht ja gar nicht. Da sind böse Kommentare sicher – im richtigen Leben und bei Spox unter den Artikeln.

Ich habe mir überlegt, wieso das eigentlich so ist. Weshalb ich das Gefühl habe, dass vor jeder WM dem harmlos vorbeischlendernden Fußball in einer dunklen Gasse aufgelauert, er vergewaltigt, geschlagen und ihm zum Abschluss noch ein großer Haufen auf den geschändeten Leib gesetzt wird.
Und ich habe, in Zusammenarbeit mit Galileo Mystery, den Illuminaten, Udo Lattek, Johannes B. Kerner und José Mourinho ("Shut up, Tagon!") herausgefunden, woran es liegt, dass Deutschland "schwarz-rot-geil" ist. Wir werden – das dürfte nicht neu sein – von den Medien und den großen Unternehmen manipuliert. Also...nicht wir, die Fans, sondern eher die "Fans". Aber der Reihe nach:

Es war die EM 2004. Die deutsche Nationalmannschaft, als amtierender Vizeweltmeister ins Turnier gegangen, scheidet nach drei desaströsen Spielen in der Vorrunde aus. Die längst nicht mehr so beliebte "Tante Käthe" wirft das Handtuch, der DFB sucht händeringend nach einem neuen Mann, der das Himmelfahrtskommando "Wie blamieren wir uns nicht bei der WM im eigenen Land?" übernimmt. Und verfällt auf eine schwäbische Knallcharge mit gewinnendem Lächeln und viel heißer Luft. Das Resultat ist bekannt: Platz drei. Und spätestens da sollte man sich als Fan (also als richtiger Fan, nicht als "Fan") an den Kopf fassen und feststellen: "Moment mal...Dritter? Das' doch eigentlich gar nicht so geil."

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