Es ist Freitag, der 11. Januar 2008. Ich kann mich noch erinnern, dass es leicht geregnet hat. Grau und Weiß bestimmten den Blick aus meinem Fenster, ein grau(sam)er Tag im Januar eben. Wie grau(sam) dieser werden sollte, konnte ich nicht ahnen, als ich nach einem langen Tag in der Uni nach Hause kam.
Das übliche Ritual: PC an, Internet, Sport und Nachrichten checken. Rumms - Meine schlimmste Befürchtung...Jürgen Klinsmann wird Trainer von Bayern München.
Super. Wochenende versaut. Martervolle Realität.

Nun gut. Man ist Optimist und nicht Sportlicher Direktor der Bayern. Ich hielt es wie Kahn damals: "Ich wünsche natürlich dem Jürgen Klinsmann dann viel Glück(...)".
Es folgten viele Diskussionen: Ist Klinsmann der Aufgabe gewachsen? Schließlich wurde die verkorkste Nationalelf runderneuert und der 3. Platz im eigenen Land erereicht. Trotz miserabelster Vorbereitung und Testspielen mit dürftigsten Leistungen. Aber Gummibänder wurden eingeführt. Ist schließlich in den USA modern.

Mein Freundeskreis wurde gespalten, wie wohl Millionen Bayern Fans weltweit.

Ende Juli 2008. Der FC Bayern hat eine recht erfolgreiche Saison hinter sich, der Weltmeister Toni, der künftige Weltstar Ribéry und ein paar weitere Neue haben uns äußerst souverän zu Meisterschaft und DfB Pokal geschossen. International mussten wir eines der spannendsten Spiele überhaupt miterleben, Kahn und Hitzfeld wurden unter Tränen aus der Bundesliga verabschiedet. Europe Calling.

Ach ja und der Wundertrainer hat sein Amt angetreten. Der Fitnessraum hat jetzt ein DJ Pult, damit der Nachfolger des wohl besten Torhüters der Welt sich erfolgreich vom Training ablenken kann. Und um unseren religiösen Freund Frooonck zu ärgern wurden Buddhas aufgestellt. Nicht zu vergessen: der deutsche Bayern Block ist Europameister der Herzen.

In den folgenden Wochen wird der vermeintlich starke Kader noch punktuell und gratis mit Stareinkäufen wie Borowski und dem italienischen Meister-Friseur Oddo verstärkt.
Der Schwachpunkt Lell soll durch den erfahrenen Italiener ersetzt werden, Schweinsteiger hat ja Portugal alleine aus der EM geschossen und Borowski ist eine Allround Alternative im Mittelfeld. Kein weiterer Handlungsbedarf also...

Bereits während der Vorbereitung spucken Klinsmann und sein (vermutlich) stummer Tortilla-Freund große Töne: der FC Bayern wird die beste Mannschaft der Welt, Jurgemann besitzen als Einzige die allmächtige Fähigkeit, jeden Spieler zu verbessern - jeden Tag! Taktische Variationen werden eingeübt, Bayern beherrscht früh perfekt 4-4-2 (Doppel6, Raute, 4*6, 4*10 usw.), die äußerst moderne Variante 3-5-2 und kann sogar 0-8-15 spielen. Die Ballberührungszeiten jedes Spielers betragen bald nur noch Nanosekunden. Unglaublich. Ich dachte, Fußball sei ein Kontaktsport?

Der Saisonstart rückt näher, die Automatismen greifen fast, Jurgemann grinst und van Bommel ersetzt Oliver Kahn als langjährigen Kapitän. Jeder Spieler kann jede Position problemlos besetzen, das Passspiel wird immer rasanter und die Euphorie ist mittlerweile grenzen- oder sollte ich besser sagen grinse-los.

15. August. Ligaauftakt. Der HSV eröffnet als Gast in der AA die Saison 08/09. Die Erwartungen sind riesig, schließlich soll nach der nationalen Dominanz der Kader nun bald auch in der Champions League zeigen was Sache ist. Der FCB tritt mit klassischer Raute an, Lell darf hinten rechts mit stümpern, Kroos - dem der große Durchbruch versprochen wurde (jeder Spieler besser und so) - spielt auf der 10, den Sturm bildet der deutsche Traumsturm Klose/Podolski, die IV Lucio und van Buyten. Das Spiel beginnt gut, Bayern führt nach 16 Minuten bereits mit 2 Toren. Die Bayern bestimmten das Spiel, Jurgemann grinst. Doch schon in der 25. Minute der Anschlusstreffer, in der 56. Minute der Ausgleich durch Elfmeter. Beide Tore fallen mehr oder weniger indirekt durch viel zu große Räume in Mittelfeld und Abwehr, das Spiel macht wenig Spaß gesehen zu werden.
Quintessenz: Jurgemann grinst, van Bommel bekommt Gelb, ein gewisser Thomas Müller wird eingwechselt, die Automatismen greifen fast.

Neue Woche, Neues Spiel, neues Glück. In Jurgemanns Denkweise wohl auch: Neue Taktische Ausrichtung.
Die Bayern müssen nach Dortmund, treten mit Doppelsechs an (Ottl/vB), die Abwehr bleibt unverändert stabil, Altintop und BS31 flitzen die Flügel entlang, Toni ersetzt Prinz Pipi. Die Euphorie ist groß, der BVB sah letzte Saison nicht gut aus gegen den Rekordmeister. Doch bereits nach 8 Minuten liegen die Roten zurück, finden nie ins Spiel. Die Räume zwischen Abwehr und Mittelfeld sind zu groß, die Stürmer verhungern kläglich. Halbzeit: 1-0, die gelbe Wall freut sich und Jurgemann wechselt. Und zwar defensiv. Man muss ja schließlich gewinnen. (Borowski für Klose) Ist ja auch alles sehr logisch. Aber der Joker trifft, man trennt sich 1 zu 1 unentschieden, Jurgemann grinst.

Als nächstes empfangen die Bayern die Hertha aus Berlin, ein Titelaspirant, von denen ein Sturmlauf im heimischen Stadion erwartet wird. Also 352. Oder doch 541? Sehr trickreich das Alles. Auf jeden Fall beginnt das gesamte Defensiv Bollwerk der Bayern, Lucio-vB-Micho-Lahm-Lell. Das bringt den Gegner bestimmt zur Verzweiflung. Davor Ottl, BS31 und zé Roberto, Kloni im Sturm. Der Kapitän muss auf die Bank. Ist ja auch sinnvoll, die Automatismen müssen immer greifen.
Funktioniert! Bayern gewinnt 4-1, ab jetzt wird die Liga dominiert!
Auch in der Folgewoche wird Kölle 3-0 auswärts zerlegt, die Startaufstellung bleibt gleich. Der Kapitän wieder auf der Bank, das modernste aller Systeme funktioniert perfekt. Eine Viererkette ist ja sowas von vorgestern. Jurgemann grinst.

20. September 2008. Wies'n-Anstich. Wenige Tage zuvor wurde Bukarest im Champions League Eröffnungsspiel souverän mit 1-0 besiegt, ebenfalls im 3-5-2. Nur dass der Kapitän jetzt doch wieder mitmischen darf. München ist heiß, an Bremen soll ein Exempel statuiert werden. Der FC Bayern ist wieder da – schneller. Besser. Automatisierter.
Das System scheint gefunden, an Hitzfeld erinnernd wird aber trotz Erfolgen weiter rotiert. Podolski spielt für Klose, van Bommel ersetzt den Nationalspieler und Erfolgsgaranten Ottl.

An dieser Stelle muss ich zugeben, dass ich das Spiel nicht gesehen habe. Das Spiel wurde von meiner Seite aus im HackerPschorr Zelt auf der Theresienwiese über Live Ticker im Handy verfolgt - ich traute meinem Handy kaum! Werder bestimmte das Spiel und führt nach gefühlt jeder Aktualisierung mit einem Tor mehr? 0 zu 5? Anschlag auf das Oktoberfest? Leckts mich doch, wer hat den Live Ticker gehacked? Was passiert hier?

Die beiden Bayern Tore hab ich dann schon gar nicht mehr mitbekommen.... Hacker sei Dank!

Teil2