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15.05.2011 um 01:16 Uhr
Wer sind die Ultras?
"Wir sind Anhänger einer lebendigen und fröhlichen Pyrotechnik. [...] Und: wir werden sie uns nicht nehmen lassen." Dieses trotzige Statement stammt aus einer Erklärung deutscher Ultra-Gruppierungen, die von ca. 60 solcher Gruppen unterzeichnet wurde. Darin heißt es, dass Pyrotechnik legalisiert werden soll, schließlich wisse man ja um die Risiken und könne sie "auf ein Minimum reduzieren".

Der DFB kontert: "Schon aus rechtlichen Gründen ist eine generelle Freigabe nicht möglich. Schön wäre es, wenn die Fanszenen uns auch ein Signal geben würden, an einem ernsthaften Dialog interessiert zu sein. Das kann nur heißen: Die gültigen Regeln zu akzeptieren und auf Pyrotechnik zu verzichten". Allein an diesem kurzen Einblick erkennt man die verhärteten Fronten und sture Politik - beiderseits.

Wer sind diese Ultras? Warum nehmen sie sich selbst diese Sonderstellung heraus? Der Begriff "Ultra" stammt aus dem lateinischen, es bedeutet "über...hinaus" und "weiter hinaus". Im Fußball trifft das durchaus zu, im positiven wie im negativen...

Geschichte und Herkunft

Nachdem das Phänomen erstmals in Italien um 1950 aufgekommen war, dauerte es eine ganze Weile, bis die organisierten Ultras in Deutschland Fuß fassten. Erst Ende der 80er entstanden in Köln und in Leverkusen die ersten Ultra-Gruppierungen, und es dauerte nochmal über 10 Jahre, bis sie zu den dominanten Gruppierungen wurden.

Es vollzog sich dabei ein Wandel von der englischen Fankultur im Stadion (allgemeines Singen auf bekannte Melodien) hin zur italienischen (Stimmungsmache einiger weniger Gruppierungen im Stadion).

Dabei sollte man zunächst mal mit dem Vorurteil aufräumen, dass Ultras dumm, aggressiv und rückständig sind. "Ultras kommen aus dem Bildungsbürgertum, sehr oft sind sie Studenten", sagt Gunter Pilz, Soziologe, der die Entwicklung der Gewalt in Stadien seit 20 Jahren erforscht, dem fluter-Magazin.

Dabei sind die deutschen Ultras, zumindest im Profifußball, im Gegesatz zu den Ultras aus Italien, in aller Regel nicht politisch motiviert.
Die Ultras in der Bundesliga sind gut organisiert, zielstrebig und verfügen durch Stadionpräsenz über eine entsprechende Bühne, um ihren Forderungen Ausdruck zu verliehen. Darüber hinaus handeln sie stets im Sinne des Vereins - oder?

Legitimation

Die Ultra-Gruppierungen sehen sich selbst als Haupt-Supporter und dementsprechend als größte Fans des Vereins. Folgerichtig wiegt ihre Meinung in deren Augen schwerer als die der "normalen" Fans. Zweifellos sind die Ultras auch die größten Stimmungsmacher, die den Verein treu auf Auswärtsfahrten begleiten und mehr Geld und Zeit als andere Fans in ihren Verein stecken.

Die Frage die sich da aber aufdrängt: Macht sie das zu größeren Fans? Wie man sich als guter Demokrat vorstellen kann: natürlich nicht. Fußballvereine an der Fan-Basis sollten demokratisch sein, jeder Fan ist vom Verein mit den gleichen Rechten ausgestattet. Die Argumentation, dass man mehr Rechte hat, weil man sich intensiver bemüht, ist hierbei ein reiner Selbstzweck.

Genau dieses Selbstverständnis ist eine gefährliche Entwicklung. In München in der Causa Neuer hat man deutlich gesehen, wie Ultras eben nicht ihrer obersten Priorität, nämlich der Unterstützung des Vereins, folgen, sondern sich selbst und ihre Meinung über das Wohl des Vereins und die Meinung der anderen Fans stellen.

Längst sehen die Ultras sich nämlich auch als eigenständige Organisation. Die eigene Leistung, die eigene Performance in der Kurve wird zunehmend wichtiger. Das kann so weit gehen, dass mit Feuerwerkskörpern dem eigenen Verein geschadet wird.

Des Weiteren grenzen die Ultras, die strukturell eigentlich ein Zusammenschluss verschiedener Fanclubs sind, mit solchem Verhalten von den übrigen Fans und Fanclubs deutlich ab, und das bewusst. Das schadet am Ende zum einen dem Verein, der mit einem „gespaltenen" Verein leben muss, und zum anderen aber auch den Ultras selbst, die sich damit ins Abseits stellen.

Ihre Legitimation ziehen die Ultras aus der Stimmung. Sie haben sich selbst in eine Position gebracht, in der sie ein Monopol auf den Support im Stadion haben. Sie stimmen Lieder an, entwerfen die Choreografien und setzen sie um, sie haben die Megafone. Wenn andere Fans sich gegen die Ultras stellen wollen, ist das der Ansatz: Die Stimmungsmache wieder zum Allgemeingut machen.

Die Ziele

Worum geht es den Ultras eigentlich? „Die Kommerzielle Entwicklung bzw. deren rasante Steigerung in den letzten Jahren ist für uns das Kernproblem des modernen Fußballs.", schreibt etwa die Münchner Schickeria auf ihrer Homepage.

„Gegen den modernen Fußball" - ein omnipräsenter Schriftzug in deutschen Stadien. Dabei gibt es verschiedene störende Aspekte. Die überall sichtbaren Sponsoren, die immer mächtigeren TV-Konzerne, oder auch mit Geld um sich werfende Sponsoren.

Außerdem sehen sich die Fans durch die Modernisierung eingeschränkt. So schreibt das Commando Cannstatt, die Stuttgarter Ultras: „Der moderne Fußball nimmt uns Fans immer mehr Freiräume. Egal um was es geht, ob Verbote von Materialien wie Fahnen, Trommeln oder Choreografien bei Auswärtsspielen [...] - alles wird eingeschränkt oder verboten."

Ein besonderer Dorn im Auge ist darüber hinaus die oftmals geringe Identifizierung der Profis mit den Vereinen, immer schneller wird von einer Söldner-Mentalität gesprochen. Dabei ist auch egal, ob ein Spieler wie Neuer 20 Jahre oder wie Sahin 10 Jahre ihrem Verein treu waren. Die Ultras sehen sich als Kämpfer für den in ihren Augen einzig wahren Fußball.

Die Problematik dabei allerdings ist, dass die Werte der Ultras schlicht völlig veraltet sind. Ein Verein, der sich daran halten würde, wäre schlicht nicht konkurrenzfähig, womit wir wieder beim bereits erwähnten Problem wären: Die Ultras stellen ihre Interessen über das sportliche und finanzielle Wohl des Vereins.

Fazit

Man darf nicht den Fehler machen, Ultras mit Hooligans gleichzusetzen. Hooligans sind primär auf Streit, auf Schlägereien mit anderen Hooligans aus und nutzen den Sport nur als Plattform. Ultras dagegen haben meist feste Pläne und Vorstellungen, die sie aufgrund ihrer exponierten Stellung im Stadion öffentlich sehr wirksam zum Ausdruck bringen können.

Die Ultras laufen aber zunehmend Gefahr, ein Verein im Verein zu werden. Sie beharren auf ihren Ansichten und kapseln sich von den andere Fans immer wieder ab. Dieser Entwicklung muss auch von Vereinsseite aus entgegen gewirkt werden, aber genauso wichtig ist die Beziehung zu den anderen Fans.

Die Vereine dürfen nicht den Fehler machen, den Ultras zu viel Macht einzuräumen. Es muss klar sein, dass die Ultras nicht der Verein sind oder dass ihre Meinung, nur weil sie organisiert sind, wichtiger ist als die der anderen Fans. Andererseits sind die Ultras ein wichtiger Bestandteil des Vereins und der Fans - ein schwieriger Spagat für alle Beteiligten, der aber in unmittelbarer Zukunft gemeistert werden muss.
Aufrufe: 9552 | Kommentare: 15 | Bewertungen: 19 | Erstellt:15.05.2011
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KOMMENTARE
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Andre1909
19.05.2011 | 17:39 Uhr
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Andre1909 : 
19.05.2011 | 17:39 Uhr
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Andre1909 : 
Und mal ehrlich, wem ist die Kommerzialisierung unseres Sports denn kein Dorn im Auge? Wer geht denn gerne in die Imtech Arena, die vorher HSH Nordbank Arena hieß und davor AOL Arena??? Gehen nicht alle lieber ins Volksparkstadion, Westfalenstadion etc?!

In der Casa Neuer wird ernsthaft ein STrick daraus gedreht, dass man sich contra Neuer äußert? Hallo? Jeder darf seine Meinung aussprechen! Und es hindert ja auch niemanden daran, etwas pro Neuer auf ein Spruchband zu pinseln und das hochzuhalten.

Auch dass man sich über andere Fanclubs stellt, sehe ich so nicht so, gerade TU hat doch eine Zeit lang die Gelbe Wand Glotze rausgebracht in dem man andere Fanclubs bat sich zu melden um sich dann in der Sendung vorzustellen.
Ein anderes Dingen sind die Stimmungstreffen die organisiert werden, an denen jeder teilnehmen kann und seine Meinung sagen kann.

EIn anderer weiterer Punkt ist das, was zum Beispiel bei uns nach dem Sevillaspiel passierte, dort wurden Borussen von der spanischen Polizei auseinander genommen, wer sammelt seitdem Geld für die Opfer? Richtig TU, die bösen Ultras.
Ein weiteres DIngen in die RIchtung ist in Dortmund der jährlich stattfindene Heinrich-Czerkus-Gedächtnislauf, der von verschiedenen Institutionen des BVB veranstaltet wird und von TU mitgetragen wird und viele Leute zum mitmachen animiert.

Hinzu kommen zum Beispiel Aktionen wie die "Kein Zwanni für nen Steher" Kampagne, wer hat den ernsthaft Interesse an überzogenen Ticketpreisen bei den Fans? Niemand. Wer setzt sich ein? Die ach so bösen Ultras.

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Andre1909
19.05.2011 | 17:39 Uhr
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Andre1909 : 
19.05.2011 | 17:39 Uhr
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Andre1909 : 
Ich erwarte von niemandem, dass er aufspringt und "Juhu Ultras" schreit, doch ein bisschen mehr Toleranz und einen nicht voreingenommenen Blick auf die Sache würde schon extrem helfen und dann kommt man wohl auch zu der Ansicht, dass wahrlich nicht alles schlecht ist was die machen, ganz im Gegenteil.

So ist es zumindest bei mir als BVB Fan.
Ich weiß nicht wie weit das bei jedem anderen Verein ist, doch dann die gesamte Sache ins negative Licht zu stellen ist nicht richtig.
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adriano0589
19.05.2011 | 20:04 Uhr
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19.05.2011 | 20:04 Uhr
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Das mit den großen Shows und Choreos ist natürlich die ganz, ganz positive Seite bei den Ultras. Aber ich denke, wenn ein Verein sie wirklich los werden wollte, könnte er die in den entsprechenden Spielen auch selbst organisieren, bzw. die im Stadion vertretenen Fanclubs (was ja viele sind, auch außer den Ultras).

Dass sich jemand gegen Neuer äußert ist ja völlig legitim. Ihn aber heftigst zu beschimpfen und dabei persönlich und unter die Gürtellinie zu gehen, anstatt zu sagen, dass man Neuer nicht will und ansonsten einfach Kraft/Butt anzufeuern, ist etwas anderes. Ich finde, das ging einfach zu weit. Nicht die Aktion per se, aber die Art und Weise.

Ich wollte auch auf keinen Fall sagen, dass alles negativ ist was die Ultras machen - ich finde aber, dass die Entwicklung, eben dass Ultras sich mitunter über den Verein stellen oder ihm sogar schaden, in eine falsche bzw. gefährliche Richtung geht.
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Römer
22.05.2011 | 20:03 Uhr
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Römer : 
22.05.2011 | 20:03 Uhr
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Römer : 
Ich finde Deine Argumentation ja interessant, aber überzeugen kann man mich von den Ultras nicht. Das liegt wohl daran, dass ich schon in Stadien war, als es noch keine Ultras gab.

Aber ich habe hier eine Aussage es eines Users gefunden, der vieles wiederspiegelt was Du hier schreibst. Es ist der Kommentar von Nekro, ein Ultra von Dynamo Dresden. Man muss dazu sagen, dass der K-Block knapp 9.000 Zuschauer fasst, etwa 1/3 des Stadions welches ausverkauft war.

http://www.spox.com/de/sport/fussball/zweiteliga/saison2010-2011/relegation/dresden-osnabrueck/dynamo-vfl-nachbericht.html
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makaay03
15.07.2011 | 17:29 Uhr
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makaay03 : 
15.07.2011 | 17:29 Uhr
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makaay03 : 
Guter Blog!
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