An das Sommermärchen von 2006 kann sich jeder erinnern. Das Drehbuch ist bekannt. Über dessen Hauptprotagonisten ist genug erzählt, geschrieben und verfilmt worden; Bilder von Klinsis Matchvorbereitungen oder das Jubeln der Youngstars Poldi und Schweini haben sich auf die Festplatte der deutschen Fanseele gebrannt.

Von jener Elf, die 2006 das Eröffnungsspiel gegen Costa Rica bestritt, sind heute noch Miroslav Klose, Bastian Schweinsteiger, Lukas Podolski, Philipp Lahm und (don’t forget) Per Mertesacker aktuelle und für die EM nominierte Nationalspieler.
Verglichen zur Startaufstellung des ersten Spiels der EM gegen Polen 2008 hat sich an dieser Fünfer-Konstellation gar nichts verändert. Einige verdiente Nationalspieler wie Torsten Frings, Jens Lehmann oder Michael Ballack haben sich dagegen zurückgezogen (oder sind zurückgezogen worden), andere wie Clemens Fritz oder Marcell Jansen konnten sich dauerhaft nicht behaupten und ein ganz Spezieller (Mario Gomez) befindet sich (wer weiß, wie lange noch) in der Warteschleife.

Tempores mutantur – die Zeiten ändern sich; das mussten auch Klose, Schweinsteiger, Podolski, Lahm und …. Mertesacker spüren. Klose landete von der van Gaalschen Ersatzbank in die ewige Stadt (und wie!): Veni, vidi, vici – er kam, sah und siegte. Und er verletzte sich. Leider. Zwar ist es für den bald 34-Jährigen nichts Neues, sich auf den letzten Drücker vor einem großen Turnier in Form zu bringen, doch sitzt ihm dieses Mal ein heißblütiger Torrero im Nacken. Mario Gomez. 26 Tore in der Liga, 12 in der CL-League, von Gerard Pique gefürchtet, von Mourinho gelobt. Dieses Mal wird es auch für Klose eng.

Lahm ist seit 2010 Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, ein selbst erklärter Führungsspieler, der das Kollektiv stärken möchte. Lahm wird dieses Jahr 29, er befindet sich im besten Fussballer-Alter. Internationale Bilanz: 2x Championsleague-Finale verloren; 1x EM-Finale verloren, Halbfinale im UEFA-Cup, Halbfinale WM 2006 und 2010. Der Münchner wird genau wie Ballack irgendwann an Titeln gemessen werden…

Für Schweinsteiger gilt im Prinzip dasselbe. Als „emotionaler Leader" soll er die deutsche Nationalmannschaft wie auch die Bayern zu internationalen Titeln führen. Nächste Chance am 01.07. in Kiew. Seine sportliche Entwicklung steht außer Frage. Van Gaal machte ihn zu einem Sechser, der ihn in den Fussball-Olymp hat aufsteigen lassen. Er genießt Respekt und Anerkennung, seine Persönlichkeit ist gereift, blondierte Locken sowie kurze Silbermähnen sind verschwunden, doch eine EM gewinnt man nicht mit hübscher Freundin am Swimmingpool, sondern mit Fitness.Daumen drücken für Basti!

Für Lukas muss ein Traum in Erfüllung gehen: EM in Polen, Deutschland in vermeintlicher Pole-Position, Poldi gesetzt. Doch vielleicht war es das erst einmal das mit der Stammplatzgarantie. Reus, Götze, Schürrle und Draxler machen enormen Druck auf den gebürtigen Gleiwitzer und auch bei Arsenal weht ein anderer Wind als in Köln.

So, wer fehlt noch? Okay, Per Mertesacker. Oder sollte ich lieber über Mats Hummels schreiben? Nein, das möchte ich nicht. Ich schreibe bewusst über Per Mertesacker. Siege gewinnt man in der Offensive, Turniere gewinnt man in der Defensive. Der Spruch nervt langsam und wer glaubt, er würde nicht zu Mertesacker passen, der täuscht sich.
Ohne Zweifel ist Merte der am wenigsten glamouröse Nationalspieler, weder sind seine Trikots Verkaufsknaller noch trifft er sich mit C-Promis um zwei Uhr nachts im Hotelzimmer.
Noch vor einem Jahr titelte der „kicker" „Per und wer?", ein Jahr später fordert der Großteil der deutschen Presse Mertesackers Verbannung auf die Ersatzbank, obwohl er sich bei einem ausländischen Topklub etabliert hat. Eine Tatsache, die zuletzt Markus Babbel bei Liverpool so richtig geglückt ist. Der Londoner ist solide, robust, fair – und erfahren. Seit dem Confed-Cup 2005 spielt der Abwehrhühne sein fünftes (!) großes Turnier mit der Nationalmannschaft.
Sein taktisches Verständnis ist dem von Hummels noch um einiges überlegen und Unkonzentriertheiten kommen in der Summe noch deutlich seltener vor als beim Borussen. Zuverlässigkeit hat Hummels weder in der Champions-League-Saison noch bisher in der Nationalmannschaft vorweisen können.
Als man (mit Mertesacker) bei den großen Turnieren 2006, 2008 und 2010 ausschied, tat man dies lediglich mit jeweils einem Gegentor, an welchen er immer machtlos war. Selber konnte man dagegen kein eigenes Tor erzielen. Die deutsche Mannschaft darf dieses Faktum nicht vergessen, denn es wird gerne auf die Abwehr abgelenkt, obwohl man bislang nicht in der Lage war, in der Offensive gegen Spanien oder Italien Chancen zu kreieren.

Beenden möchte ich den Blog, wie ich ihn begonnen habe – mit einem Zitat von Xavier Naidoo aus jenem Sommer 2006: „And we can’t forget Per Mertesacker, du machtest manchen Stürmer zum Kofferpacker, hast den Job erledigt und dich so verewigt". Cristiano, merk dir das!