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18.01.2009 um 22:01 Uhr
Verwechselt!
Die 90er Jahre brachten eine Reihe einschneidender Veränderungen für den Fußballsport mit sich: Rückpassregel, Golden Goal, Bosman-Urteil und immer neue Restriktionen zum Einsatz ausländischer Spieler. Diese verwirrten die Trainer der deutschen Bundesligaclubs so sehr, dass sie hin und wieder einen Akteur auf den Platz schickten, dessen bloße Anwesenheit einen sicher geglaubten Sieg in einer Sekunde in eine Niederlage verwandelte. Der Wechselfehler wurde gesellschaftsfähig. Hier ein kleiner Blick auf die berühmtesten Verwechsel(ungen) im deutschen Profifußball:

30.9.1992: Leeds United – VfB Stuttgart 4:1
Die Mutter aller Wechselfehler, die den damaligen VfB-Trainer Christoph Daum für mehrere Monate zur Zielscheibe von Spott und Häme machte. Dabei sah es an diesem Septemberabend für den amtierenden Meister sieben Minuten vor Schluss so gut aus. 4:1 lag man bei dem Traditionsverein aus dem Norden Englands zurück und durfte sich doch große Hoffnungen auf ein Erreichen der 2. Vorrunde machen. Dank eines 3:0 im Hinspiel und der mehr erzielten Auswärtstore wäre der VfB bei diesem Stand in die nächste Runde eingezogen. Doch dann leistete sich Daum einen folgenschweren Fauxpas und wechselte einen unbekannten jugoslawischen Verteidiger namens Jovica Simanic ein. Mit dem Schweizer Knup, dem Jugoslawen Dubajic, dem Isländer Sverrisson und Simanic standen nun vier Ausländer für die Stuttgarter auf dem Feld – erlaubt waren damals aber nur drei. Der 4:1-Endstand war gegenstandslos, die Uefa wertete die Begegnung 3:0 für den Gastgeber und ordnete ein Entscheidungsspiel an, das zehn Tage später in Barcelona statt fand. Der VfB verlor diesmal auf dem grünen Rasen und nicht am grünen Tisch: 1:2.

22.5.1993: Bayer 05 Uerdingen – Eintracht Frankfurt 2:5
Horst Heese dürfte zweifelsohne zu den Bundesliga-Trainern gehören, die nur den wenigsten Fußball-Freunden in nachhaltiger Erinnerung geblieben sind. Gerade einmal drei Monate dauerte sein Intermezzo bei der Frankfurter Eintracht, in denen er sich aber gleichwohl einen Eintrag in die Geschichtsbücher sicherte. Denn am 32. Spieltag der Saison 1992/93 widerfuhr ihm ein ähnliches Missgeschick wie Christoph Daum rund acht Monate zuvor. Zu Heeses Ehrenrettung sei gesagt, dass sich die Dinge an diesem 22. Mai unweit komplizierter gestalteten: Die Frankfurter Eintracht begann die Partie in der Grotenburg-Kampfbahn bereits mit vier Ausländern, von denen Slobodan Komljenovic als sogenannter Fußball-Deutscher jedoch nicht unter die Beschränkung fiel. Als sich eben jener Komljenovic nach 20 Minuten verletzte, glaubte Heese nun, gefahrlos einen Ausländer einwechseln zu können. Denn Ausländer für Ausländer, da kann doch eigentlich nichts passieren. Eigentlich! Im Gegensatz zu Komljenovic besaß der eingewechselte Slowake Marek Penksa nämlich keinen Sonderstatus. Und so waren mit Yeboah, Zchadadse, Okocha und Penksa für vier Minuten vier Ausländer auf dem Platz. Als Heese sein Malheur bemerkte, war es bereits zu spät. Die postwendende Auswechslung Penksas vermochte die Niederlage der Frankfurter, die auf dem Spielfeld mit 5:2 die Oberhand behalten hatten, nicht zu verhindern. Die Punkte blieben in Krefeld! Und Heese nicht mehr lange in Frankfurt.

15.4.1995: Eintracht Frankfurt – FC Bayern München 2:5
Ein 2:5 schien Mitte der 90er ein unheilvolles Resultat zu sein. Denn zwei Jahre später siegte erneut eine Mannschaft mit genau diesem Ergebnis auf des Gegners Platz, ohne dafür mit Punkten belohnt zu werden. Diesmal jedoch profitierte die Frankfurter Eintracht von einem Wechselmissgeschick. Leitragende waren die Münchener Bayern, die beim Gastspiel in Frankfurt ab der 72. Minute mit vier anstatt der erlaubten drei Vertragsamateure agierten. Der eingewechselte Hamann komplettierte das Amateur-Quartett um Scheuer, Kuffour und Grimm und sicherte der Eintracht zwei Punkte im Abstiegskampf. Die Bayern, deren Trainer Giovanni Trapattoni von solcherlei Regularien nichts ahnte, kämpften verbittert um den Behalt ihrer Punkte, die sie so dringend im Rennen um einen Platz im internationalen Wettbewerb brauchten. Vergeblich. Auch der juristische Trick des eingeschalteten Anwalts Reinhard Rauball, der den Antrag auf Einsatz eines vierten Vertragsamateurs einfach nachträglich stellen wollte, ging ins Leere. Der DFB lehnte dankend ab. Die Punkte blieben in Frankfurt und die Bayern erreichten dank Glabdacher Schützenhilfe doch noch den Uefa-Cup.

18.5.1996: FC Bayern München – Fortuna Düsseldorf 2:2
Ohne den Einzug in den Uefa-Pokal wäre der nächste Wechsel-Fauxpas nicht möglich gewesen. Denn der ging erneut auf Kosten des Rekordmeisters. Nach dem Gewinn des Uefa-Pokals in Bordeaux, der den ersten internationalen Titel der Münchener seit fast 20 Jahren bedeutete, ließ man es beim FC Bayern mal so richtig knallen. Weißbier und Schampus flossen in Strömen. Selbst der Kaiser hatte so gut getankt, dass er seinen Posten als Interimscoach ruhen ließ und für das bedeutungslose letzte Bundesligaspiel gegen Düsseldorf an seinen Co Klaus Augenthaler abgab. Der war jedoch in angewandter Regelkunde wenig firm und wechselte in der Halbzeitpause gleich viermal aus, was damals wie heute natürlich nicht erlaubt ist. Durch den vierfachen Wechsel gestärkt, machten die Münchener aus einem 0:2-Rückstand noch ein 2:2. Die Düsseldorfer waren zum Saisonende aufgrund des Klassenerhalts jedoch derart milde gestimmt, dass sie auf juristische Schritte verzichteten. Und so geht die Partie vom 18.5.1996 als bislang einziges Bundesligaspiel mit sieben Auswechslungen in die Annalen ein.

26.9.1998: 1. FC Kaiserslautern – VfL Bochum 2:3
Gut zwei Jahre später erwischte es dann einen ehemaligen Bayern-Trainer. Otto Rehhagel wechselte beim Heimspiel gegen den VfL Bochum in der 40. Minute mit Pascal Ojigwe den vierten Nicht-EU-Ausländer neben Samir, Ratinho und Ramzy ein, wurde aber umgehend auf seinen Fehlgriff aufmerksam gemacht. Der erfahrene Trainer-Fuchs reagierte mit der Taktik "Komödienstadl" und befahl Ramzy, eine Verletzung zu simulieren, um ihn dann – ganz unauffällig versteht sich – auswechseln zu können: Hany Ramzy verspürte "plötzlich" ein Ziehen im Oberschenkel und humpelte nur noch über das Feld. Auswechslung unumgänglich. Es kam Harry Koch (O-Ton Jörg Dahlmann "Deutscher geht's nimmer!"). Dem FCK brachte dieses Theater indes nichts – das Spiel war verloren. Ohne dass es jedoch zu einer Entscheidung am grünen Tisch gekommen wäre: Der VfL gewann 3:2 und konnte sich einen Protest sparen. Ein juristisches Nachspiel hatte die Partie dennoch: Thomas Ernst wurde die Einnahme eines in der Dopingliste aufgeführten Präparates nachgewiesen. Der DFB beließ es bei einer Geldstrafe und der VfL behielt die Punkte aus dem (Theater)spiel am Betzenberg.


Absolvierte nur ein Profi-Spiel für den VfB, aber was für eins: Jovica Simanic.
Aufrufe: 26177 | Kommentare: 12 | Bewertungen: 14 | Erstellt:18.01.2009
ø 9.8
KOMMENTARE
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Siled
20.01.2009 | 11:25 Uhr
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Siled : 
20.01.2009 | 11:25 Uhr
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Siled : 
Stimmt, ramzy hat sich ja dann noch ein Handtuch übern Kopf geworfen weil er soviel lachen musste und der junge Ballack saß dagegen und war auch nur ncoh am Dauergrinsen
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xxlhonk
20.01.2009 | 16:34 Uhr
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xxlhonk : Sehr gut
20.01.2009 | 16:34 Uhr
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xxlhonk : Sehr gut
10 Punkte auch von mir.
Sehr schön.
Was mir Angst macht, ist die Tatsache, wie lange das schon her ist...
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