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02.07.2012 um 11:43 Uhr
Tschüss Polen, Tschüss Ukraine!
Das Finale der EM 2012 ist vorbei und Spanien ist letzten Endes verdient gegen ein unglückliches Italien Europameister geworden. Im Nachhinein muss man Mario Balotelli für seine unsympathische Jubelpose nach dem Tor gegen Deutschland fast dankbar sein, sonst hätte man in der zweiten Halbzeit – welch grauenhafte Vorstellung - fast Mitleid mit den Italienern bekommen können. Nun ist es Zeit die Resümees aus dem Turnier zu ziehen und das Kapitel langsam zu beenden. Ein Rückblick

Bwing on the Euwos, Woy

Die Englische Nationalmannschaft ist und bleibt ein Rätsel. Nach der ungeschlagenen, souveränen Qualifikation hätte England eigentlich als einer der Favoriten ins Turnier gehen können. Hätte. Wären da nicht Capellos Rücktritt, Rooneys Sperre für die ersten beiden Spiele, der Streit, ob Ferdinand und Terry zusammen im Kader stehen sollen und unzählige Verletzte gewesen. So lag es schließlich an Roy Hodgson das englische Team zur EM zu führen. So chaotisch die Ereignisse im Vorfeld waren, so vorhersehbar, so typisch verlief die Europameisterschaft schließlich. Man hat das Gefühl, England spielt immer nach dem gleichen Drehbuch: Durchwürgen in der Vorrunde, irgendwann ein Wembley-Tor und zum Schluss das Aus in der englischen Spezialdisziplin des Elfmeterschießens. Man hätte darauf wetten sollen. England verabschiedete sich nach „derselben unvermeidbaren, alten Geschichte" (Daily Mirror) durch die „bekannte Ausgangstür" (Times), aber „at least it´s Wimbledon" (Sun).

In welcher Sprache to interview Mister Giovanni Trapattoni?

Vor dieser Frage stand ein ZDF-Reporter nach dem Spiel Irlands gegen Italien. Dass „Il Tedesco" Deutsch und Englisch ungefähr gleich gut radebrecht schien der Reporter für einen Moment vergessen zu haben. Und so entschied er sich dem Irischen Nationaltrainer seine Frage standesgemäß auf Englisch zu stellen, fürs Publikum aber sofort die deutsche Übersetzung zu liefern. Trapattoni, sichtbar verwirrt dieselben Fragen zweimal in unterschiedlichen Sprachen zu hören, begann schließlich in altbekannter Manier alles zu vermischen: „Italien was more precision".
Ein Satz auf Deutsch, einer auf Englisch, dazwischen etwas Italienisch – so kennt man Trap.
Die ARD machte es am nächsten Abend besser – Bei Tymoshuck zog man das Interview auf Deutsch durch (ab 3:42)

Superheld gesucht

Er hätte der Held der Europameisterschaft werden können. Nach jahrelangem ukrainischem Exil taucht Andrij Shevchenko im ersten Spiel so sehr aus der Versenkung auf, dass die SZ danach leise über Doping mutmaßt.
Jedoch schieden die Ukrainer bekanntlich nach der Vorrunde aus und so wurde es nichts mit dem Heldenstatus bei dieser EM.
Doch wer war nun der Held dieser EM?
Andrea Pirlo hätte es werden können, wäre da nicht das Finale gewesen. Seit gefühlten 30 Jahren im Geschäft zeigte der Italiener, der ohne weiteres in einem Indianerfilm als Häuptling mitwirken könnte, im Herbst seiner Karriere noch einmal seine ganze Klasse. Nach der 0:4 Abreibung fällt es aber schwer, ihn als Helden zu bezeichnen.
Auch von den Siegern aus Spanien bietet sich niemand an – zu eiskalt und emotionslos war ihr Spiel über weite Teile des Turniers. Und so bleiben einem, wenn man das Bild des Helden der EM sucht, eigentlich nur die Fotomontagen vom posierenden Mario „Hulk" Balotelli übrig.

Er kann es ja doch noch!

„Chelsea reach Champions League Final… but most incredible of all: TORRES SCORES", war die Schlagzeile der „Sun" nach dem Triumph Chelseas über Barcelona im diesjährigem Champions League Halbfinale. Seit seinem Wechsel für 60 Millionen von Liverpool zu Chelsea musste Fernando Torres einiges an Spott über sich ergehen lassen. Sprach man vor dem Turnier davon, dass Spanien ohne Stürmer spielen würde, meinte man damit noch eine Aufstellung mit 10 Spielern plus Torres. Tatsächlich spielte Spanien wirklich ohne echten Stürmer und eben jener Torres sicherte sich trotzdem die Torjägerkanone. Und das noch dazu, man mag es gar nicht glauben, als Ersatzspieler. Quasi als Abfallprodukt so nebenbei. Wo bleiben eigentlich hier die Dopinggerüchte?

Siegermentalität oder schlechte Verlierer?

Ein interessanter Unterschied zwischen Deutschland und Italien zeigte sich auch auf den Fanmeilen. Beim Ausscheiden der Deutschen blieb es lobenswerterweise friedlich, die Meisten zogen enttäusch und ruhig nach Hause, andere wollten sich ihre Party nicht entgehen lassen und feierten einfach mit den Siegern. In Italien musste die Übertragung des Finales auf der römischen Fanmeile vorzeitig abgebrochen werden, da frustrierte Fans die Leinwände mit Feuerwerkskörpern beschossen. Von Party war hier keine Spur.
Überhaupt schien für viele Party, nicht der Sport, der Hauptzweck des Turniers gewesen zu sein. Oder wie es im 11Freunde-Liveticker beim Spiel Kroatien gegen Spanien hieß:
„Jetzt ein kroatischer Mann und seine Frau in der Publikumskamera. Interessant: Zwischen ihnen verläuft der Riss, der so auch durch die Fußballkultur geht: Er leidet, sie grüßt. Er versteht, sie nicht. Er will einfach nur pennen und nie wieder aufwachen, sie nachher noch Cocktails trinken gehen. Was heißt Schland eigentlich auf Kroatisch?"

Ein Fest, aber kein Fußballfest

Für tausende war es einfach nur eine tolle Party. Doch gab es auch viele, die während des Turniers immer das Gefühl hatten, dass irgendetwas nicht passt. Es wollte sich kein richtiges EM-Fieber einstellen. Doch was war es?
War es der sympathische Underdog, der völlig überraschend die Gruppenphase übersteht und mit dem man mitfiebern konnte, der fehlte? War es das enttäuschende Abschneiden der Gastgeber? Fehlte den Spielern am Ende einer langen Saison schlicht die Frische, um den Kampf, den Einsatz, die Leidenschaft zu zeigen, die Fans in ihren Bann zieht? Oder will man es doch auf den nüchternen Ergebnisfußball schieben, der die EM dominiert hat? War der ZDF-Fußballstrand schuld? Eventuell gingen ja auch die „Exoten" ab, die bei Weltmeisterschaften das Turnier mit ihrem eigenen Stil Fußball zu spielen bereichern. Eventuell sind sich die europäischen Mannschaften alle doch einfach in den Grundlagen irgendwie zu ähnlich, um zu überraschen.
Gründe mögen sich viele anbieten und welchen auch immer man sich als seinen persönlichen Schuldigen herauspickt, bleibt festzustellen, dass es fußballerisch kein berauschendes Turnier war.

Vielleicht wird’s in zwei Jahren besser – den Satz kennt man als Deutscher ja inzwischen.

Aufrufe: 3244 | Kommentare: 2 | Bewertungen: 2 | Erstellt:02.07.2012
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KOMMENTARE
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Absolut_Pro
02.07.2012 | 12:32 Uhr
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Absolut_Pro : Schöner Blog.....
02.07.2012 | 12:32 Uhr
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Absolut_Pro : Schöner Blog.....
...auch wenn ich nicht alle Ansichten teile. :)

Balotelli´s Körpersprache war einfach einmalig und hat mir vor dem Fernseher großen Respekt abgerungen, obwohl so etwas den gegnerischen Fan i.d.R nervt. "Heute geht nichts mehr Jungs" und so war es dann auch. Schneid abgekauft.

Warum England, dass seit 1966 mit Ausnahme von 1990 nie wirklich was gerissen hat und seit Jahren nur Rückschritte feiert in ihrer Fußball Kultur, immer zum Favoritenkreis gezählt wird, versteh ich nicht. Auch mit einem kompletteren Kader. Natürlich gab es auch in England hoffnungsvolle Generationen, aber Einzelspieler hin oder her, selbst da stellen andere Nationen einfach bessere. Wenn es wichtig wurde konnte sich England nie durchsetzten. Hat auch was mit Unvermögen zu tun.

Das runterputzen von Torres ist ja vergleichbar mit dem Spiel das mit Gomez betrieben wird.

Es heißt immer die Jungs müssen das aushalten, in einigen Beispielen gerade Torres und auch Gomez, fand ich die Behandlung von Medien und Fans äußerst Grenzwertig. Das ein Torres Fußball spielen kann, weiß man ja. Auch ein Gomez trifft wenn die Birne frei ist. Belastet die Spieler wohl doch mehr als man denkt. Jetzt ist Torres wieder Europameister und vergleicht man das Endspiel und seine Aktionen aus Spiel 1 gegen Italien, versteht man das sensiblere Spieler einfach Mut und Selbstvertrauen brauchen um Top Leistungen zu bringen.

Bei der EM Stimmung gebe ich dir recht. Mir kam das Turnier irgendwie klinisch und steril vor. Das die Gastgeber mal wieder in der Vorrunde ausgeschieden sind, war sicher ein Faktor. Irgendwie lief alles zu sehr nach Plan. Ein nötiger Sieg in Spiel 1. Dann noch Holland bezwungen, dennoch konnte mann sich kaum freuen, die Dänen haben das ja auch geschafft. Überraschungen gab es keine, Kroatien hätte eine werden können, nur hatten die beide Finalisten in der Gruppe. Gruppe A und D waren uninteressant. Auch weil man schnell feststellen musste, dass die Gastgeber sich wieder komplett einen abbrechen.
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pie_d_oro
03.07.2012 | 12:58 Uhr
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pie_d_oro : 
03.07.2012 | 12:58 Uhr
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pie_d_oro : 
Uneingeschränkte Zustimmung gebe ich dir mit der EM-Stimmung.

Man war zwar schon irgendwie dabei und hat mitgefiebert bei dem einen oder anderen Spiel aber der Funke ist nie so richtig übergesprungen.

Auf den Fanmeilen das gleiche, irgendwie alles zu zwanghaft die ganze Fröhlichkeit.

Wenn man jeden billigen Sieg unbedingt feiern muss wie einen Titel, nutzt sich die Feierei bald ab. Echte Freude wird dann gar nicht mehr entstehen wenn es angebracht ist.

Das bringt mich gleich zum nächsten Punkt.

Auf den Tribünen sitzten größtenteils nur noch die besserverdienenden Event-Fans, die eine perfekt durchchoreographierte Show bekommen. Ich fühle mich fast schon wie beim Super-Bowl, nur dass Fußball gespielt wird.

Alles ist vorgegeben, wie soll denn da mal Raum für Kreativität der Fans oder der teilnehmenden Bevölkerung entstehen? Aber leider greift auch hier der Kontrollwahn um sich.

Das könnte man auch gut auf den Fußball übertragen. Es wird ja eigentlich nur noch Trainerfußball gespielt. Taktiert, analysiert bis zum geht nicht mehr. Heraus kommen dann so Spiele wie Spanien-Portugal.

Wenn ich höre, dass 500-Seiten-Dossiers für einen Gegner namens Griechenland erstellt werden...da stimmt doch die Relation ganz einfach nicht mehr.

Eine schöne Ausnahme dagegen die Italiener mit echter Leidenschaft und einem Schuss Anarchie zumindest im Sturm.

Soweit meine 2Cents...
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