RB Leipzig Tradition gegen Kommerz oder was?

In letzter Zeit keimt allerorts wieder eine emotional geführte Diskussion auf, was die Berechtigung von Rasenball Leipzig im Profifußball angeht. Beliebtes Argument der Pro-Seite sind Vereine wie Hoffenheim, Leverkusen oder Wolfsburg, während die Gegenseite einen Mangel an Tradition moniert, Leipzig nehme Traditionsclubs den Platz in den oberen Ligen weg.

Tradition ist mir in dieser Sache wirklich sorry scheißegal.

Mich persönlich stört weder, dass Leipzig nicht 1846 gegründet wurde (eigentlich bin ich sogar froh, aber dazu später mehr), noch die Philosophie, mit jungen Spielern guten Fußball zu spielen. Ich habe mir damals auch die erste Hinrunde der Hoffenheimer, diverse Champions League Nächte in Leverkusen oder eine brillante Wolfsburger Meistermannschaft angesehen.

Was mich aber erheblich stört, ist wenn beispielsweise diese Vereine mit Leipzig in einen Topf geworfen werden. Da könnte ich wirklich am Rad drehen. Das kann ich nicht mehr hören. Gut, Dietmar Hopp hat einen Bauernclub mit genug Geld in die Bundesliga geführt. Und ja, die werden wir so schnell auch nicht wieder los. Aber ihm ging es darum, seinen Verein zu etablieren und eventuell der Vater etwas ganz Großem zu sein. Nur war und ist der gute Mann in der Gegend verwurzelt und möchte der Region nach den kläglichen Abstiegen von Waldhof Mannheim und Konsorten wieder einen Bundesligisten schenken. Hat er geschafft, meines Wissens finanziert sich der Club seit geraumer Zeit selbstständig, keine Zusatzkohle. Mein Argument hier aber ganz klar, Ortsbezug: Auch RB schreibt sich auf die Fahnen, dem Osten einen Club schenken zu wollen. Natürlich hat der Club schon allein deshalb eine riesige Fanbasis, weil der Osten nach einem erfolgreichen Fußballclub seit Jahren lechzt. Hansa Rostock, Dynamo Dresden, Energie Cottbus, allesamt von der Landkarte verschwunden, da möchte man es den armen Menschen in der Ostzone doch gönnen, in einem riesigen Stadion auch mal gegen die Bayern zu spielen. Am Arsch geleckt.

Natürlich liegt der Osten brach, natürlich gibt es Strukturen wie in Leipzig bei manchem Bundesligist nicht. Und natürlich erkennt Red Bull das, alles andere wäre fahrlässig. Es muss jedoch erlaubt sein, auch mal zu hinterfragen mit welchen Beweggründen die Macher an die Sache herangehen. Und kurz darüber nachzudenken, ob der Verein ein Geschenk an den Osten sein sollte oder der Osten eher geschenkt für Red Bull, sollte zumindest erlaubt sein. Der Brausekonzern konnte sich ins gemachte Nest setzen, wohl wissend dass Fans und Stadion bereits bereit stehen. Nicht einmal einen neuen Verein gründete man, einfach die Lizenz eines bestehenden Clubs kaufen und diesen mit dem eigenen Namen versehen. Geht meiner Meinung nach garnicht. Wenn dann doch bitte auch von ganz unten anfangen und die sowieso schon rasante Entwicklung nicht noch mehr beschleunigen. Deswegen finde ich übrigens auch Hoffenheim weit sympathischer, die rennen auch nicht als Mensch gewordene Werbebande rum. Ich glaube auch dass Leverkusen Bayer nicht erst seit ein paar Jahren im Namen hat. Richtig, in 20 Jahren ist das bei RB auch nicht anders. Argumentationslücke. Shit.

All die genannten Mäzenvereine haben RB etwas voraus, was auch nicht aufzuholen sein wird. Ich rede nicht von Tradition, ich rede von Glaubwürdigkeit. RB ist keine Bedrohung für die Tradition, kann sogar eine Bereicherung für die Bundesliga sein. Aber macht es mir Spaß, bei meinem Manager Spiel mit unendlich viel Geld (kann man denke ich so sagen) unten anzufangen und der Konkurrenz allein dadurch schon voraus zu sein? Natürlich wird auch solide gearbeitet, was RB macht hat Hand und Fuß. Aber welcher Viertligist kann denn auch von sich sagen, dass Ralf Rangnick (Hoffenheim, ich weiß) das Sagen hat und kann Spielern sagen wir auch mal ein wenig mehr Gehalt bezahlen? Und plötzlich kommen die Spieler, der Erfolg, alles. Von allein. Nur dass Hoffenheim in Liga Eins irgendwann eingesehen hat, dass man nicht mit Geld um sich werfen will und sich besonnen hat. Die Ansagen von RB, wonach den Bayern mittelfristig die Spitze abgejagt werden soll lassen derartige Vernunft nicht vermuten. Viel mehr könnte es wirklich eines Tages so kommen.

Was das Argument angeht, der Osten brauche RB. Ich weiß nicht inwiefern ich einen Club brauchen könnte, der in der ganzen Umgebung aggressiv Jugendspieler abwirbt (und auch in der nicht näheren Umgebung), das tut dem Fußball im Osten aber mal sowas von garnicht gut! Leipzig frisst also quasi den Ostfußball und bündelt alle Potenziale der Region. Gut gemacht das Ganze, muss man anerkennen.

Super finde ich es, wie sich Red Bull in Extremsportarten einbringt. Sportarten, die zwar einen Werbeeffekt für Red Bull haben, aber denen das Geld auch gut tut. Solche Sparten können Red Bull brauchen, die Bundesliga hat bereits genug Geld, danke für das Angebot, aber Nein, danke!

Kleine Anmerkung noch: Ich komme aus Heidenheim, ihr wisst schon, Drittligameister, vor Red Bull letztes Jahr. Der Verein hat auch eine sehr rasche Entwicklung von der Verbandsliga in die zweite Bundesliga gemacht.

Auch höre ich oft: Retortenklub, ihr seid doch genau wie RB. Widerlich sowas braucht niemand!

Nun ja, informieren eventuell. Es ist schon etwas anderes, mit einem ehemaligen Spieler als Trainer, demselben Manager seit Jahren, dem langsam aufgebauten Stadion und einer Hand voll junger deutscher Spieler den Weg nach oben zu nehmen. Unterstützt von jedem achso kleinen Unternehmen in der Umgebung und ohne Millionentransfers kann so etwas schon einmal klappen. Aber bitte die Vergleiche lassen, das ist ein wenig lächerlich.

Scheiss Emotionen, wieder was rausgerotzt.

Soll aber eigentlich nur ein paar Diskussionspunkte liefern das Ganze, hätte gerne mal mehr als "Neider!" und "Scheiss auf eure Tradition, dafür bist du eh zu jung". Danke.