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07.01.2008 um 11:00 Uhr
Süchtige und Schutzmaßnahmen
Die Frau meines Nachbars hat ein Problem. Sie kann an keinem Schuhgeschäft vorbeigehen. Im vergangenen Jahr hat sie mehr als 90 Paar Schuhe gekauft. Alle Indizien sprechen dafür, dass sie konsumsüchtig ist. Aber sie ist nicht alleine; etwa 200.000 andere Deutsche teilen ihr Problem. Und nicht zu vergessen die 25 Millionen süchtigen Raucher, die 8 Millionen Alkoholiker, und natürlich, die 300.000 süchtigen Spieler. Und nicht zu vergessen die Gruppe der Drogen- und Medikamentenabhängigen, die Sexsüchtigen, und so weiter.

Aber die Gruppe, über die derzeit ständig in den Medien diskutiert wird, ist die der Spieler. Vor März 2006 waren sie kein Problem, allenfalls eine Randnotiz einer Zeitungskolumne. Doch am 28. März 2006 entschied das Verfassungsgericht der Bundesrepublik Deutschland, dass die einzig legitime Möglichkeit, ein Glücksspielmonopol zu rechtfertigen, der Schutz der süchtigen Spieler sei. Die zweite Option, die das höchste deutsche Gericht vorgab, war die Liberalisierung des Marktes, indem Lizenzen an private Unternehmen zu vergeben seien. Aber die Mehrheit der Politiker in ihrer unendlichen Weisheit und unter massiver Beeinflussung der Lobbyisten beschloss, das Monopol für den Staat zu erhalten.

Mehrere tausend Menschen verloren ihren Arbeitsplatz, die Steuereinnahmen sanken. Als unabhängige Wirtschaftsforschungsinstitute errechneten, dass die Einnahmen aus dem Glücksspieltopf ohne die bisherige Werbung um 20 bis 25 Prozent sinken würden, reagierten einige unserer Politiker sehr schnell. Traditionell wurden diese Mittel benutzt, um Sportaktivitäten sowie kulturelle und soziale Projekte zu fördern und zu finanzieren. Also, sagten sie, wenn die Einkommen der Staatshaushalte sinken, können wir diese Projekte eben nicht mehr unterstützen. Inzwischen förderten private Unternehmen hunderte Freizeitsportvereine, sponserten sie mit Trikots, Schuhen, und andere Sachen. Das ist nicht legal, schrien die örtlichen Behörden. Und während die Spieler eines Fußballvereins in einem kleinen Dorf trainierten, kam die Polizei und zwang sie dazu, ihre Trikots auszuziehen, weil darauf „Bwin" zu lesen war.

Mit der Zeit erkannten die Politiker, dass es vielleicht nicht so eine gute Idee war, die gesamte Werbung für Glücksspiele zu verbieten. Also interpretierten sie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ein klein wenig anders. Vielleicht, so mutmaßten sie, war nur die Werbung von privaten Unternehmen schlecht und gefährdete die süchtigen Spieler, während die staatlichen Anzeigen gut seien und Schutzmaßnahmen darstellten. Wenn man sein Radio einschaltet, gibt es immer noch jede Menge Jackpot Ankündigungen der staatlichen Lotterie und Werbespots, wie spannend es ist, täglich Keno zu spielen. Natürlich ist dies keine Werbung - es sind nur „Verbraucherinformationen".

Mit all diesen Maßnahmen wurde es leicht absehbar, dass massive Teilbeträge der Gelder, die früher in Deutschland ausgegeben wurden, jetzt ihren Weg zu ausländischen Glücksspielanbietern fanden, meist auf dem Wege des Internets. Dies muss aufhören, dachten die gleichen Politiker und suchten in ihrer unendlichen Weisheit einen Weg, wie man es bewerkstelligen könnte. Warum zwingen wir die Internet Provider nicht dazu, alle IP-Adressen von ausländischen Unternehmen der Branche zu blockieren?

Liebe Politiker, ihr vergesst dabei, dass dies noch nicht einmal in der Islamischen Republik Iran funktioniert, warum also sollte es in Deutschland gehen? Und, wenn endlich das Problem mit den süchtigen Spielern in Deutschland beseitigt ist, gibt es noch viel mehr zu tun. Alle anderen Gruppen von Süchtigen müssen natürlich auch geschützt werden. Das Patentrezept hat unser Staat ja schon gefunden: Alles wird verstaatlicht und monopolisiert! Der Vertrieb von Zigaretten, Alkohol und Medikamenten, Konsumgüter wie Schuhe und Kleidung natürlich auch, weil die Kaufsüchtigen geschützt werden müssen. Ganz besonders spannend wird es beim Schutz der Sexsüchtigen. Um diese Gruppe zu schützen, darf dann vermutlich in Deutschland Sex nur noch mit eigens dafür angestellten Staatsdienerinnen und Staatsdienern praktiziert werden, alles andere wäre in höchstem Maße illegal. Eine kleine aber feine Gruppe zu schützen, wurde auf dem langen Weg der Kontroll- und Fürsorgemanie allerdings vergessen: Es sind die vielen Automatenspieler, die Monat für Monat ihr Einkommen an den Groschengräbern in den Eckkneipen oder Spielhallen verzocken. Diese Gruppe stellt immerhin rund 260.000 der 300.000 Spielsüchtigen in Deutschland dar und wird bei den vielfältigen Bemühungen um Spielerschutz mit keinem einzigen Wort in die Planung und Gesetzgebung mit einbezogen.

Wurden die einfach nur vergessen oder haben die Automatenhersteller vielleicht eine sehr starke Lobby im Hintergrund? Wenn ich etwas hasse, dann ist es diese Art verlogene Doppelmoral, mit der hier vorgegangen wird. Die Perversion des neuen Staatsvertrages zum Glücksspielwesen zeigt sich an allen Ecken und Enden. Während Bwin nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Sachsen weiterhin als privater Anbieter von Sportwetten tätig sein darf und Wetten von Deutschen annehmen darf, sofern sie sich auf dem Gebiet der ehemaligen DDR aufhalten, ist dies dem anderen Teil der Nation verboten.

Wurde da nach 17 Jahren deutsche Einigung wieder eine neue Mauer errichtet? Das Verwaltungsgericht Hamburg hat dies erkannt und verlauten lassen, dass Bwin in ganz Deutschland (soweit dies Hamburg betrifft) seine Wetten anbieten kann. Und das Verwaltungsgericht Bremen sieht dies völlig anders: Hier wurde Bwin die Tätigkeit für ganz Deutschland rumdum verboten (soweit das Bremen betrifft). In Bremen war die Firma ja ganz gefährlich aktiv, schließlich waren sie Trikotsponsor von Werder Bremen.

Ganz andere Töne kommen jetzt jedoch aus einer unvermuteten Ecke. Der Chef der Landeslotteriegesellschaft Rheinland-Pfalz, Hans-Peter Schössler, bezeichnete in einem Interview mit dem Wiesbadener Tageblatt den seit 1. Januar 2008 gültigen neuen Staatsvertrag sinngemäß als Auslaufmodell und pochte dabei auf einen kleinen Nebensatz, der sonst bisher nirgends erwähnt wurde: Mit dem neuen Staatsvertrag gibt es eine Übergangsfrist von einem Jahr, welche die Tätigkeit unter den alten Bedingungen weiterhin zuläßt.

Er hat auch allen Grund dazu, dies expizit zu erwähnen. Die Landeslotteriegesellschaft Rheinland-Pfalz ist nämlich nach wie vor in privater Hand und dies ist illegal. Lustig wird es auch in Niedersachsen. Dort hat man gleich mal alle Spielbanken an die Casinos Austria verkauft. Mit dem Kauf wurde der Firma auch gleichzeitig das Recht angedient, ein Internet-Casino zu betreiben. Auch das wäre nach dem neuen Staatsvertrag illegal. Wenn Casinos Austria jetzt kein Internet-Casino betreiben darf, steht ihnen logischerweise Schadensersatz zu. Und wer wird wohl die Zeche bezahlen? Natürlich wir.

Euer Michael von free-888.com
Aufrufe: 3427 | Kommentare: 0 | Bewertungen: 4 | Erstellt:07.01.2008
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