So, nun ist es offiziell:

Eduardo da Silva vom FC Arsenal wurde für seine Schwalbe im Champions-League-Quali Rückspiel gegen Celtic mit einer 2 Spiele Sperre von der UEFA belegt.

Ohne Frage hat sich Eduardo falsch verhalten, dennoch ist es international der erste Fall, in dem ein Spieler gegen die Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters gesperrt wurde. Es wurde also ein Exempel statuiert und somit ein Präzedenzfall geschaffen, der zu vielen weiteren Verurteilungen führen kann. Also lohnt es sich darüber zu diskutieren...


Zunächst erstmal zur aktuellen Situation: Es ist das Rückspiel in der letzten Qualifikationsrunde zur Champions League, es geht für die Vereine um Millionen. Der FC Arsenal gewann das Hinspiel in Glasgow etwas glücklich, aber nicht unverdient mit 2:0 und gibt auch im heimischen Emirates den Ton an. Es ist die 27. Minute. Eduardo erhält an der Straufraumgrenze den Ball, legt ihn am Verteidiger vorbei, überläuft ihn in hohen Tempo und taucht so alleine vor Celtic-Keeper Artur Boruc auf. Der Pole stürmt ihm entgegen, Eduardo spitzelt den Ball an ihm vorbei und geht zu Boden. Schiedsrichter Manuel Enrique Mejuto Gonzales zeigt auf den Punkt. Auf den Fernsehbildschirmen der Welt wird die Wiederholung eingespielt. Jeder sieht es in der ersten Einstellung - es war ein klare Schwalbe. Boruc ist außer sich, redet wütend auf den Kroaten ein. Eduardo bleibt cool und verwandelt sicher zum 1:0. Am Ende wird Arsenal 3:1 siegen und somit nach nackten Zahlen problemlos in die CL einziehen. Für die tapferen Hoops bleibt nur die Europa League.

Am nächsten Tag ist der Aufschrei vielerorts groß. In vielen Medien wird Eduardos Aktion heftig kritisiert. Die UEFA kündigt Ermittlungen an. Man fragt sich: Wo waren alle die Schreiberlinge in den letzten Jahren? Schließlich war das nicht die erste Schwalbe im englischen Fußball, aber definitiv die von den englischen Medien am heißesten diskutierteste. Bei vielen Arsenal-Fans drängt sich der Verdacht auf: Bei einheimischen Spielern wie Rooney oder Gerrard, die auch in Strafraumnähe gerne mal freiwillig den Kontakt zum Boden suchen, hätteste es diese Welle nicht gegeben.

Arsenal-Trainer Wenger sprach im Interview mit Sky direkt nach dem Spiel von einem Elfmeter, der wohl keiner war und ahnte da wahrscheinlich noch nicht, mit welcher Wucht die Presse am nächsten Morgen auf Eduardo und Arsenal treffen würde. Wenger äußerte sich daraufhin bei der Pressekonferenz zum Thema, indem er sich auf Eduardos schwere Verletzung berief nach dem brutalen Foul von Birminghams Taylor. Er vermutet, Eduardo habe wohl einem Zusammenprall mit Boruc aus dem Weg gehen wollen, da die Verletzung noch nicht vollends aus seinem Kopf sei. Er wollte wohl nicht primär einen Elfmeter schinden. Wenger kündigte trotzdem an, mit dem Kroaten über den Vorfall reden zu wollen. Doch sein Fokus liegt bereits woanders.

Am darauffolgenden Wochenende spielt Arsenal bei Titelverteidiger Manchester United. Arshavin trifft zur Führung für die dominanten Gunners. Dann ein Steilpass durch die Nahtstelle der Arsenal-Abwehr. Rooney spritzt in den Ball, legt ihn sich viel zu weit vor, Almunia rauscht ihm entgegen, Elfmeter! Auch hier wird nach der Wiederholung viel diskutiert. Es ist nicht so klar wie Eduardos Fall zuvor, denn Almunias Hände berühren Rooney klar, doch der ist schon längst im Fallen, sich wohl der Situation bewusst, dass er den Ball nicht mehr erreichen wird. Auch hier verwandelt der Gefoulte selbst und ManU siegt 2:1. Man könnte also von ausgleichender Gerechtigkeit sprechen, doch zu diese Szene werden die englischen Medien schweigen. Eduardo wurde übrigens nach seiner Einwechselung gnadenlos ausgepfiffen, während Rooney zum Helden des Tages avanciert.

Ironischerweise wird auch Celtic an diesem Wochenende wieder mit dem Thema Schwalbe konfrontiert. Doch Aiden McGeady braucht wohl noch etwas Nachhilfe bei den Kollegen aus London und Manchester. Er fliegt nach einer Flugeinlage mit Gelb-Rot vom Platz. Lobend sollte hier auch noch Celtic-Trainer Mombray erwähnt werden, der nicht auf den Zug aufsprang und die Schuld für das Ausscheiden beim Schiedsrichter oder Eduardo suchte und stattdessen Arsenal in höchsten Tönen lobte und feststelle, dass man wohl in dieser Saison nicht wieder auf ein solch starkes Team treffen werde. Bei insgesamt 3 abgegebenen Schüssen auf das Arsenal Tor in Hin- und Rückspiel zusammen nicht unverständlich.

Nun folgte heute also der vorerst letzte Akt der Saga: Die UEFA teilte trocken mit, dass der Spieler Eduardo für 2 Spiele gesperrt ist. Offizielle Begründung: Täuschung des Schiedsrichters. Dieser Paragraph ist neu in den Statuten und fand das erste Mal Anwendung. Bleibt die Frage, ob solch eine harte Strafe gerechtfertigt ist. Der einzige vergleichbare Fall ist wohl Dida's legendärer Fall im Champions-League Spiel gegen... - richtig - Celtic! Dida's Versuch einen Spielabbruch zu erzwingen misslang und auch er wurde 2 Spiele gesperrt. Doch kann man eine Schwalbe, die zu einem Elfmeter führt, mit einem provozierten Spielabbruch vergleichen?

Mit der Sperre von 2 Spielen wird der Sachverhalt einem grob unsportlichem Verhalten gleichgesetzt, also einer roten Karte. Stellt sich die Frage, ob Schwalben in Zukunft mit Rot bedacht werden sollten. Ich denke nicht. Bei dem hohen Tempo ist es für den Schiedsrichter enorm schwierig zu erkennen, ob es einen Kontakt gab. Eine Fehlentscheidung würde die Mannschaft des vermeintlichen Schwalbenkönigs zu stark benachteiligen. Ich verdenke es auch keinem Spieler - besonders nicht Eduardo - wenn er, statt einen heftigen Zusammprall in Kauf zu nehmen, ausweicht. Auch hier stellt sich die Frage, ob sowas überhaupt eine Schwalbe ist, wenn ein Spieler durch ein Tackling, welchem er ausweicht, also wenn keine direkte Berührung vorliegt, aus dem Rhythmus kommt und fällt. Fragen über Fragen.

Die UEFA untergrub damit auch einen Grundsatz der Sportgerichtssprechung - der Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters. Schon oft wurden Verfahren nach Ellbogenchecks o.ä. deswegen aufgehoben. Denn wenn der Schiedsrichter die Situation so gesehen hat, kann sie nicht mehr angefochten werden. Sonst würde wohl jedes zweite Spiel vor einem Richter landen. Mejuto Gonzales sah ein Foul an Eduardo und pfiff, die UEFA-Exekutive sah dies nun anders. Es ist also möglich, dass dieses erstes Urteil weitreichende Konsequenzen in der Sportgerichtsbarkeit haben könnte.

Ich frage mich, warum man als Schiedsrichter in einer strittigen Szene oder wenn die Spieler der bestraften Mannschaft so energisch protestieren nicht einfach den Spieler Eduardo fragt, ob Boruc ihn berührt hat. Sagt er ja, und alle TV-Bilder widerlegen ihn, ist eine Sperre absolut gerechtfertigt. Sagt er nein, und Wenger hat mit seiner Vermutung recht, geht das Spiel weiter, Arsenal zieht wahrscheinlich trotzdem souverän in die CL ein und alle sind zufrieden - nur die englischen Tabloids hätten wohl weniger zu schreiben.