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30.06.2009 um 22:59 Uhr
Placebo Sport
Die blonden Ex-Ratiopharm-Zwillinge könnten kaum besser umwerben, was sich momentan mit dem Krisenschmerzmittel Profisport an Wunden der gekränkten Weltbevölkerung heilen lässt. Die neu ernannten Weltenretter heißen UEFA Champions League und Wimbledon. Sie wirken beruhigend und euphorisierend zugleich, welch Wundermittel gegen den Kummer in Zeiten der Krise, doch ist das wirklich die Rettung auf Rezept?

Das Wunder von Johannesburg
Die Aufmerksamkeit, die momentan Sportübertragungen zuteil wird, sucht ihresgleichen. In großer Regelmäßigkeit verfallen wir dem jeweiligen Lieblingssport und dem persönlichen Favoriten, aber die fast schon allgegenwärtige Sympathie für Sport im großen Format ist selten so anziehend wie in wirtschaftlich schlechten Zeiten. Wir verfangen uns in Planspielen der Symbolik, urplötzlich erklären Kommentatoren Spiele zu Schicksalsbegegnungen für ganze Staaten. Die Wichtigkeit des sportlichen Erfolgs und dessen Auswirkungen auf die Bevölkerung ist nie so bedeutsam wie in Krisenzeiten. Daran ist auch rein gar nichts verwerflich, es ist sogar positiv. Optimismus hat noch niemandem geschadet, ein gutes Beispiel dafür wäre wohl die Mentalität der Amerikaner (bis vor kurzem). So sehen wir uns (trotz vieler persönlicher Sorgen) voller Erwartungen und Freude die Spiele unserer Helden an, leben in schwer zu beschreibender Euphorie für das nächste Highlight, nur um die eigenen Probleme für einen kurzen Moment vergessen zu machen. Sport ist unglaublich wichtig und zugleich mit wenigen Ausnahmen eines der wenigen, kurzzeitig heilenden Gegenmittel gegen übermäßigen Pessimismus '09.

I got 5 on it
Einzig eine Nebenwirkung bleibt, wenn wir uns dem nächsten Gipfeltreffen hingeben: Bodenhaftung geht verloren. Schnell werden Regeln wie "Es ist alles nur ein Spiel" vergessen, weil das Verlangen nach Erfolg uns abhängig macht. Die Bilder der nach der Niederlage gegen die brasilianische Auswahl in sich zusammenfallenden Squadra Azzurra-Fans zeigen zwar grundsätzliche Gefühle der Anhänger, aber auch, was passiert, wenn Sport überbewertet wird. Erfolg ist nicht erzwingbar, die Beine auf dem Platz laufen selbständig, auch wenn viele es anders empfinden. Dieses Wundermittel kann in tiefe Identifikationskrisen stürzen, was auch ein grundsätzliches Problem des Sports geworden ist, weil mittlerweile viel zu viel in Ergebnisse und Spiele interpretiert wird. Unter den aktuellen Begebenheiten ist es allerdings um einiges schwieriger diese Krisen mit persönlichen Erfolgen auszugleichen, weshalb ein Griff zur Fernbedienung einige, kleine Wunden heilen lässt. Das spricht nicht unbedingt für die Krisentablette Sport, aber alternativ bleiben höchstens Nachrichten, Reality Soaps oder Privatinsolvenzen 24/7. So oder so informieren wir uns heute viel intensiver über mögliche Risiken und Niedergänge ganzer Branchen, weil wir um unsere Zukunft fürchten. Live-Übertragungen aus Afrika, England oder Schweden können da etwas Ablenkung verschaffen, die sehr willkommen ist, selbst wenn es dann stellenweise zuviel des Guten ist.

Sportliche Wahlversprechen gegen die Krise
Vielleicht täuscht es etwas über die eigentliche Entwicklung hinweg, allerdings wird Profisport im Zusammenspiel mit der Presse immer mehr zu einem Polit-Talk mit kleiner Opposition, bei dem unglaublich viel Lobbyarbeit geleistet wird. Die momentane Krise haben einige Vereine wohl zum Anreiz genommen, den nachfolgenden Leitsatz vieler Unternehmensvorstände zu verinnerlichen: "Wir werden gestärkt aus der Krisen gehen". So zerdiskutieren sie den Sport, betrauern sich selbst und machen es quasi unmöglich den heiß geliebten Sport in den Mittelpunkt zu stellen. Zu schnell schwenkt die Kamera um, der Krawattenträger kommt zu Wort und schon geht es um wirtschaftliche Erfolge, die den Krisen geschüttelten Fan des Sports gar nicht mehr interessieren, denn genau diesen Themen weicht er ja bekanntlich aus. So manches Mal kann man nicht mehr unterscheiden, ob Rasenschach auf dem Spielfeld oder vor den Sponsorenaufstellern zum guten Ton dazugehört.


Sport hat zwar, wie aufgezeigt, Nebenwirkungen als Krisenschmerzmittel, ist aber ohne Einschränkungen weiterzuempfehlen, denn eins ist klar:
Solange der Ball rollt, ist alles in Bewegung.


In diesem Sinne,

tobzzzzn
Aufrufe: 2881 | Kommentare: 21 | Bewertungen: 11 | Erstellt:30.06.2009
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KOMMENTARE
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midget
02.07.2009 | 00:01 Uhr
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midget : 
02.07.2009 | 00:01 Uhr
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midget : 
es reicht!
ticket ist schon gebucht ;)

@tobz.
für mich kann das alles so bleiben, du musst dich nicht verbiegen, du erreichst die community mit deinen blogs! das ist toll.
wie die bewertungen , kommentare und auch das teasing zeigen.
also mach weiter und vielleicht haut mich einer deiner kommenden blogs voll von den socken...!
ist nichtmals auszuschliessen ;)
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