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11.04.2011 um 20:56 Uhr
Philosophie vs Erfolg
Wenn man nach den beiden Amtszeiten von Jürgen Klinsmann und Louis van Gaal in München ein Wort erst mal nicht mehr hören kann, dann ist das wohl das Wort "Philosophie". Aber was hat es mit der Spielphilosophie und einer Philosophie im Verein auf sich? Braucht man eine Philosophie, um erfolgreich zu sein? Macht sie Erfolg einfacher?

Spricht man von einer Spielphilosophie, kommt im gleichen Moment "Barca" in den Sinn. Eine Philosophie in einem Verein muss wachsen und fruchten, ein Prozess, der schon per Definition mehrere Jahre braucht.

Das Maß aller Dinge - heute

Am einfachsten erscheint es, sich zunächst am aktuellen Musterbeispiel zu orientieren. Der FC Barcelona war in den 70ern in einer heiklen Situation. Das Land litt unter der Franco-Diktatur und Barca war das Symbol für Unabhängigkeit.

Als dann Real den Star der EM 1972, Günter Netzer, verpflichtete, musste Barca nachziehen. Erst sollte Gerd Müller kommen, der wollte aber in München bleiben. Also entschied man sich für Johan Cruyff - und "El Salvador" krempelte den Verein und die Stadt um. Aus Defensivfußball wurde niederländisches Offensivspektakel.

Den Stil entwickelte Cruyff dann 1988 während seiner Zeit als Barca-Trainer weiter und führte das Ajax-System (3-4-3), ein Spielstil, der von eigenem Ballbesitz lebte und das Spiel in die Breite zog um dann mit schnellem Passspiel zuzuschlagen, ein.
Außerdem sorgte er, ebenfalls nach niederländischem Modell, für die massive Förderung des Nachwuchses.

Man sieht also: Ein Mann setzte seine Idee vom Fußball insgesamt über einen Zeitraum von über 15 Jahren zu 100% in einem Verein um, weil er den Verein komplett umkrempeln konnte.

Auffällig dabei ist: Sowohl als Spieler, als auch als Trainer, kam Johan Cruyff zu einem angeschlagenen FC Barcelona, der keineswegs selbstverständlich Titel gewann. Der Erfolgsdruck war dementsprechend geringer und er konnte in Ruhe arbeiten.

Werte oder Philosophie?

Wir haben also in Barcelona einen Mann, der seine Philosophie im Verein umsetzte. Diese ist bis heute deutlich erkennbar.
Aber: Der FC Barcelona ist nicht Johan Cruyff. Der Verein hat die Ideale und das Konzept des Holländers tief verinnerlicht und ist mit ihnen verwurzelt, so dass er sie auch schon viele Jahre ohne eine aktive Tätigkeit des 63-Jährigen weiterlebt.

Ein anderes Beispiel, wie ein Verein von einer Person geprägt werden kann, liefert Manchester United. Die Red Devils erlebten Ende der 60er Jahre bis Mitte der 80er eine schwere Krise, wechselten mehrfach den Trainer, aber die Erfolge blieben aus. Negativer Höhepunkt: Der Abstieg in die Zweitklassigkeit 1974.

Erst mit der Verpflichtung von Alex Ferguson als neuem Trainer 1986 kam der Erfolg zurück - weil der knorrige Schotte Zeit bekam und bei einem damals noch vergleichsweise wenig erfolgsverwöhnten Manchester ruhiger arbeiten konnte. Eine entscheidende Parallele zu Barca unter Cruyff.

Die Vizemeisterschaft 1988 und der Sieg im FA Cup 1990 hielten Ferguson im Amt, und es folgte eine wohl beispiellose Erfolgsstory. Eine kurze Auswahl: 11 Meistertitel, 5 Pokalsiege, zwei Champions-League-Siege.

Dabei setzt Ferguson zwar auf eine gesunde Mischung aus eigenen Nachwuchsspielern (Giggs, Scholes, Neville, Beckham etc.) sowie (Star-)Einkäufe (Cantona, Cole, Yorke, Ferdinand, Vidic, Evra, Ronaldo). Aber er tut das unter dem Gesichtspunkt des Erfolges und der wirtschaftlichen Aspekte.

Aktuell könnte man wohl sagen: United ist Ferguson. Liest man sich durch die United-Fan-Foren wird allerdings schnell klar, dass diese Handlungsweisen keine im Verein verwurzelten Philosophien sind. Es sind eben Fergusons Mittel, um die gewünschten Ziele zu erreichen.

Erkundigt man sich nach den den verwurzelten Philosophien, bekommt man dagegen oft ähnliche Antworten: Es geht um das "niemals aufgeben", das "immer gewinnen", oder, um es mit den Worten von Sir Matt Busby zu sagen: "Youth, Courage, Success."

Also: Erfolg als Philosophie?

Sprung in Deutschlands Süden. Zwischen 1999 und 2010 war der FC Bayern München unfassbar erfolgreich. In Zahlen: 8 Meistertitel, 6 Pokalsiege, ein Champions-League-Titel, ein Weltpokal-Titel. Ähnlich beeindruckend lesen sich die Erfolge in den 70ern und 80ern. Kurzum: Der deutsche Rekordmeister braucht sich, was Erfolge angeht, vor keiner Mannschaft der Welt verstecken.

Dabei kann man nicht sagen, dass der Verein in den letzten Jahrzehnten mit einer besonderen Philosophie beeindruckt hat. Zumindest nicht auf dem Platz. Abseits des Platzes dagegen kann man durchaus von einer Konstanten sprechen - nämlich dem Erfolg.

Im Tagesgeschäft wurde immer erfolgsorientiert gehandelt, ohne dabei an die mögliche Last von strukturellen oder (spiel-)philosophischen Zwängen gebunden zu sein. Die Folge ist eine, besonders mittlerweile, rege Trainer-Fluktuation sowie regelmäßige teure Shopping-Touren auf den Transfermärkten dieser Welt.

Aber, und das ist hierbei der springende Punkt: Der Erfolg leidet nicht darunter. Derzeit wird der FC Bayern mit schöner Regelmäßigkeit alle zwei Jahre Meister und fährt dazu oftmals noch den Pokalsieg ein, dazu kommt in der Champions League in aller Regel ein akzeptables Abschneiden.

Die Art und Weise, wie die Verantwortlichen ganz spezifisch bei der Entlassung von Klinsmann und van Gaal gehandelt haben, als eine einjährige Abstinenz in der Königsklasse drohte, macht deutlich: Die Philosophie des FC Bayern ist erfolgreich sein!

Die Zeit: Feind der Philosophie im Fußball

Eines gilt also als sicher: Die Entwicklung einer Philosophie im Verein braucht Zeit und geht auf Kosten der kurzfristigen Erfolge.
Und: Ein Verein muss sich bewusst für eine Philosophie entscheiden, wenn er sie durchsetzen will und darf sich von sportlichen Rückschlägen nicht verunsichern lassen.

Genau diese Tatsache macht es so unglaublich schwer, als bereits erfolgreicher Verein heute den kompletten Verein zugunsten einer Philosophie oder eines bestimmten Stils umzukrempeln. Bleibt nämlich der sportliche Erfolg aus, gehen schnell wichtige Gelder und auch der internationale Ruf verloren.

Die Folge: Der Verein wird für Spieler unattraktiv und das Risiko, seine hart erarbeitete Stellung zu verlieren wächst mit jedem verlorenen Spiel. Die Konsequenz ist dann oft, dass die Reißleine gezogen und der Visionär auf dem Trainerstuhl entlassen wird.

Einem erfolgreichen Verein eine bestimmte Philosophie einzuimpfen ist nur möglich, wenn auch kurzfristige Ergebnisse stimmen. Da beides schwer vereinbar ist, kann ein Verein wie der FC Bayern eine neue Philosophie nur häppchenweise einführen, ohne die eigene Stellung zu riskieren.

Eine solche Vorgehensweise ist für einen Visionär von außerhalb, der seine eigene Denkweise durchsetzen will, nur schwer hinzunehmen. Deshalb muss der Verein selbst seine Philosophie formen und danach den Trainer aussuchen. In München ist das mit dem Rauswurf van Gaals und der Verpflichtung von Heynckes geschehen. Fokus: Der unmittelbare Erfolg.
Aufrufe: 7802 | Kommentare: 17 | Bewertungen: 14 | Erstellt:11.04.2011
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KOMMENTARE
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Gnanag
18.04.2011 | 09:51 Uhr
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Gnanag : 
18.04.2011 | 09:51 Uhr
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Gnanag : 
Nebenher werden die guten Jugendspieler integriert, allerdings in vernünftigem Maße und bleibender Erfolg ist garantiert.

Hätte Hoeness im letzten Sommer die geplanten Verpflichtungen durchgezogen wäre wohl einiges Anders gelaufen.

Ich persönlich freue mich auf die Ära Jupp Heinckess, denn ich will endlich wieder einen pragmatischen Fußballehrer und einen zufriedenen Uli Hoeness sehen.
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Zidane_Headbutt
18.04.2011 | 13:17 Uhr
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18.04.2011 | 13:17 Uhr
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Mich kotzt es an, seit Jahren bekommt man keine Konstanz in den Verein, weil Trainer dauernd gefeuert werden. Wenn man sich etwas aufbauen will, gibt es immer Rückschläge, es wird Alarm gemacht als ob man absteigen wüde und außerdem gibts es noch verdammte 12 Punkte zu holen.

Ohne eine Philosophie, der man Vertrauen schenkt, wird man zwar regelmäßig Meister, aber nie den endgültigen Sprung an die Spitze Europas schaffen. Der Vorstand sollte sich auch mal an die eigene Nase fassen.
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FCBAYERN_ULI
18.04.2011 | 16:12 Uhr
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18.04.2011 | 16:12 Uhr
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Manchmal kriege ich echt einen Brechreiz, wenn ich die Kommentare einiger Forenteilnehmer lese. Ich entschuldige mich direkt für den Brechreiz, den ich trotzdem nicht unterdrücken kann.

Eine Spielphilosophie eines Vereines muss sich entwickeln. Der Trainer sollte dazu immer nur einen partiell prägenden Einfluss haben und nicht dem Verein bzw. der Mannschaft jedes mal eine neue Spielphilosophie aufdrücken.
Vereine, die, wie mein FC Bayern in den letzten Jahren, durch häufige Trainerwechsel in den Schlagzeilen standen, sind ganz einfach auf der Suche nach einer Spielphilosophie - weg von den hässlichen langen Pässen, hin zu einem breitgefächerten Kurzpassspiel - bzw. haben eine Richtung eingeschlagen, bei der der Trainer einfach nicht mehr weitergeholfen hat, also mit anderen Worten der Erfolg ausblieb.

Alle großen Vereine streben ein unterhaltendes Offensivspektakel an, bei dem der Gegner zu jedem Zeitpunkt dominiert werden soll. Das beste Beispiel im Moment ist der FC Barcelona.
Nicht anders will der FC Bayern München agieren, der jedoch, wie ein Vorredner schon erwähnte, nicht diese Erfolgspause hatte, um sich neu zu strukurieren. Der FC Bayern hat mit einer Konstanz, wie es kaum in einem anderen Land mit vergleichbarem Niveau zu sehen war, den Meistertitel praktisch jedes zweite Jahr nach München geholt und konnte auch International Erfolge einfahren.

Wie kann man denn bitte erwarten, dass ein Verein bei einer solchen Konkurrenz (egal von welchem Blickwinkel man nun guckt, ob FC Barcelona, FC Bayern oder Man United) und einem ab der 2. Gruppenphase auftretenden K.o.-Systems dauerhaft Erfolg im Internationalen Geschäft zu haben?!
Meiner Meinung nach VÖLLIGER Schwachsinn. Bleibt ausnahmsweise mal realistisch und seit Stolz auf den FC Bayern München, der International ein Aushängeschild für eine ausgezeichnete Vereinsführung ist.

Greetz euer ULI
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Zidane_Headbutt
18.04.2011 | 17:11 Uhr
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18.04.2011 | 17:11 Uhr
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Ist jetzt aber nicht der echte Uli oder? Kann man sich kaum vorstellen.
Wäre dann schon ziemlich armselig, sich als solcher auszugeben.
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FCBAYERN_ULI
18.04.2011 | 17:28 Uhr
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18.04.2011 | 17:28 Uhr
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Selbstverständlich bin ich nicht der echte Uli! Naja, ein weiterer Brechreiz überkommt mich.
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adriano0589
18.04.2011 | 22:04 Uhr
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18.04.2011 | 22:04 Uhr
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@FCBAYERN_Uli

Ja, das ist genau das Problem. Die Zeit und damit verbunden die Gefahr, durch mehrere Jahre ohne Titel oder sogar ohne CL international stark den Anschluss zu verlieren. Barcelona hatte eben wirklich viele Jahre international quasi nichts zu melden, um dahin zu kommen, wo sie heute stehen - und eine Garantie, dass es nach den "Entwicklungsjahren" wieder bergauf geht, gibt es ja nun mal nicht!

Meine Meinung ist: Heutzutage, wo der finanzielle Unterschied zwischen CL-Teilnahme und EL-Teilnahme so enorm groß ist und eben nicht mehr, wie in den 70ern, beispielsweise die Eintrittspreise einen viel größeren Teil der Einnahmen ausmachen, sondern man auf diese Gelder aus der CL angewiesen ist, und außerdem ein Verein, der zwei Jahre in Folge nicht CL spielt direkt unattraktiver wird, ist es schlicht ein vielfaches schwerer sich in der Grundausrichtung komplett zu ändern, als es noch vor 20-30 Jahren war.
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miga
19.04.2011 | 03:22 Uhr
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miga : 
19.04.2011 | 03:22 Uhr
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miga : 
Erst einmal ein gutes blog, das sehr gut die Problematik des kurzfristige Einführens einer nachhaltigen Philosophie, bei einem Verein wie dem FCB, reflektiert.

Was mir bei dieser ganzen Debatte in letzter Zeit ein wenig zu kurz kommt, ist die Tatsache dass man ja eine über Jahrzehnte funktionierende Philosophie hatte:

"Scheiße spielen, trotzdem gewinnen!"
Sei es auch in der 93 min per abgefälschtem Freistoß und das total unverdient.

Klingt jetzt zwar polemisch, aber es ist doch so. Früher ging es uns um das Wichtigste in einem Wettkampf - das Gewinnen. Gut es ist jetzt natürlich keine "Philosophie" im Sinne von Barcelona oder Ajax, aber mit dieser Maxime sind wir über mehrere Jahrzehnte mehr als gut gefahren.

Und ja es wurden durchaus Fehler in der Führungsetage gemacht. Aber als wahren Blindgänger seh ich da Killerkalle und nur den. Denn sind wir mal ehrlich, so muss man zugeben dass die "ganze Sch****" mit der Verpflichtung von JK angefangen hat und das war KHRs Baby, dass der UH den anderen JK haben wollte, wissen wir ja alle.

Auch ich denke, dass nicht alles was der Uli macht immer richtig ist (auch wenn er seehr oft Recht hat), doch hab ich in letzter Zeit das Gefühl, dass seitdem der UH mehr repräsentative Aufgaben wahrnimmt und der KHR mehr Einfluß auf das Tagesgeschäft hat, alles eher auf die Schnelle hingeschustert wird und der Uli kommt nur noch dazu die Kuh vom Eis zu holen. Vll sollte der KHR sich in nächster Zeit seine "modischen" Schals nicht so fest um den Hals binden, damit mehr Sauerstoff in sein Gehirn gelangt, er mal wieder klar sieht und langfristig sinnvolle Entscheidungen trifft.
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