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24.11.2012 um 15:08 Uhr
OL – ein langsamer Absturz?
„Wir haben die Hoffnung auf den Titel noch nicht aufgegeben", erklärte Remi Garde, der Trainer des Olympique Lyonnais, vor einer Woche. In der Zwischenzeit hat sein Team die Tabellenführung erobert, obwohl Lyon ein Spiel weniger zählt als seine Verfolger. Vor ein paar Jahren wäre eine solche Konstellation alles andere als ungewöhnlich gewesen, und die Aussage Gardes wäre als falsche Bescheidenheit abgetan worden – OL dominierte die Ligue 1 am Anfang dieses Jahrtausends und holte sieben Titel in Folge. Während der letzten vier Spielzeiten kämpfte der Verein jedoch nicht mehr um die Meisterschaft, sondern nur noch um die Champions League Teilnahme. Selbst dieses Unterfangen misslang OL jedoch im letzten Frühling, zum ersten Mal seit elf Jahren. Wie jedoch kam es dazu, dass ein Verein, der jahrelang eine absolute Herrschaft auf die Liga ausübte, heute höchstens als Geheimfavorit gewertet wird?

Malouda, Abidal, Essien, Juninho, Benzema, Govou – Lyon hat im 21. Jahrhundert schon sehr viele talentierte Spieler im Kader gehabt. Zwischenzeitlich galt der Verein sogar als einer der Favoriten der Champions League. Sowohl der FC Bayern München als auch Werder Bremen können sich an schmerzhafte Auseinandersetzungen mit dem französischen Club erinnern. Doch diese Glanzjahre scheinen nun vorüber zu sein. Lyon erreichte zwar 2010 noch das Halbfinale der Champions League, das beste Ergebnis des Vereins in der Königsklasse, doch dies war mehr ein letztes Aufbäumen eines Vereins, der sich ansonsten auf dem absteigenden Ast befand. In den folgenden Jahren schied Lyon zweimal ruhmlos im Achtelfinale aus.

Wiederholte Fehlinvestitionen

Seinen Erfolg verdankte Olympique Lyon einer simplen Vorgehensweise; OL verpflichtete, soweit es möglich war, die besten Spieler der Ligue 1 und gab sie ein paar Jahre später für mehr Geld ins Ausland ab. So wurde Essien von Bastia geholt und Florent Malouda kam aus Guingamp; beide wurden an Chelsea verkauft. Abidal nahm man Lille ab, nach ein paar Jahren in Lyon fand er sich dann in Barcelona wieder. Doch nach der letzten Meisterschaft im Jahr 2008, funktionierte dieses System nicht mehr. Unter dem neuen Trainer Claude Puel begann Lyon viel Geld für Spieler auszugeben, die nicht richtig einschlugen (Jean II Makoun, Ederson, John Mensah). In der Hoffnung, den 08/09 verlorenen Titel sofort zurückzuerobern, ordnete Jean-Michel Aulas, der langjährige Präsident des Vereins, bedeutende Ausgaben an – zwar verließ der emblematische Spielmacher Juninho den Verein und Karim Benzema wurde für 35M€ an Real Madrid verkauft, doch gleichzeitig wurden 70M€ für Neueinkäufe investiert – ein Vereinsrekord. Dank diesem Geld landeten u.a. Lisandro Lopez (24M€), Aly Cissokho (15M€), Michel Bastos (18M€) und Bafetimbi Gomis (13M€) an der Rhône. Die Investitionen lohnten sich aber nur teilweise; zwar wurde, wie schon angemerkt, das Halbfinale der Champions League erreicht, doch in der Liga blieb OL hinter Marseille. Als im Jahr darauf erneut trotz beträchtlicher Ausgaben (u.a. 22M€ für Yoann Gourcuff, der aber bisher in Lyon fast nur enttäuschte) kein Titel und in der Liga nur der 3. Platz heraussprang, wurde Claude Puel gefeuert.

Das endgültige Ende einer Ära?

Lyon hatte in wenigen Jahren sehr viel Geld ausgegeben, doch keinen einzigen Titel erobert. Die finanzielle Lage des Vereins war prekär geworden und der Präsident beschloss deshalb, den Kurs zu ändern. Unter Remi Garde sollten nun mehr Spieler aus der eigenen Jugend in den Kader integriert werden. Ausgaben im zweistelligen Millionenbereich sollten von nun an der Vergangenheit angehören. Im Sommer 2011 gab OL nicht einmal 5M€ für neue Spieler aus, doch Leistungsträger wie Jérémy Toulalan und Miralem Pjanic wurden für ansehnliche Summen ins Ausland verkauft. Es war vorauszusehen, dass dies für die erfolgsverwöhnten Fans des Olympique Lyonnais kein einfaches Jahr sein würde – diese konnten sich letztendlich nur dank des Sieges im französischen Pokal über den 4. Platz und der damit einhergehenden „Verurteilung" zur Teilnahme an der Europa League hinwegtrösten. Die Überlegenheit Lyons in der französischen Liga schien nun endgültig vorbei zu sein.

Neuaufbau mit cleveren Einkäufen und talentierten Jugendspielern

Denn auch im Sommer 2012 fiel OL viel mehr durch Spielerverkäufe als durch Verpflichtungen auf; so verließ der französische Nationaltorhüter Hugo Lloris den Verein und wurde durch Lyons ewige Nummer zwei Rémy Vercoutre ersetzt. Auch Kim Källström und Cris, zwei der wenigen verbliebenen Spieler, die mit Lyon die Meisterschaft gewonnen hatten, mussten neue Arbeitgeber finden. OL gab relativ wenig Geld aus (knapp 9M€) und viele Experten sagten dem Verein erneut eine schwierige Saison voraus.
Im Moment straft OL die Experten jedoch Lügen. In der Europa League hat sich Lyon in nur vier Spieltagen für die K.O. Runde qualifiziert und dabei zweimal den letztjährigen Finalisten dieses Wettbewerbs, Athletic Bilbao, geschlagen. In der Liga verzeichnet der Verein mit 25 Punkten aus zwölf Spielen seinen besten Saisonstart seit vier Jahren. Dafür gibt es mehrere Erklärungen; der Trainer Remi Garde leistet eine sehr gute Arbeit und die Spieler stehen hinter ihm – z.B. hatte sich Lisandro Lopez, der einzige richtige Star der Mannschaft, unter Puel immer wieder beschwert, wenn er auf Linksaußen ausweichen musste, um in der Sturmspitze Platz für Gomis zu machen. Remi Garde hat ihn jedoch überzeugen können, dass dies für die Mannschaft ab und an notwendig ist. Da Garde viel rotiert und auf seinen gesamten Kader setzt, spielt Lisandro auch regelmäßig als Mittelstürmer.
Wirkliche Genugtuung kann OL auch über die Leistung seiner Jugendspieler empfinden – mehrere von ihnen sind schon wahre Leistungsträger geworden. Spieler wie Lacazette, Grenier, Gonalons oder Umtiti haben ihre Chance ergriffen und beweisen jedes Wochenende, dass sie das Zeug haben, sehr große Spieler zu werden.
Wichtig ist auch, dass die wenigen Einkäufe, die Lyon in den zwei letzten Jahren getätigt hat, die Erwartungen erfüllt oder übertroffen haben. So haben sich Milan Bisevac (2,75M€) oder Mouhamadou Dabo (800,000€) als solide Verteidiger erwiesen, während Steed Malbranque, der den Verein ablösefrei verstärkt hat, ein wahrer Führungsspieler geworden ist.

Natürlich kann die Saison für Olympique Lyon noch schwierig werden. Der Kader ist etwas spärlich besetzt und Lyon wird mit Liga, europäischem und nationalen Pokalen noch viele Spiele absolvieren müssen. Dennoch kann OL mit seiner jungen Mannschaft und seinen Finanzen, die in den letzten beiden Jahren wieder eine solide Basis erhalten haben, hoffnungsvoll in die Zukunft blicken.
Aufrufe: 5075 | Kommentare: 6 | Bewertungen: 10 | Erstellt:24.11.2012
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KOMMENTARE
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manuh
24.11.2012 | 21:59 Uhr
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manuh : 
24.11.2012 | 21:59 Uhr
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manuh : 
schöner blog.
würde mich über weitere artikel zur ligue 1 sehr freuen, weiter so !
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LeFab
26.11.2012 | 17:00 Uhr
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LeFab : 
26.11.2012 | 17:00 Uhr
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LeFab : 
sehr schön geschrieben. liest sich gut! gefällt mir auch mal etwas über die ligue 1 zu lesen. Kurioserweise habe ich mich vor ein paar noch gefragt, was eigentlich mit Lyon los ist. Die hatten ja teilweise sehr viel geld zur verfügung gehabt, trotzdem ist dabei nur sehr wenig bei rum gekommen. bin gespannt wie die sich jetzt entwickeln werden.

kannst gerne am ende der saison nochmal über lyon schreiben ;)
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Gunner_Alien
26.11.2012 | 19:12 Uhr
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26.11.2012 | 19:12 Uhr
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Ihre eigene Jugend ist sehr stark, vor allem Umtiti und auch Benzia. Der Junge kann Benzema vergessen machen!
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kaka303
26.11.2012 | 19:22 Uhr
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kaka303 : 
26.11.2012 | 19:22 Uhr
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kaka303 : 
Sehr guter Blog.
Ich war schon ganz verwundert, dass Lyon plötzlich nicht mehr Meister wurde. V.A. da sie mit Abstand das meiste Geld hatten/ausgegeben haben.

So ist die Laga wenigstens wieder spannender. Naja Paris ist zwar jetzt eine Oligarchentruppe, aber mit Mannschaften wie Lyon,Paris, Marseille und Lille kanns da einen schönen Kampf um den Titel geben.
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steveaustin
26.11.2012 | 21:06 Uhr
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26.11.2012 | 21:06 Uhr
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@LeFab

Sieben Meisterschaften in Serie sind ja nun nicht gerade "recht wenig". Und sie hatten eben viel Geld für französische Verhältnisse, aber nicht im europäischen Vergleich, da wie gut beschrieben, das Geld eher aus den Verkäufen stammte. Das geht immer einige Zeit gut, aber auch Bremen konnte ja nicht ständig jeden Abgang perfekt ersetzen und irgendwann hast du halt mehrere Jahre, in denen du keine guten Leute kriegst, Dann ist es vorbei.
Und das Vorbild in der Vereinsführung ist/war der FC Bayern. Daher haben sie eher vernünftig gewirtschaftet und als man Risiko ging, ging das auch schief. Aber nun konsolidiert man den Verein auch vernünftig und gibt nicht mehr aus als man hat.
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Flofrog
28.11.2012 | 23:50 Uhr
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Flofrog : 
28.11.2012 | 23:50 Uhr
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Flofrog : 
Gut geschrieben :).
Wie wärs mit ein bisschen mehr :) ?
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