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11.04.2010 um 20:00 Uhr
Liga-Lehren XXX
Klassenkampf

Ein gründlicher Blick auf unsere ach so harmlose Lieblingsliga lässt Böses erahnen: Politisches Kalkül und intrigante Machtspielchen sind längst die reinste Selbstverständlichkeit. Die Liga-Lehren zeigen die politischen Dimensionen unserer Eliteklasse auf:

Bekenntnis
Im Gegensatz zur hohen Politik, die ihre eigenen Versäumnisse nur allzu gern unter den Teppich kehrt, stehen die Liga-Lehren zu ihren Fehlern und bekennen sich freimütig zur Unterlassungssünde der Vorwoche. Denn Guerreros Flaschenattacke gänzlich unkommentiert zu lassen, war natürlich ein absolutes No-Go. Dabei hätten sich doch so schöne Kalauereien angeboten. Sogar mit politischer Konnotation, wie: Water(bottle)-Gate in Hamburg. Oder Fan erleidet Flaschenhals. Guerrero trifft endlich wieder! Spieler können Fans das Wasser reichen. Verzweiflung in Hamburg – Spieler greifen zur Flasche! Oder auch: Paolo gibt endlich wieder volle Pulle. Ja, das hätte man alles bringen können. Aber nun ist es zu spät. Schade.

Hertha
In der Bundeshauptstadt ist man hanebüchene Quervergleiche zwischen Sport und Politik ja gewohnt. Und deshalb kann man auch ganz zwanglos anmerken, dass Hertha-Heimspiele zuletzt den Unterhaltungswert einer Haushaltsdebatte besaßen. Beim Spiel gegen den VfB nun erinnerte auch die Zuschauerkulisse an die leergefegten Reihen des Plenarsaals während einer ermüdenden Aussprache über die Staatsfinanzen. Manager Preetz sah's gleichwohl gelassen und bilanzierte in lakonischem Polit-Understatement: "Es hätte uns auch härter treffen können". Irrtum: Traf ja Hertha! Höhö! Egal, wirklich hart, um nicht zu sagen, hertha war dagegen das ernüchternde 0:1 gegen den VfB. Womit die Berliner Aussichten auf den Klassenerhalt in etwa so groß sind wie die auf ein verständliches Steuersystem – mal so politsportquervergleichend gesprochen.

Slapstick
Lassen wir die komplizierte Politik mal beiseite und wenden uns leichtbekömmlichen Humorvarianten zu. Zum Beispiel Slapstick, eine durch körperliche Aktivitäten geprägte dialogarme Komikform. In Deutschland durch Didi "Höhö" Hallervorden salonfähig geworden, der als ungelenker Didi Meisenkaiser durch Schlafzimmer und Supermärkte stolperte. Doch was Slapstick 04 am Samstag bot, dürfte auch für Hallervorden eine echte Inspiration gewesen sein: Denn wie der brave Westermann bei einer Partie Schienenbein-Billard verunfallte oder wie der süße Neuer als doppelter Meisenkaiser durch die Gegend tolpatschte, das war schon ganze große Slapstick-Kunst. Allerdings mit einem kleinen Schönheitsfehler. Denn die besondere Tragikomik des Slapsticks liegt nun mal im aussichtlosen Kampf des unbeholfenen kleinen Mannes gegen die große böse Welt. Aber mal ehrlich: Hannover und große böse Welt? Dann ist Gelsenkirchen eine bezaubernde Glamour-Metropole mit Weltstadtcharme. Vielleicht war genau das aber auch die Pointe. Magath hat eben einen seltsamen Sinn für Humor.

Petition
Eine lebendige Demokratie speist sich bekanntlich vor allen Dingen durch das politische Engagement ihrer Bürger. Plebiszitäre Elemente finden sich in unserem politischen System allerdings nur an wenigen Stellen. Und dann auch meist nur bei so nebensächlichen Fragen wie der Abspaltung des Saarlandes oder der Errichtung eines Spielplatzes im Gewerbegebiet. Den Liga-Lehren ist dies zu wenig und sie starten hiermit die längst überfällige Petition: "Maik Franz für die Nationalmannschaft". Denn gerade in Zeiten, da es dem deutschen Auswahlteam an spielerischer und taktischer Eleganz mangelt, würde uns die Anmut und Grazie eines Maik Franz sicher gut tun. Unterstützung per Kommentar unter dem Stichwort "Wir brauchen wieder einen Franz".

Ohnmacht
Spieltagsbezug besitzt dieses Volksbegehren allerdings nicht. Beziehungsweise doch: Denn an Frankfurts apathischem Nullzwo in Gladbach konnte man erkennen, wie sehr einer Mannschaft ein heißblütiger Franz abgehen kann. So wurde aus der hoffnungsvollen Frankfurter Eintracht ohne den gelbgesperrten Mad Maik ganz plötzlich – Achtung: phonetischer Brüller – Ohnmacht Franz-Fort. Unser Bundes-Jogi hat davon aber mal wieder nix mitbekommen. Auf RTL startete ja zeitgleich die neue Staffel "Let's Dance". Und die hat natürlich högschde Priorität – für einen Traumtänzer.

Erkenntnisse
Am Samstag war unser traumtänzelnder Bundestrainer aber dann wieder unterwegs. Bei Bayerbayern. Vom geplanten Besuch des an sich favorisierten Topspiel-Leckerbissens in Hoppenheim wurde Löw durch den Ausschluss der Effzeh-Fans abgehalten. Frei nach dem Motto: Wenn man schon keine frustgeplagten Liebhaber des gepflegten Antifußballs zulässt, dann habe ich da auch nichts zu suchen. Und so konnte Löw wenigstens wichtige Erkenntnisse für die bevorstehende Zusammenstellung des WM-Kaders gewinnen, z.B.: Schweini hat das Zeug zu einer echten Kampfsau. Miro "Monster" Klose (kurz: Mimose) ist der perfekte Joker – für einen ballkontaktfreien Zehnminuteneinsatz. Robben ist ein sicherer Elfmeterschütze, aber dummerweise Holländer. Und quasi nebenbei sah Löw noch, wie sich die Bayern trotz akuter Lustlosigkeit mit zwei Strafstößen beinahe zum Sieg geduselt hätten. Aber manchmal muss man den Kircher eben im Dorf lassen. Und eine Mimose zu Hause in Deutschland.

Politelite
Mit ein wenig Fantasie kann man im Spieltagsgeschehen aber auch zarte Einflüsse der Politelite entdecken: So offenbart Rangnicks Provinzhaufen den dynamischen Impetus eines Rudolf Scharping. Dietmar Hopp bricht als Kraichgau-Berlusconi den Stab über seine Mannschaft. Mario Gomez brilliert mit dem Bewegungsradius eines Wolfgang Schäuble. Jürgen Klopp wird in seiner alten Heimat gefeiert wie Gorbatschow am Brandenburger Tor. Slomkas Seitenlinienschimpftiraden zeigen erste Anzeichen narzisstischer Selbstgefälligkeit (sog. Morbus Westerwelle). Und Werders Treffsicherheit kennt man so nur von der Leidenschaft eines Altkanzlers für Fettnäpfchen. Alles nicht gerade politisch korrekt , aber in der Sache unbestreitbar.

Und was gab's noch?
Bayerns Auftritt auf internationalem Parkett. Sportlich geglückt, diplomatisch ein einziges Desaster. Denn Engländern erst freundlich Spalier zu stehen, um sich dann doch selbst vorzudrängeln, ist natürlich eine absolute unentschuldbare Brüskierung erster Klasse. Aber Robben musste ja unbedingt aller Welt zeigen, dass er auch Matthäus kann. Zur Wiedergutmachung des diplomatischen Fauxpas' bilanzieren wir nun auf Englisch, wenngleich in der höchst eigenwilligen Interpretation der fränkischen Heiratsmaschine: Bayern hat a little bit lucky. But now they hope, that in the next mouns, they will win the championship. Very nice. Fehlt jetzt zur Abrundung dieser Ausgabe noch eine politische Schlussbemerkung. Mit uns Loddar aber kein Problem. Schließlich hat der ja, wie wir alle wissen, zahlreiche Macken. Oder wie der Mediziner sagt: Er leidet unter einem Poly-Tic! Nu aber Schluss.
Aufrufe: 8675 | Kommentare: 25 | Bewertungen: 67 | Erstellt:11.04.2010
ø 8.8
KOMMENTARE
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giano21
12.04.2010 | 21:44 Uhr
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giano21 : Genial!
12.04.2010 | 21:44 Uhr
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giano21 : Genial!
Einen Punkt hervorzuheben wäre unfair den anderen gegenüber.
Wieder einmal genial.
10P.
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Ben23
12.04.2010 | 22:14 Uhr
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Ben23 : 
12.04.2010 | 22:14 Uhr
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Ben23 : 
seeehr geil! da braucht man die AL gar net :D der erste absatz ist ja mal geil :D eigt ist alles geil :D
respekt ;)
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donluka
12.04.2010 | 22:34 Uhr
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donluka : 
12.04.2010 | 22:34 Uhr
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donluka : 
"Wir brauchen natürlich wieder einen Franz"!

Fein, berauschend, was weiß ich. Großartig as usual!

10P!
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Stepi
13.04.2010 | 16:44 Uhr
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Stepi : Auja!!
13.04.2010 | 16:44 Uhr
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Stepi : Auja!!
"Wir brauchen wieder einen Franz"

na klar, dafür gäbä ich 10 Punkte!!
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Timm
14.04.2010 | 18:28 Uhr
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Timm : "Wir brauchen wieder einen Franz
14.04.2010 | 18:28 Uhr
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Timm : "Wir brauchen wieder einen Franz
Ganz klar! Der ist auch schon letzte Woche in meiner Eurosport WM-Mannschaft mit dabei gewesen!
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