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12.01.2013 um 01:42 Uhr
Libero, Manndeckung und Ellbogen
Ich komme aus einem ziemlich kleinen Dorf und habe dort jahrelang selbst Fußball gespielt. Doch da meine Karriere, wenn man es denn so nennen will, mittlerweile seit einigen Jahren vorbei ist, genieße ich den regionalen Fußball nur noch aus der observierenden Perspektive.

Die Dorfmannschaft spielt seit dieser Saison mit einem neuen Trainer und hat sich seitdem erheblich verbessert. Was allerdings auch keine große Überraschung darstellt, wenn man sich vor Augen führt, welches taktische Verständnis sein Vorgänger hatte. Da waren Dreierkette und Libero Pflicht; die Älteren unter uns erinnern sich sicherlich noch dunkel an diese Stilmittel, von denen ersteres ja sogar eine Renaissance erlebt, bzw. gar nicht richtig tot war.
Weiterhin herrschte in der Regel das Gesetz, dass jeder Spieler dort spielen durfte, wo er wollte. Somit waren dann gelernte Innenverteidiger des Öfteren als Stürmer aufgestellt, da jeder einmal selbst das seltene Gefühl eines erzielten und nicht verschuldeten Tors erleben wollte.

Ehrliche Arbeit
Zu dieser Zeit lief es alles andere als optimal für unseren Klub und das Abstiegsgespenst geisterte konstant durch das Dorf. Doch auch schon damals gefiel es mir, unterklassigen Fußball zu sehen.
Dort wird der Sport noch in seiner elementarsten Form zelebriert, auch wenn es nur selten zu Konstellationen kommt, in denen dieses Wort wirklich angebracht wäre. Hier gibt es noch Zweikämpfe, nach denen beide Involtierten mit Platzwunden auf dem Boden liegen. Sie werden dann kurz behandelt und spielen dann ohne zu murren weiter und hauen ihre Köpfe erneut gegen jedes hervorstehende Objekt auf dem Fußballplatz.
Nur in den unteren Ligen gibt der Kapitän der verteidigenden Mannschaft vor einem Eckball durch das Kommando "Ellbogen" den Befehl, bei der folgenen Standardsituation mit Mitteln vorzugehen, die jedem professionellen Spieler Tränen in die Augen treiben würden.
Und auch nur hier interessiert das den Schiedsichter absolut gar nicht, weil er schon genug damit zu tun hat als einziger Unparteiischer im ganzen Stadion die Arbeit der Linienrichter mitzumachen und Abseits- oder Ausentscheidungen zu treffen.

Wenn man Kampf - und bisweilen auch eine Menge Krampf - sehen will, ist man hier absolut richtig. Die Technik ist bei den meisten Spielern limitiert, ebenso wie die Geschwindigkeit. Somit geht es nur über das Körperliche.
Wenn es dann auch so ist, dass zwei Rivalen gegeneinander spielen, kann das sehr schnell ausarten und zu einem Gebolze am untersten Limit werden.
In einem solchen Spiel habe ich auch meine bisher lustigste Szene im Zusammenhang mit Fußball erlebt. Ein gegnerischer Stürmer war durch unser Mittelfeld gedribbelt und wurde kurz vorm Sechzehner von einem unserer Sechser umgesenst. Er kommentierte dieses Foul mit dem absolut ernstgemeinten Ratschlag: "Dribbel halt nicht so viel."

Traumhafter Fußball
Doch es geht auch anders, wie ich regelmäßig bei Spielen bestaunen darf, in denen mindestens eine der Topmannschaften der Staffel mitwirkt. Erfreulicherweise gehört zu diesen Topmannschaften mittlerweile auch unser Team, sodass man sich ab und an auch an diesem erfreuen darf.
Es ist in den letzten Monaten des Öfteren zu wirklich guten Fußballspielen gekommen, in denen beide Mannschaften defensiv gut und sicher standen und passabel nach vorne gespielt haben. Zumindest bis zur gegnerischen Abwehrreihe. Ein Offensivfeuerwerk habe ich bisher kaum sehen können, da sich unsere Mannschaft auf Defensivfußball spezialisiert hat und nach vorne eher kontert als das Spiel macht.

Das Ganze sieht, besonders gegen Mannschaften, die sich als fordernd herausstellen, teilweise sogar wie echter Fußball aus. Man kann die Grundordnung von der Tribüne aus erkennen und bekommt kluge Spielzüge aufgetischt. Auch die Ergebnisse gleichen denen im Profifußball, irgendwelche 11:6-Endstände sind eher selten.

Spiele, die für die breite Masse unterhaltsam sind, sind zwar nach wie vor die Ausnahme, aber ich persönlich schaue eigentlich fast jedes Spiel an und finde kaum eines wirklich abstoßend unattraktiv und hässlich. Irgendetwas gibt es immer, an dem man sich ergötzen kann.

Besser als die Südtribüne in Dortmund
Ein zweischneidiges Messer ist die Zuschauerschaft. Die ist für gewöhnlich recht groß, da es hier in diesem kleinen Dorf an Sonntagen nicht wirklich viel zu tun gibt außer Wandern oder sich die erste Herrenmannschaft anzuschauen. Mitunter sind die Zuschauer auch leicht bis mittelmäßig angeheitert. Diese Tatsache ist jedoch zu vernachlässigen, da es auch in nüchternem Zustand Pöbeleien gibt. Diese richten sich für gewöhnlich gegen die gegnerischen Spieler, deren Trainer, Fans des Gegners und oft genug auch gegen den Schiedsrichter, wenn er den Eindruck macht, er sei unparteiisch und pfeift nicht in 100% der Fälle für das eigene Team. In der Regel gibt es eine sehr kleine Ultra-Gruppe, bestehend aus einem bis maximal sechs Zuschauern, die jedes Geschehnis auf dem Platz lautstark kommentiert. Der Rest der Audienz lässt sich nur äußerst selten zu Kommentaren hinreißen, aber aufgrund der insgesamt deutlich geringeren Zuschaueranzahl wirkt die Atmosphäre trotzdem, als wäre man bei einem Spiel der Nationalmannschaft gegen die Türkei im Berliner Olympiastadion. Dieser Zustand wird intensiviert, wenn sich einer der Auswärtsfans tatsächlich erdreistet, den einheimschen Ultras Widerworte zu geben.
Viele Leute finden solche Zuschauer peinlich und üben sich im Fremdschämen, ich selbst finde sie eher lustig, nehme sie nicht ernst und amüsiere mich über Dialoge wie diesen, den zwei Zuschauer, die ich zu unseren Ultras zählen würde, geführt haben:

A: Schiri, das war doch kein Foul.
B: Der hat doch für uns gepfiffen.
A: Ach so. Stell ihn vom Platz!

Kurzum, man muss unterklassigen Fußball einfach mögen. Er ist noch nicht so taktikgeprägt wie der im Profibereich, in dem es um Millionen geht. Vielmehr geht es meistens härter zur Sache, da auch die Spieler schlechter (und teilweise auch gar nicht) ausgebildet sind.
Ich schaue seit Jahren gerne zu, nicht nur dem Spiel an sich, sondern auch dem Treiben auf den Zuschauerrängen. Und dies werde ich in den nächsten Jahren auch weiterhin tun, jetzt da wir einen neuen Trainer haben, der sein Handwerk auch versteht.
Nun spielt jeder Spieler auf der richtigen Position, die Viererkette steht und die Mannschaft ist intakt. Somit werden auch die Spiele ansprechender, auch wenn das gar nicht mein Anliegen ist.

Ich kann nur dazu raten, selbst rauszugehen und sich verzaubern (dieses Wort trägt auf keinen Fall zu dick auf) zu lassen. Denn einer der Vorteile an unterklassigem Fußball ist, dass er in diesen Breiten wirklich überall anzutreffen ist.
Aufrufe: 2032 | Kommentare: 2 | Bewertungen: 2 | Erstellt:12.01.2013
ø 7.5
KOMMENTARE
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hammu
13.01.2013 | 15:34 Uhr
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hammu : 
13.01.2013 | 15:34 Uhr
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hammu : 
"[...]vor einem Eckball durch das Kommando "Ellbogen" [...]" Bitte was? Hab ja keine Ahnung, woher du kommst, aber bei uns wird einigermaßen gesittet gespielt.
Meine schönste Geschichte (ich spiele selber):
Ich saß auf der Bank, hab nur so halb aufs Spiel geachtet und mich stattdessen eher mit zwei Mitbanksitzern unterhalten. In der 80. werde ich eingewechselt um nochmal Druck zu machen (dachte wir liegen 2:3 hinten), schieße die Ecke und - zack - Tor. Ausgleich! Danach verzögere ich entspannt die indirekten Freistöße, Einwürfe etc., da der Gegner ziemlich gut war und ein Unentschieden schon ein respektables Ergebnis gewesen wäre (hat unser Trainer auch so gesagt).
Irgendwann kommt dann unser Kapitän zu mir und meckert mich an, dass ich mal schnell machen soll.
Ich sage zu ihm, dass er sich entspannen soll, unentschieden sei doch gut gegen diesen Gegner.
Dummerweise habe ich während meiner Bankzeit ein Gegentor verschlafen, da ich zu dem Zeitpunkt auf Toilette war. Habe also effektiv 10 Minuten für den Gegner auf Zeit gespielt, feier das immer noch ^^
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rh3
13.01.2013 | 16:40 Uhr
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rh3 : netter blog
13.01.2013 | 16:40 Uhr
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rh3 : netter blog
Fußball in unteren den untersten Ligen hat tatsächlich seinen eigenen urigen charme ,da ich selber spiele komme ich nicht sooft dazu selber Spiele zu schauen (höchstens bei heimspielen unsere 2. ) . Das mit dem ellbogenzeichen hab ich aber auch noch nie miterlebt,vlt hab ich es aber auch einfach noch nie gesehen,ich achte in der rückrunde mal drauf ^^.
Also wie gesagt netter Blog und ich kann auch nur jedem raten mal seinen Stadtteil oder Dorfverein zu unterstützen ,lohnt sich meistens und danach kann man sogar mit der jeweiligen manschaft noch ein bierchen trinken .
bis die tage
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