Gestern hatte ich zum ersten mal in meinem Leben die zweifelhafte Ehre den Abstieg eines Fussballvereins LIVE mitzuerleben. Hansa Rostock machts möglich!
Wer dem Abstieg eines Traditionsvereins durch Lethargie und blutleeren Fussball beiwohnen will, ist hier herzlich willkommen.

Doch eins nach dem anderen. Nach einer Seuchensaison mit reihenweise unnötigen Pleiten, auch gegen direkte Konkurrenten aus Ahlen oder Frankfurt, findet sich der FCH letztendlich auf dem Relegationsplatz wieder. Nun gut die Saison ist unglücklich gelaufen und es liegt ja noch in der eigenen Hand. Hansafans sind schließlich das Schlimmste gewohnt.

Es folgt ein Auftritt in Ingolstadt, der ganz Rostock die Sprache verschlägt. Gegen keine überragenden Ingolstädter murmelt sich Rostock sogar noch das 1:0 in die Kiste. Gewissen Sprichwörtern haftet bezüglich solcher Duelle sicherlich das Image der Omnipräsenz an, doch in diesem Fall möchte ich es noch einmal verwenden: Es spielte Not gegen Elend.

Nun gut, dachte sich der Hansa Anhänger: Die Ingolstädter sollen mal zu uns ins Stadion kommen. Das Prinzip der Hoffnung wurde in Rostock ganz groß geschrieben.

Und wie sie kamen

Trotzreaktion?Mutiges bzw. überhaupt ein Spiel noch vorn?Rückstand aufholen?

Im Leben nicht, sogar sämtliche Horrorszenarien wurden, wie bereits eine gesamte Saison lang, wahr. Zum Beispiel das frühe Tor das niemals fallen dürfe, um nicht drei Tore schießen zu müssen. Doch es fiel und zwar verdammt früh.

Der ehemalige Paulianer Gerber markiert nicht unbedingt unverdient, das 1:0 der Gäste in der 9. Minute. Dabei erinnere ich mich vor allem an eine aufgeschnappte Unterhaltung auf dem Weg zum Stadion. Ich zitiere "Wenn Hansa heute verliert, brennt die Stadt". Dabei will ich beiläufig nicht unerwähnt lassen, dass da wohl eher der Wunsch Vater des Gedanken war.



Für manch einen Pragmaten mag es unverhofft sein, doch erwiesen sich die Hansafans auch nach dem frühzeitigen Knockout, immerhin bis zur Halbzeit als große moralische Stütze. Obwohl die desaströse Rostocker Offensive beileibe keine drei Tore verspricht, wird ihnen keine Unterstützung verwehrt. Doch das Auftreten vom Großteil der Mannschaft hatte ab Mitte der 2. Halbzeit schlichtweg keine weitere Unterstützung verdient.


Kampf?Einsatz?Leidenschaft?

Gab es wohl höchstens im Fanblock.
Der Fangesang "Wir sind Hansa und ihr nicht" spricht dabei mehr als tausend Worte. Es sind nicht die spielerisch begrenzten Mittel, sondern die fehlenden Tugenden wie Kampf und Leidenschaft die, die Mannschaft zu keiner Zeit repräsentiert.

Es macht den Eindruck als wäre Hansa schon beim letzten Saisonspiel in Düsseldorf gedanklich abgestiegen. Hansa hat mit Sicherheit das Potenzial, um in der zweiten Liga zu bestehen, doch die Köpfe der Hanseaten, hatten es zumindest gestern Abend nicht. Mit Ausnahme von Kapitän Leitl waren auch bei Ingolstadt keine großartigen Fussballer vorzufinden, doch diese wussten ihre ebenfalls limitierten Mittel zumindest stellenweise einzusetzen. Die Hanseaten stattdessen waren mental wieder überhaupt nicht anwesend. Es war kein Abstiegsskampf zu spüren. Wurde wirklich alles für den Sieg gegeben?

Nun die Spekulationen anzuheizen, ob ein Fin Bartels schon darüber nachgedacht hat, wo er sich das St. Pauli Logo tätowiert, soll nicht Ziel der Sache sein. Waren es doch zu viele die anscheinend nur körperlich auf dem Platz waren.

Was wurde denn in der Woche gemacht, außer Endspielparolen auszurufen!?Es gab mehr als genügend Aussagen, dass dies das Spiel der Spiele sei und sich der FCH darauf vollends konzentriere. Um dann nicht auf dem Platz zu sein?
Fragen denen sich Marco Kostmann stellen muss und hoffentlich auch wird.


Abstieg einer Region

Die gescholtenen Hansafans sahen das ganze mit Galgenhumor. In Minute 69 wurde zunächst Keeper Walke in den Sturm gefordert und anschließend jeder Ballkontakt des Rostocker Publikumsliebling frenetisch gefeiert.

Die üblichen Pfiffe blieben natürlich nicht aus, doch präsentierten sich die Hansaanhänger verhältnismäßig besonnen. Ein "Hansa Forever"-Gesang während die Spieler bereits in die Kabine verschwunden waren, konnte immerhin noch etwas bittersüße Gänsehaut erzeugen.

Zum Abschluss erzählte mir im kurzen Smalltalk noch ein guter Bekannter, dass er im Falle des Nichtabstiegs eine große Chance auf eine Übungsleiterstelle im Jugendbereich des FCH gehabt hätte. Wie gesagt beim Nichtabstieg. Hätte, Wenn und Aber haben sich beim FC Hansa eh zum Stammvokabular etabliert. Daher möchte man wohl auch gar nicht wissen wie viele Chancen und Einzelschicksale diese unterirdischen Auftritte wohl noch gekostet haben. So treibt es nicht nur eingeschworenen Hansaanhängern, sondern einer ganzen Region Tränen in die Augen mit was für leidenschaftslosen Vorstellungen die Kogge in Richtung 3. Liga segelt.


Doch Immerhin:
Nachdem ich eben noch kurz aus dem Fenster geschaut habe, kann ich bestätigen, dass die Stadt überraschenderweise doch nicht brennt. Immerhin ein Horrorszenario, das mir erspart blieb.

Trotz allem herzlichen Glückwunsch an den FC Ingolstadt zum letztlich verdienten Aufstieg...