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17.07.2018 | 952 Aufrufe | 0 Kommentare | 0 Bewertungen Ø 0.0
Früher war auch nicht alles besser
Keine Standard-WM
Wieso die Fußball-Weltmeisterschaft in der allgemeinen Nachbetrachtung zu schlecht wegkommt.

Die Geschichte von einer schlechten Weltmeisterschaft 2018 ist ein Märchen Der Weltmeister Frankreich ist seit Sonntagnachmittag gekrönt. Helden wie Luka Modri sind besungen, der Abgesang auf die großen Mannschaften aus Spanien und Deutschland bereits in den Schlussakkorden. Und noch viel sensationeller: Der Video Assistant Referee kann funktionieren. Doch was bleibt letztlich von dieser Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland? Was bleibt von den 64 Spielen der 21. Austragung, in denen insgesamt 2,64 Tore fielen? Was haben diese 32 Tage Weltmeisterschaft mit fast Nonstop Fußball den Zuschauern, Experten und Fans gelehrt?

Das Gejammer ist bereits vor dem Abpfiff des Finals nicht zu überhören. "Das Niveau sei so niedrig wie selten zuvor" ist zu lesen. Die Fans beklagen destruktiven Fußball, wenig Spektakel, schwache Teams. Von der schlechtesten WM seit langer Zeit ist sogar oft die Rede. Dabei zeugen die Aussagen nur von zwei Dingen: Vom vorherrschenden Populismus und von der Schnelllebigkeit des Fußballgeschäfts. Eine Weltmeisterschaft ist eine Momentaufnahme. Das war sie schon immer und das wird sie immer bleiben. Vor allem aber ist die WM ein Turnier der halben Wahrheit. Die Spiele aus vergangenen Turnieren sind längst vergessen, zumindest die Spiele, über die man sich jetzt wieder beklagt.

Die viel gescholtene Gruppenphase ist schon jeher eine Phase im Turnier, in der es zwar im dritten Gruppenspiel zu spannenden, fast K.O-artigen Duellen kommen kann. Wie zwischen Argentinien und Nigeria bei dieser WM. Aber eben auch zu langweiligen Kicks wie beim torlosen Remis des späteren Weltmeisters gegen Dänemark. Wenn ein Punkt einem Team reicht, dann ist das eben so. Das ist schon am zweiten Gruppenspieltag zu sehen. Oftmals gehen die Teams lieber auf Nummer sicher. Nur kein Risiko, kein vorzeitiges Aus durch eine unnötige Niederlage provozieren. Eine WM ist kein Schönheitspreis, es geht mehr denn je um Ergebnisse. Solche Spiele gehören also dazu. Ebenso wie Duelle zwischen Nationen, die unter normalen, gewöhnlichen Umständen gar niemanden vor die Bildschirme locken würden. Aber auch 2018 hatten viele Fernsehzuschauer Mitleid mit den Marokkanern, die nach einem langen Kampf den Iranern nur aufgrund eines Eigentors in der Nachspielzeit unterlegen waren. So oder so - die Vorrunde hatte ihre Höhepunkte. Viele späte Tore, spannende, enge Partien, Favoriten am Rand des Ausscheidens. Irgendeinen erwischt es immer. Ronaldos 3:3 gegen Spanien gehört sicher zu den besten Spielen des ganzen Wettbewerbs, Messis Tor gegen Nigeria zu den technisch feinsten der letzten fünf Turniere. Panamas Jubel beim ersten WM-Tor, Senegals Ausscheiden aufgrund der Fairplay-Wertung. Es sind die kleinen und großen Geschichten.

Gemessen wird so eine Weltmeisterschaft aber letztlich wohl immer an der K.O.-Phase. Und auch hier ist die einhellige Meinung: Zu wenige Top-Teams, zu viele schwache Spiele. Und auch das ist purer Populismus. Das letzte große Turnier mit fast ausschließlich hochklassigen Spielen ab dem Achtelfinale war wohl die WM 1998 in Frankreich. Die Viertelfinals, die Halbfinals, das Finale fast alles legendäre Spiele. Eines der besten Turnier aller Zeiten, vielleicht gar das beste. In den vier Turnieren zwischen 1998 und 2018 folgten aber immer wieder K.O-Spiele jenseits von Gut und Böse. Deutschlands Zittersieg gegen Algerien lebte mehr von der Spannung als von spielerischer und taktischer Brillanz. Überhaupt: Wer die Hässlichkeit der französischen Effizienz betont, dem muss auch die spanische Dominanz von vier 1:0-Siegen von Achtelfinale bis Finale 2010 aufgestoßen haben. Oder der stotternde Weg des deutschen Teams auf dem Weg ins Finale 2002 wohl gemerkt gegen Teams wie Paraguay, die USA und Südkorea. Der Grundtenor früher war alles besser trifft hier eben nicht zu.

Auch dieses Mal gab es Partien für viele Geschichten, für lange Nacherzählungen auch in 20, 30 Jahren: Belgiens Aufholjagd gegen Japan, Frankreichs Schlacht gegen mutige Argentinier, Englands Elfmeterauferstehung gegen Kolumbien. Momente, die bleiben. In vier Jahren wird man sich fast ausschließlich an diese tollen, wunderbaren, nervenaufreibenden Spiele erinnern. Und schimpfen, dass die WM 2022 nicht mit den vergangenen Turnieren mithalten kann. Weil es so viele Partien gab, die nicht so gut waren wir 2018. Es ist das gleiche Lied. Alle vier Jahre wieder.

Dass am Ende so viele Favoriten früh die Segel strichen, liegt nicht nur an der eigenen Schwäche. Es zeigt viel mehr, wie es schon Berti Vogts sagte: Die Breite ist an der Spitze dichter geworden. Dass Brasilien, Frankreich, Deutschland , Spanien und Argentinien sich zu jeder Zeit schlagen können, ist bekannt. Dass auch vermeintlich kleine Teams wie Kroatien, Belgien und Uruguay aber ebenfalls nicht nur einen, sondern mehrere Weltklasse-Spieler haben, ist etwas, das es zu lernen gilt. Es gibt jetzt mehr Mannschaften, die die richtigen Waffen haben, um große Teams zu schlagen. Und die diese auch einsetzen können.

Was die WM 2018 nämlich vorwiegend gezeigt hat: Taktisch war der Weltfußball nie besser. Der Iran, vor der WM noch ohne Testspiel, kann spielerisch starke Teams wie Spanien oder Portugal in Schach halten. Verteidigen können mittlerweile viele Mannschaften auf hohem bis sehr hohem Niveau. Die Nationen sind enger zusammengerückt. Knappe Siege sind die Folge. Ebenso wie viele Tore durch Standards. Es sind die kleinen Dinge im Leben. Es lohnt sich für das eine oder andere Team Standards zu lernen. Die können nämlich eine Waffe sein. Und sei es nur der Standard, einzelne Spieler nicht bundesweit als Sündenbock von ehemaligen Fußballern und heutigen Funktionären durchs Dorf zu treiben und praktisch zu einem Rücktritt zu zwingen. Denn da vergisst der Fußball leider doch gar nicht so schnell. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.

Der Ballbesitzfußball wird derzeit an vielen Stellen bereits totgeschrieben. Das gilt vielleicht für diese WM, im Vereinsfußball kann und wird das ganz anders aussehen. Dazu ist ein solches Turnier das, was es eben ist, eine Momentaufnahme. Die Halbwertszeit eines Nationalteams beträgt kaum 60 Tage, keine Zeit für Revolution. Und, nun ja, der Fußball ist schnelllebig. Meist sogar sehr populistisch und oft, viel zu oft, wird viel zu schnell vergessen. Wahrscheinlich ist es das, was am Ende bleibt.

Vielleicht kommt in ein paar Wochen der Moment, wo sich Fans und Experten weltweit Videos von Frankreichs Tor zum 3:1 gegen Kroatien oder dem belgischen Siegtreffer gegen Japan anschauen und merken: Die Schönheit des Fußballs liegt ganz oft in den schnellen Augenblicken des Spiels, dem Ungeplanten, den Umschaltmomenten. Dann, wenn das Spiel binnen weniger Sekunden eine Wendung nimmt. Wenn eine Mannschaft Raum und Zeit, Ball und Gegner beherrscht, wenn urplötzlich alles passt und das Spiel ins Wanken gerät. Und vielleicht wird sich dann die Meinung durchsetzen: So schlecht war's dann eben doch gar nicht. Im Gegenteil.

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