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07.08.2008 um 19:20 Uhr
Kahn! Die Bayern!
Diese von Marcel Reif nach Gewinn der Champions League 2001 euphorisiert ausgerufenen Worte klingen wohl den meisten Fans des FC Bayern noch heute in den Ohren. Sie waren Ausdruck der Begeisterung über den größten Erfolg der Münchener im vergangenen Vierteljahrhundert und stehen sinnbildlich für eine einzigartige Erfolgssymbiose zwischen einem Spieler und seinem Verein. Denn Oliver Kahn war nicht nur der Garant für eine unüberschaubare Reihe an Triumphen, sondern gleichermaßen – neben Uli Hoeneß – Markenzeichen des selbstbewussten Rekordmeisters mit unbändigem Erfolgshunger.

Seine Identifikation mit dem FC Bayern erklärt auch den Hass, der Kahn über Jahre hinweg in den Stadien der Republik entgegen stieß und der erst nach seinen großartigen Leistungen bei der Weltmeisterschaft 2002 deutlich nachließ. Dabei beruht die Sympathie, die Kahn seitdem zuteil wird, weniger auf der Dankbarkeit gegenüber seinen Klasseparaden in den ersten sechs Spielen, als vielmehr auf dem Versagen im Endspiel gegen Brasilien. Zum ersten Mal erfuhr Kahn kollektives Mitleid; eine Emotion, die er für sich als Siegertyp nie in Anspruch nehmen wollte und nur für andere, wie den geschlagenen Keeper Canizares im Champions-League-Finale 2001, zuließ. Für die öffentliche Wahrnehmung Kahns dürfte der 30. Juni 2002 ein Schlüsselereignis gewesen sein. Denn fortan hatte der Welttorhüter, der allenthalben nur noch als der "Titan" galt, einen Hauch von Menschlichkeit.

Kahn jedoch trägt selbst ein gehöriges Maß Mitschuld an der eigenen Legendbildung. Gerne und fast schon betont eitel philosophiert er noch heute über die Tugenden, die seine außergewöhnliche Karriere ermöglicht haben. Er gefällt sich darin, seinen Kämpfergeist und seinen unbändigen Siegeswillen ("Immer weitermachen!") öffentlich zu zelebrieren und hält damit – trotz diverser Fehlgriffe in den letzten Jahren seiner Laufbahn – den Mythos "Kahn" am Leben. Auch das zunehmende Alter hat ihm, zumindest in diesem Punkt, nicht die nötige Weisheit verliehen.

Vielleicht ist diese Portion Unbescheidenheit auch Teil seines Erfolgsrezeptes und passt zu der betont selbstbewussten Mentalität seines Arbeitgebers. Immerhin hat Kahn in der Sache Recht, wenn er sich selbst als einen Winnertyp par excellene bezeichnet – er müsste es nur nicht unbedingt so oft wiederholen. Denn diese Art der Selbstglorifizierung wird dann peinlich, wenn die Leistungen nicht mehr dem eigenen Erfolgsanspruch entsprechen. Und so hätte auch ein Oliver Kahn sich und der Öffentlichkeit zuletzt eingestehen müssen, dass er den Zenit seiner Karriere längst überschritten hatte. Stattdessen jedoch betonte er fortwährend, dass er auch im hohen Fußballeralter noch zu außergewöhnlichen Leistungen imstande war und konnte diese These mit einem Verweis auf eine beeindruckend geringe Gegentorbilanz untermauern.

Dass diese aber vor allem auf eine herausragende Leistung der Münchener Defensive zurückzuführen war, ist genauso zutreffend wie die Erkenntnis, dass Kahn am Ende seiner Karriere nicht mehr die Sicherheit ausstrahlte, die ihn in seinen besten Jahren auszeichnete. Viele wollten dies jedoch nicht wahrhaben und euphorisierten sich daher an jeder vermeintlichen Weltklasseparade des Münchener Keepers. Wer daran zweifelte und wie bei seiner Parade gegen Leverkusen von reinem Glück sprach, dem wurde von eingefleischten Kahn-Bewunderern Blasphemie vorgeworfen. Dies war typisch für die Beurteilung von Kahns Leistungen in der Öffentlichkeit. Denn aufgrund seiner allgegenwärtigen Heldenverehrung ging die kritische Distanz, die man auch einem Ausnahmesportler entgegenbringen sollte, mehr und mehr verloren.

Dabei hat Oliver Kahn es verdient, dass man seine Karriere angemessen würdigt. Zu einer aufrichtigen Bilanz gehört es, seine große Titelsammlung und seinen bemerkenswerten Siegeswillen genauso zu erwähnen wie seinen Hang zur Selbstinszenierung. Doch bei allem, was man über Kahn Gutes und weniger Gutes sagen mag, steht doch eines unabänderlich fest: Oliver Kahn ist und war ein echter Typ mit Persönlichkeit, der dem deutschen Fußball Farbe verliehen hat und der der Bundesliga schon jetzt fehlt. Seinen überfälligen Rückzug muss man, so paradox ist das Fußballgeschäft, mit einer Menge Wehmut begleiten. Darum ist das, was man Oliver Kahn zum Abschied hinterher rufen möchte, genauso widersprüchlich wie manches in seiner Karriere: "Olli, es ist gut, dass du deinen Hut genommen hast – aber du fehlst uns!"
Aufrufe: 6084 | Kommentare: 16 | Bewertungen: 4 | Erstellt:07.08.2008
ø 7.0
KOMMENTARE
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Enfant_Terrible
07.08.2008 | 23:29 Uhr
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07.08.2008 | 23:29 Uhr
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ja waren das noch zeiten 2001..hab ich letztens noch auf Premiere nochmal in voller Länge gesehen...was der junge Hargreaves da für ein spiel abgeliefert hat, für mich sein bestes spiel im bayern trikot...oder ein Lizarazu was er alles fair weggegrätscht hat...einfach wunderbar...und Olli Kahn der wird uns noch richtig fehlen ...wir werden jetzt mit der Zeit mitkriegen das er sehr fehlt...nicht nur für die Bayern sondern für die ganze Bundesliga!
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GeweihtenCoorp
07.08.2008 | 23:31 Uhr
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GeweihtenCoorp : najaa...
07.08.2008 | 23:31 Uhr
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GeweihtenCoorp : najaa...
deiner Aussage, dass Kahn seinen Zenit längst überschritten hatte stimme ich zu.. das er allerdings früher hätte die Koffer packen sollen sehe ich nicht so.
Zenit überschritten - klingt erstmal sehr negativ^^. Nur dabei muss man auch beachten wo denn der Zenit beim jeweiligen Spieler stand. Oliver Kahn war einer der Besten aller Zeiten und hatte sich seinen Zenit vor allem in den Jahren '99-'02 so unglaublich hoch "gelegt", dass er ihn vielleicht schon 2003 längst überschritten hatte, was aber nicht mehr heißt, als das er vorher so genial und überragend gehalten hatte, dass später gute, aber eben nicht mehr sooo überragende Leistungen schon unter seinem Zenit waren. Auch wenn es sicherlich in der letzten Saison mit einem Adler z.B. bessere Goalies gab, so war Kahn meiner Ansicht nach bis zum bitteren Ende ganz oben anzusiedeln bei den Bundesligatorhütern.

Zudem empfinde ich bis heute die Ausbootung Kahns vor der Weltmeistermeisterschaft als großen Fehler. Klar, Lehmann ---> gut gehalten, aber eben.. "nur" gut, was bei einem Kahn als zu wenig angesehen wäre. Kahn hätte meiner Meinung nach genauso "gut" gehalten, aber er hätte zudem seine großen Qualitäten als Antreiber mit eingebracht, was für mich das absolute Pro-Argument für Kahn gewesen wäre. Hierbei möchte ich an das sagenhafte Bayern - Getafe Spiel erinnern, wo ein Oliver Kahn selbst mit 38 Jahren noch eine ganze Mannschaft ansteckte und naja.. nicht zum Sieg, aber zum Weiterkommen führte . Letztendlich hat Kahn nicht zu spät sondern genau rechtzeitig aufgehört. Hätte er 2006 seine "Belohnung", also als Nummer 1 im eigenen Land zu stehen, gekriegt, wäre dies der richtige Zeitpunkt gewesen um GANZ OBEN aufzuhören, aber so bekam er diese Saison endlich wieder zum Abschluss ein Top-Umfeld, was ich somit als guten Abschluss sehe..


Zum Abschluss das "Argument" pro Lehmann, was ich als Unwort des Jahrzehnts sehe... MITSPIELENDER TORWART..
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nemanja
08.08.2008 | 03:47 Uhr
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nemanja : 
08.08.2008 | 03:47 Uhr
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nemanja : 
Sehr schön geschrieben, auch wenn ich nicht in allen Punkten deiner Meinung bin.

Reifs Ausspruch nach dem entscheidenden Elfmeter ist natürlich Kult, habs letztens auf Premiere auch wieder gesehen
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Angelinho
08.08.2008 | 12:17 Uhr
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Angelinho : perfekter blog
08.08.2008 | 12:17 Uhr
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Angelinho : perfekter blog
könnt ich zu 100%unterschreiben

seh ich auch so
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xredfredx
08.08.2008 | 12:23 Uhr
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xredfredx : hmm...
08.08.2008 | 12:23 Uhr
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xredfredx : hmm...
also ich verstehe nicht, was für einen grund es geben könnte, einen solchen artikel zu schreiben!

kahn ist jetzt seit knapp sechs wochen zurück getreten und plötzlich fällt dir ein, dass er ja eigentlich ziemlich überheblich war!?

also mal davon abgesehen, dass der atrikel in seiner gesamtheit gut geschrieben ist, halte ich ihn inhaltlich für völlig sinnlos!

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Torres9
08.08.2008 | 12:25 Uhr
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Torres9 : Hmm naja..
08.08.2008 | 12:25 Uhr
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Torres9 : Hmm naja..
Stimmt schon das er seine beste Zeit um in den Jahren 99-2002 hatte. Aber die Sache ist ja die, dass 70 % des "Zenits" eines Oliver Kahns immer noch zur Elite der Bundesliga gehören würde.

Zu GeweihtenCoorp kann ich nur sagen:
100% agree mit der WM These. Sehe ich ganz genauso.
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Voegi
MODERATOR
08.08.2008 | 12:31 Uhr
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Voegi : 
08.08.2008 | 12:31 Uhr
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Voegi : 
@ xredfredx

Ich gebe Dir da sogar Recht und will so ehrlich sein, dass der Artikel an sich schon ein paar Monate auf dem Buckel hat und ich ihn jetzt angepasst habe. Anyway, worum es mir geht, ist, einen möglichst realistischen Blick auf Kahns Karriere zu werfen. Dabei ist der Aspekt, dass er vielleicht früher hätte zurücktreten sollen, nur einer von vielen. Mich stört es, dass Kahn zuweilen heroisiert wird und die Schattenseiten leicht ausgeblendet werden. Und dazu gehört neben seiner zuweilen schwer erträglichen Selbstinszenierung mE auch, dass er am Ende nicht mehr so gut war, wie manche ihn gesehen haben.
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donluka
08.08.2008 | 12:39 Uhr
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donluka : Klasse
08.08.2008 | 12:39 Uhr
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donluka : Klasse
Meinetwegen ein wenig verspätet, dennoch ein wohltuend differenziertes Bild von Oliver Kahn!
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xredfredx
08.08.2008 | 12:45 Uhr
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xredfredx : @voegi
08.08.2008 | 12:45 Uhr
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xredfredx : @voegi
schon ein paar monate auf dem buckel?

also eine veröffentlichung des artikels in so oder so ähnlicher form in der winterpause oder nach dem - keine ahnung 30.(?) spieltag - hätte besser ins bild gepasst.

wie gesagt, wirklich gut geschrieben, vermittelt er leider ein bisschen den eindruck, als würdest du im nachhinein deinem unmut und deiner antipathie gegenüber oliver kahn freien lauf lassen wollen.

aber du hast natürlich recht, wenn du sagst: "...dass Kahn zuweilen heroisiert wird und die Schattenseiten leicht ausgeblendet werden. Und dazu gehört neben seiner zuweilen schwer erträglichen Selbstinszenierung mE auch, dass er am Ende nicht mehr so gut war, wie manche ihn gesehen haben."

ja, war nicht böse gemeint und meine unterstellte sinnlosigkeit sicher etwas übertrieben. ich hoffe, du verstehst, wie ich es meine.
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Voegi
MODERATOR
08.08.2008 | 12:56 Uhr
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Voegi : @xredfredx
08.08.2008 | 12:56 Uhr
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Voegi : @xredfredx
Hab das überhaupt nicht "böse" aufgefasst! Kritik ist doch gut und muss sein. Habe jedenfalls nach den paar Tagen, in denen ich mich hier aufhalte, den Eindruck, dass dieser Blog deutlich geistreicher und vor allem respektvoller (!) ist als manch anderer. Von daher: Ich hab überhauptz kein Problem mit Kritik, wenn sie sachlich ist. Und das war Deine ja!

Und außerdem gebe ich Dir ja auch Recht. Der Artikel ist im April diesen Jahres entstanden. Ich habe ihn hier erst jetzt eingebracht, weil ich seinerzeit noch nicht in diesem Blog aktiv war und glaube, dass Kahn nach wie vor eine Persönlichkeit des deutschen Sports ist, die kommentiert werden darf und sollte.
Meinen Unmut über Kahn habe ich aber natürlich auch schon während seiner Laufbahn auf die eine oder andere Weise kundgetan! So isses ja nicht.
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