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30.03.2010 um 00:31 Uhr
Italiener aus Old Trafford (1)
Als Sir Alex Ferguson vor einigen Jahren von einem Journalisten gebeten wurde, ein Fazit seiner Amtszeit bei Manchester United zu ziehen, antwortete er, er sei mit seiner Trainer-Ära bei United alles in allem zufrieden. Nur eins bedaure er. Nämlich, dass United unter ihm noch ein paar Europacup-Siege mehr hätte einfahren müssen. Ja, ich weiß, die Bayern-Fans unter Euch rufen jetzt entsetzt: "Mehr? Einen weniger hätten sie holen sollen!" Aber das ist ein anderes Thema.

Im Übrigen kann man über den schottischen United-Trainer durchaus geteilter Meinung sein. Auf der Habenseite stehen natürlich all die Titel, die er in seinen 24 Jahren auf Manchesters Bank gesammelt hat. Aber da sind auch seine Verbalattacken auf Gegner, Konkurrenten und Schiedsrichter, die ab und an schon mal zum Fremdschämen verleiten. Man könnte sagen, er ist bei United Trainer und Hoeneß in einem. Eins kann man Ferguson allerdings nicht vorwerfen: Altersstarrsinn nämlich.

Denn Ferguson erkannte nicht nur, dass ihm ein paar europäische Trophäen fehlten. Er tat auch etwas dagegen. Er passte die taktische Ausrichtung seiner Mannschaft nämlich den Gegebenheiten im internationalen Fußball an. Fergusons Erkenntnis: Die offensive Ausrichtung im englischen Standard 4-4-2 mit zwei Sechsern und zwei offensiven Flügelspielern plus zwei Stürmern und vor allem der britische Powerfußball, bei dem die Mannschaft 90 Minuten Dampf macht, funktionieren in Europa nicht (so wie die Engländer "Europa" sagen, wird übrigens immer wieder klar, dass sie selbst da gar nicht dazu gehören. Wenn wir von "Übersee" sprechen, meinen wir die USA. Wenn die Engländer von "Overseas" reden, dann meinen sie uns). Weil man den Gegnern so ins offene Messer läuft.

Das Champions-League-Aus nach der Vorrunde im Dezember 2005 muss der Punkt gewesen sein, an dem diese Erkenntnis in Ferguson reifte. Einen Sieg bei Benfica Lissabon brauchte die Ferguson-Truppe, um sich für das Achtelfinale zu qualifizieren. Am Ende stand allerdings eine 1:2 Niederlage, die sogar dazu führte, dass United auch noch den UEFA-Cup verpasste. Es war also an der Zeit, zu handeln, denn der Champions League-Triumph von 1999 lag lange zurück und in der Liga war Manchester mit Mourinhos Chelsea gerade ein neuer, ernsthafter Konkurrent erwachsen.

Was Ferguson seinem Team verordnete, war mehr Vorsicht. Defensive. Weg vom englischen "Auf-sie-mit-Gebrüll!"-Fußball. Seitdem läuft Man Utd. international, vor allem auswärts, häufig in einem 4-5-1 mit drei zentralen Mittelfeldspielern auf, die vor allem die Mitte dicht machen sollen. Und von den drei "Offensiven" haben einer oder beide Flügelspieler die Aufgabe, intensiv zu verteidigen.

Und so kam der internationale Erfolg zurück nach Manchester. 06/07 erreichte United das Halbfinale, 07/08 gewann Fergusons Truppe den Titel und 08/09 schaffte United den Finaleinzug. Nicht schlecht (auch wenn wir nicht verschweigen sollten, dass die Premier-League-Klubs insgesamt in dieser Phase die Champions League dominierten, was fraglos auch auf ihre finanzielle Dominanz zurück geht).

Zwei Spiele verdeutlichen Fergusons Vorgehensweise: Am 1. April 2008 reiste United zum Viertelfinal-Hinspiel ins römische Olympiastadion. Ein Jahr zuvor hatte Manchester den AS Rom in der gleichen Runde mit 1:2 und 7:1 weggefegt. Anders als bei der Hinspiel-Niederlage im Jahr zuvor spielte Ferguson diesmal eben nicht im 4-4-2 mit zwei Stürmern. Stattdessen schickte er mit Carrick, Scholes und Anderson drei "Sechser" auf den Platz. Vorne spielten Rooney zentral und Ronaldo rechts, dazu kam mit Ji-Sung Park Fergusons Lieblings-Defensivstürmer. Genau, Defensivstürmer. Parks Hauptaufgabe auf dem linken Flügel war es nämlich, den Außenverteidiger auf seiner Seite nicht unbehelligt nach vorne marschieren zu lassen. Und seinem Außenverteidiger Patrice Evra zu helfen. Vorne sollte die individuelle Klasse von Rooney und Ronaldo für Tore sorgen. Und der Plan ging auf: Rom hatte deutlich mehr Ballbesitz, aber kaum Chancen. United konterte und traf zwei Mal – durch Rooney und Ronaldo. Nach Uniteds 2:0 Auswärtssieg war das Rückspiel im Old Trafford nur noch Formsache. Manchester gewann 1:0. Roms Trainer Luciano Spalletti kommentierte das Hinspiel so: "Manchester United hat uns 2:0 geschlagen. Aber sie waren noch italienischer als wir…"

Drei Wochen später traten Fergusons "Italiener" im Camp Nou von Barcelona an. Und setzten noch einen drauf. Mit Ronaldo, Rooney und Tevez sah die Aufstellung zwar einigermaßen offensiv aus, die Realität sah so aus: Ronaldo war die einzige Spitze, Rooney und Tevez (und Park sowieso) waren mit Verteidigen beschäftigt. Was zu unglaublichen 73% Ballbesitz für Barcelona führte. Torschussverhältnis 20:7. Gefährlich wurde es für Manchester allerdings so gut wie nie. Und der einzige Grund, dass United "nur" mit einem 0:0 nach Hause fuhr, war ein verschossener Elfmeter von Ronaldo...
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Aufrufe: 7370 | Kommentare: 4 | Bewertungen: 16 | Erstellt:30.03.2010
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KOMMENTARE
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altrico
30.03.2010 | 12:48 Uhr
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altrico : 
30.03.2010 | 12:48 Uhr
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altrico : 
Guter Blog!
Er zeigt einfach was für ein hervorragender Taktiker Ferguson ist. Natürlich hat vG auch was auf dem Kasten, aber heute Abend bekommt es Bayern nicht nur mit einer individuell besser besetzen Mannschaft zu tun, sondern auch mit einer hervorragend trainierten und taktisch eingestellten...es wird verdammt schwer. Aber ich liebe am Fußball, dass echt alles passieren kann!
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Marco96
30.03.2010 | 12:59 Uhr
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Marco96 : 
30.03.2010 | 12:59 Uhr
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Marco96 : 
ferguson ist und bleibt der beste trainer der welt !!!
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Flavio_Briatore
30.03.2010 | 13:10 Uhr
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30.03.2010 | 13:10 Uhr
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Sir Alex ist der Beste
und gleich dahinter folgt Felix Magath!!!

Trotzdem gewinnt der FCB heute mit 2-0
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mrpink27
11.05.2010 | 15:42 Uhr
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mrpink27 : 
11.05.2010 | 15:42 Uhr
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mrpink27 : 
"Das Champions-League-Aus nach der Vorrunde im Dezember 2005 muss der Punkt gewesen sein, an dem diese Erkenntnis in Ferguson reifte."

*klugScheiß*
J. Wilson schreibt, dass die 3:2 Niederlage gegen Real in CL 99-00 schon zu einem Umdenken bei Sir Alex geführt hat. Ich kann mich aber nicht an die taktischen Aufstellungen aus der Zeit 2000 bis 2005 erinnern. (Gibt es ein Benimmhandbuch für Sirs und Ladys der britischen Krone?)

Mir fällt auf, dass United heute meist ein 4-3-3 spielt. nun scheinen in der PL einige Vereine einfach 4-3-3 aufzustellen und meinen damit seien alle probleme des 4-4-2 gelöst. so einfach ist es dann doch nicht (nach dem motto wenn es bei Chelsea und Arsenal klappt dann auch bei uns). und man muss sagen, dass der abgang von Tevez und Ronaldo völlig unterschätzt wurde. als die beiden noch da waren hatte United die möglichkeit 4-4-2, 4-2-3-1, 4-3-3 (oder wie man die ganzen variationen nennen will) zu spielen, davon ist nichts übrig geblieben. mit nur einem variabel einsetzbaren spieler lässt sich schlecht variabel spielen. sicher kann man einen Nani oder Park auch auf verschiedene positionen stellen, aber sie sind keine stürmer wie CR und Tevez.
Berbatov wurde nie in die mannschaft eingebaut, bzw. die mannschaft auf ihn eingestellt. eigentlich müsste dieser völlig andere stürmertyp eine neue dimension ins spiel bringen, aber meist wird er nur reingeworfen (in den pokalspielen fand ich ihn nicht so schlecht). SAF hat ihm keine feste position z.b. hinter Rooney gegeben. auch Owen konnte kaum helfen, aber warum wurden diese spieler dann verpflichtet?
entweder hat United verpennt sich taktisch auf die abgänge einzustellen und das beste aus den spielern raus zu holen oder das übriggebliebene beste war einfach zu wenig.
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