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09.03.2011 um 16:35 Uhr
Hooliganismus - Eine Analyse II
Hier nun die erste Theorie zum Hooliganismus

3.1 Theoretische Modelle: Entwertungsthese

Nachdem der Begriffsdefinitionen des Hooliganismus vorgestellt wurden, soll nun die Entwertungsthese von Wilhelm Heitmeyer und Jörg-Ingo Peter aus ihrem 1988 veröffentlichten Werk „Jugendliche Fussballfans: soziale und politische Orientierungen, Gesellungsformen, Gewalt" wiedergegeben werden.

Heitmeyer und Peter verstehen Fangewalt als modernes Gewaltphänomen, welches seinen Ursprung in den negativen Folgen der gesellschaftlichen Individualisierung habe (vgl. Heitmeyer/Peter 1988: 9). Individualisierung wird an dieser Stelle im Sinne von Ulrich Beck gebraucht, somit meint Individualisierung einen „in sich widersprüchlichen gesellschaftlichen Entwicklungs- und individuellen Sozialisationsprozess" (Heitmeyer/Peter 1988: 9). Heitmeyer und Peter konstantieren eine „erhöhte Gewaltakzeptanz und autoritäre Orientierungen von jugendlichen Fans" und stellen diese in einen Zusammenhang zur Auflösung von sozialen Milieus und zur „Entwertung der Rolle und Bedeutung der Fans sowie deren Versuchen zur Neukonstituierung der Bedeutung von Gewalt einerseits und der Substituierung durch autoritär-nationalistische Orientierungen andererseits" (Heitmeyer/Peter 1988: 9).

Die Entwertungsthese von Heitmeyer und Peter lautet folgendermaßen: „Dass sich auf dem Hintergrund der ,Schattenseiten' der Individualisierungsschübe ein Auflösungsprozess vollzieht, der sowohl durch die Erosion überdauernder, alltäglicher sozialer Lebenszusammenhänge als durch die spezifische Entwicklung der Durchkapitalisierung des Profifussballs ausgelöst und mittels Disziplinierung bzw. Zerschlagung durch Ordnungskräfte forciert wird" (Heitmeyer: 1988: 163).

Die voranschreitende Individualisierung resultiere laut Beck darin, dass Familie oder Nachbarschaft einen Bedeutungsverlust erfahren und Lebenslagen und die persönliche Biografie individualisiert werden (vgl. Heitmeyer 1988: 160). Hieraus folge, dass die soziale Unsicherheit steige und Jugendliche einen Ersatz für die traditionellen Bindungen suchen würden, welchen sie in Peer-groups fänden (vgl. Heitmeyer/Peter 1988: 27). Individualisierung bedeute jedoch nicht, dass die Autonomität von Individuen zunehme, sondern die soziale Kontrolle werde noch verstärkt, indem gesellschaftliche Instanzen versuchten, das Verhalten der Individuen zu normieren (vgl. Heitmeyer/Peter 1988: 30)
.
Um eine treffende Analyse der Fangewalt zu gewährleisten, unterteilt Heitmeyer die Fans in drei Typen, die den weiter oben von Baack beschriebenen Typen sehr ähneln: der konsumorientierte Fan, der fussballzentrierte Fan und der erlebnisorientierte Fan (vgl. Heitmeyer 1988: 32). Die Typen des fussballzentrierten sowie der erlebnisorientierten Fans würden eine soziale Entwertung erfahren, wobei die Kommerzialisierung des Fussballs sowie der Einfluss von Disziplinierungs- und Kontrollinstanzen eine zentrale Rolle einnehmen würden. Diese Entwicklungen stehen jedoch im Widerspruch zu der im Zuge der Individualisierung vergrößerten Bedeutung der Peer-groups.
Die Kommerzialisierung des Fussball führe dazu, dass Fussballunternehmen sich gezielt an den konsumorientierten Fantypus wende, da die fussballzentrierten und erlebnisorientierten Fantypen mit der ihrerseits internalisierten sozialen Bedeutung den kommerziellen Interessen der Fussballunternehmen entgegenstehen würden (vgl. Heitmeyer/Peter 1988: 36ff).

Des Weiteren werde die Entwertung der fussballzentrierten und erlebnisorientierten Fantypen dadurch verstärkt, dass die soziale Kontrolle und Disziplinierung in Fussballstadien zunehme. Als Beispiel werden hierbei käfigähnliche Stehplatzblocks sowie Zivilfahnder angeführt, welche sich unter die Fans mischen würden (vgl. Heitmeyer/Peter 1988: 41).
Die in der Entwertung der Fans resultierenden Kommerzialisierungs- und Disziplinierungsprozesse führen nach Heitmeyer und Peter dazu, dass ein Konfliktpotenzial entstehe. Dieses entlade sich im Ausbrechen von Fangewalt, weil Fussball für einen Teil der Fans aufgrund der Individualisierung als eine „nicht austauschbare Lebenswelt" gelte und diese Fangruppen die Entwertungsprozesse als „individuelle und gruppenbezogene Identitätsgefährdung" deuten (Heitmeyer 1988: 166).

Die Entwertung führe bei den betroffenen Fangruppen zur Hoffnungslosigkeit und um sozialer Unsichtbarkeit entgegenzuwirken, würden zusätzlich zur Gewalt autoritär-nationalistische Orientierungsmuster verwendet, welche jedoch von etablierten Stadionbesuchern abgelehnt würden (vgl. Heitmeyer 1988: 41f).

Des Weiteren stellen Heitmeyer und Peter fest, dass sich die Gewalt verschärft habe. Diese Entwicklung sei darauf zurückzuführen, dass Fangruppen ein Selbstbewusstsein aus dem negativen Image des Hooliganismus in den Medien gewinnen würden. Um ein weiteres Versinken in sozialer Unsichtbarkeit zu verhindern, komme es zu einer Eskalationsschraube (vgl. Heitmeyer 1988: 169).

Hier geht es weiter zu Teil III: Teil III
Aufrufe: 8262 | Kommentare: 0 | Bewertungen: 1 | Erstellt:09.03.2011
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