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03.06.2009 um 22:14 Uhr
Glaube im Fußball
In einer Welt voller Sorgen & Nöte, Ungerechtigkeit und der derzeitigen Krise gibt es immer mehr Menschen, die zum Glauben (zurück)finden oder sich stärker auf diesen besinnen. Auch im Fußball ist es Gang und Gäbe zu glauben und sich darauf zu berufen, dass da jemand den persönlichen Werdegang hütet.
Was bei nahezu jedem brasilianischen Fußballprofi zum Leben gehört, ist auch für viele andere Spieler und Trainer kein daher gesagtes Interview-Blabla, sondern wichtiger Bestandteil der Karriere. T-Shirts mit der Aufschrift "I love Jesus" oder ein Gruß gen Himmel sind keine Seltenheit. Aber warum ist Glaube auch bei diesen Elitevertretern so existenziell?

Der Glaube an Jesus und Pelé - sponsored by Nike
Fangen wir bei der Erziehung an, um das alles etwas auszuklamüsern. Da gibt es den kleinen Savio Mariá Ortega Cruz (fiktiv), den Sohn eines armen Bauern, dem seit jungen Jahren erklärt wird, wie wichtig der Glaube an Jesus ist. Er wächst zwischen Plantage und Bolzplatz auf, wobei die Kirche nicht nur am christlichen Ruhetag wichtig ist. Jeden Tag betet er dafür, eines Tages die großen Stadien dieser Welt wie seine Vorbilder Beckenbauer und Pelé betreten zu dürfen. Es irgendwann zum Profi zu schaffen, das ist sein Traum, dafür lebt er - Tag ein, Tag aus. Wie in der letztjährig passend zur EM erschienen Werbekampagne des Sportausrüsters Nike ackert Savio hart, um es irgendwann nach oben zu schaffen. Ein ständiger Begleiter durch die Jugendauswahlen seiner Region und seines Landes ist der Glaube.

Ein Zeichen des Himmels
Während eines Spiels, bei dem er seine ersten eigenen Fußballschuhe von Diadora tragen darf, was ihn vor Stolz gleich zwei Klassen besser spielen lässt, fällt der kleine Savio mehreren Agenten auf. Diese lassen keine Chance ungenutzt, um der gläubigen Familie zu vermitteln, wie wichtig es wäre, genau jetzt den nächsten Schritt zu gehen. Nach Monaten des Abblockens der Angebote mit den grünlichen Dollarnoten und Betens für eine gesegnete Zukunft des Talents entschließen sich die Eltern ihren Jungen einem Agenten mit schwarzem Mercedes Benz und feinem Anzug zu überlassen. Eine Unterschrift unter einem für die Analphabeten nicht gerade verständlichen Vertrag besiegelt Savios Weg aus der ärmlichen Region Brasiliens.

One-Way-Ticket ins Paradies
Der 15-jährige, für sein Alter ziemlich schmächtige Mittelfeldartist sitzt im Flieger, umgeben von wichtig wirkenden Geschäftsleuten und Plantagenbesitzern. Sein Agent hat ihm einen MP3-Player geschenkt, passend gefüllt mit Stadionrock und Popmusik, die momentan in Europa angesagt ist. Savio gefällt der Gedanke bald mit anderen Talenten zu spielen. Er träumt über dem Atlantik von einer glorreichen Zukunft, von Millionen Fans, davon, dass es seinen Eltern bald besser denn je gehen werde. Vollkommen erschöpft und überwältigt vom überfüllten Pariser Flughafen schleppt er seinen Koffer durch das Glas- und Stahlgebäude, in welchem Menschen hektisch und laut in Mobiltelefone schreien. Er ist angekommen, mit ihm auch sein Glaube.

Willkommen in der Wirklichkeit
Es dauert eine ganze Weile, bis Savio sich im modernen Europa zurecht findet. Auf der Privatschule der Talentschmiede des Paris Saint-Germain lernt er etwas über Geografie und Geschichte, aber auch die Härte des Geschäfts. Vollkommen allein in einer Welt, in der nur seine nächste, hochklassige Leistung zählt, ist das einzige, was ihm noch aus der Heimat geblieben ist, sein Glaube. Seine Familie sitzt Tausende Kilometer entfernt im Niemandsland und hat mittlerweile ein Mobiltelefon, sie warten auf seinen Durchbruch, um vollends aus dieser Provinz verschwinden zu können. Häufig telefonieren sie mit ihrem Sohn, der nun wenig von seiner kindlichen Naivität behalten hat. Savio ist wortkarg und leer, bis auf das Thema Glaube gibt es nicht viel, was ihn beschäftigt. Wie in einer Warteschleife trainiert er tagtäglich für seine hoffentlich bald eintretende, große Karriere.

Irrglaube
Savio ist mittlerweile 19 Jahre alt und hat einen sechsstelligen Marktwert, was seine Förderer sehr glücklich macht. Sie reden ihm oft gut zu, schenken ihm einen Neuwagen aus Deutschland und regelmäßig Einsätze kurz vor oder in der Nachspielzeit. Ab und zu kann er durch feine Dribblings überzeugen, einige Interviews durfte er (mit Unterstützung seines neuen Agenten bei Übersetzung und Beantwortung der Fragen) auch geben. Er betet noch immer täglich für seinen großen Durchbruch. An einem verregneten Spätherbsttag kommt er zum ersten Einsatz in der Startelf, entsprechend aufgeregt ist er vor dem Spiel. Seine Leistungen werden gefeiert, alle, auch die gegnerischen Fans, sind von der Übersicht des jungen Brasilianers begeistert. Nach diesem für ihn so wichtigen Spiel stürmen die Journalisten auf Savio zu, überrennen ihn förmlich. Das Blitzlicht und die Scheinwerfer blenden ihm entgegen. Fragend schaut er umher, einige Meter entfernt erblickt er seinen Agenten, der mit einem Gewinnerlächeln nickt.
Einer der Reporter drängt sich durch den Mob, einen Kameramann im Schlepptau.

Ein tolles Spiel, Savio! Wie fühlen Sie sich?

Savio erwidert: I thank God.
Aufrufe: 12987 | Kommentare: 41 | Bewertungen: 54 | Erstellt:03.06.2009
ø 8.1
KOMMENTARE
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Cesc__Fabregas
20.01.2011 | 15:57 Uhr
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20.01.2011 | 15:57 Uhr
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Nachdem ich den Blog eben nocheinmal gelesen habe, musste ich irgendwie an den Brana Blog denken, in dem ein Lucio, Kaka oder Viera als Muslime gepriesen wurden

ich glaub ich hatte damals nichts geschrieben, dieser Blog ist überragend!
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