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07.06.2011 um 19:27 Uhr
Frauen-WM 2011, US-Lucky 21

©Getty

Die Frauen-Fußballweltmeisterschaft ist nicht mehr allzu weit entfernt, deswegen mal ein schaler Blick auf die US-Mannschaft, im Slang fürchterlich mit "USWNT" (United States Women's National Team) bezeichnet, die eine verdammt knifflige Vorrunde zugelost bekommen haben (Schweden, Nordkorea).

Es ist ein recht frischer Kader, den die schwedische US-Trainerin Pia Sundhage gebastelt hat. Zwölf der 21 sind WM-Neulinge, aber betrachtend, dass die durchschnittliche Spielerin 73 Länderspiele (!) auf dem Buckel hat, keine unerfahrene Mannschaft. Trotzdem steckt die USWNT gefühlt noch im Umbruch und der Vorwahl einiger Leistungsträgerinnen ist auch schon länger nicht mehr die "2".

TORFRAU

Die #1 im Kasten wird Hope Solo sein, die mit zwischen "Zicke" und "Siegertyp" die Geister scheidet. Fakt ist: Solo wird dir auch ungefragt höflich oder unhöflich ihre Meinung mitteilen. Eher die unhöfliche Variante: Bei der WM 2007, nachdem Stammkeeperin Solo vor dem Halbfinale plötzlich abgesägt worden war. Die Ersatzfrau Scurry hielt grottenschlecht, die USA verloren 0:4 und Solo beförderte sich mit anschließender beißender Kritik ins Abseits. Sportlich für mich die zuverlässigste Torfrau und ihre rechtzeitige Genesung sollte für diese Mannschaft essenziell sein.

VERTEIDIGUNG

Ich habe ehrlich noch keine Ahnung, wie die Viererkette aussehen wird. Zu wenige Spielerinnen mit einer klaren Stammposition, zu überraschend die Aufstellungen in den Tests gegen Japan und jüngst Mexiko. Chefin wird wohl #3 Christie Rampone sein. Rampone wird bei WM-Start 36 sein und war schon vor 12 Jahren beim Heim-WM-Titel in Pasadena mit dabei. "Soccer Mum" (wurde 2010 wieder Muttter) Rampone definiert sich wohl am besten über den Terminus "Erfahrung". Fraglich, wo sie denn aufgestellt werden soll?

Für die RV-Position dürfte nur #11 Ali Krieger in Frage kommen, die deutsche Fans von ihrem Frankfurt-Aufenthalt kennen sollten, die aber in den USA einen erstaunlich schweren Stand hat.

Bisschen wenig Reputation genießen auch die drei potenziellen Innenverteidigerinnen #19 Rachel Buehler, #4 Becky Sauerbrunn und #6 Amy LePeilbet. LePeilbet gilt als eine der besten Abwehrspielerinnen der US-Profiliga WPS, ist im Nationalteam aber erst seit zwei Jahren eine feste Größe. Gegen Japan und Mexiko spielte LePeilbet unerwartet als Linksverteidigerin – wie Sundhages Pläne diesbezüglich wohl aussehen? Sauerbrunn war eigentlich schon draußen, hat sich mit starker Vereinssaison wieder in den Fokus gespielt. Dito #2 Heather Mitts, WM-Debütantin mit 33 und nach zahlreichen Verletzungen vor allem sowas wie eine sentimentale Favoritin.

Links verteidigen kann #14 Stephanie Cox, die aber nach der horrenden Vorstellung gegen Japan erstmal außen vor sein könnte.

MITTELFELD

Angesichts der Spielernamen hätte ich den US-Girls eine hohe Note im Mittelfeld gegeben. Allein: Die beiden Testspiele haben noch einmal drüber Nachdenken veranlasst. #7 Shannon Boxx und #10 Carli Lloyd haben im zentralen Mittelfeld erstaunlich schlecht harmoniert. Boxx ist der Ballack dieser Mannschaft, defensivstark und eine Art Spielmacherin vor der Abwehr. Lloyd gibt den etwas offensiveren Part, nur hapert die Abstimmung mit Boxx noch heftig. Eine Alternative wäre #16 Lori Lindsey, die technisch höheren Ansprüchen genügt, aber doch sehr zierlich für eine Abräumerin gebaut ist.

Dabei wäre eine gut geölte Mittelfeldzentrale wichtig, um der wuseligen #9 Heather O'Reilly den Rücken frei zu halten. O'Reilly gibt die Freigeistige und taucht so ziemlich überall in der gegnerischen Platzhälfte auf. Die Wichtigkeit O'Reillys drückt sich auch in ihrer Rückennummer 9 aus, seit Mia Hamms Zeiten die meistvergötterte Frauenfußball-Trikotnummer in Amerika und mit einem Stellenwert wie der 10 in Brasilien und Argentinien ausgestattet.

Dazu #15 Megan Rapinoe, die sehr gute Flanken schlägt, aber defensiv Arbeitsverweigerung betreibt.

Höchst interessante junge Spielerin: #17 Tobin Heath, die die exzellente Fußballschule der University of North Carolina durchlaufen hat und eine sehr dynamische Antreiberin ist, aber noch sehr unerfahren.

Noch jünger: #5 Kelly O'Hara, Nachrückerin für die mit Kreuzbandverletzung ausgeschiedene Lindsay Tarpley. O'Hara, nicht die Kellnerin Sinead Farrelly, wurde nun also nachnominiert.

ANGRIFF

Sturmführerin wird die ewig junge #20 Abby Wambach (117 Tore in 154 Länderspielen) sein, in ihrem x-ten großen Turnier. Wambach ist nicht die wuseligste, aber ihre Qualitäten im Abschluss sind unbestritten (und händeringend benötigt).

#8 Amy Rodriguez spielt meist hängende Spitze und ich bin grad überrascht, dass A-Rod ihre erste WM spielen soll. Ist gefühlt seit Ewigkeiten dabei. Im Gedächtnis bei mir auch deshalb geblieben, weil Prädikat "Chancentod". Dritte im Bunde: #12 Lauren Cheney, wie Rodriguez keine prototypische Mittelstürmerin. "Nicht prototypisch", aber was eine verdammt gute rechte Klebe:



Sehr gespannt darf man auf die blutjunge #13 Alex Morgan sein, meine Lieblingsstürmerin im Frauenfußball: Wendig, trickreich, technisch stark, aber mit 21 noch sehr unerfahren und vor dem Tor noch reichlich flattrige Nerven, aber Morgan wird in absehbarer Zeit eine der besten Stürmerinnen sein - garantiert. Vielleicht schon bei der WM, wenn sie denn ihre Einsatzchancen bekommt.

Morgan hat sich in den letzten beiden Jahren an der gehypten US-Kanadierin Sydney Leroux vorbeigespielt. Leroux (ex-UCLA) ist nicht im WM-Kader, was mich vor einem Jahr noch schwer überrascht hätte, aber die Kritiken waren zuletzt eher durchwachsen, und Lerouxs Konkurrenz in der "zweiten Liga" in Vancouver ist, nun, nicht WM-Niveau. Ebenso nicht dabei: Die mit Tattoos übersäte Hawaiianerin Natasha Kai.

Ausblick

Im Prinzip trotz der schwachen Qualifikation (erst in letzter Minute in der Relegation gegen Italien das Ticket gelöst) ein durchaus titelfähiger Kader. Die letzten beiden Testspiele haben allerdings arge Probleme offenbart, wenn es darum geht, den Ball aus der Abwehr nach vorne zu treiben, sprich: an der Zentrale mit Boxx/Lloyd werden noch etliche Stellschrauben gedreht werden müssen.

Viel Zeit zum Testen bleibt nicht mehr und die Vorrunde hat es in sich: Schweden und Norkorea als Gegnerschaft, was ich für durchaus happig halte. Ein Vorrundenaus ist angesichts der erwarteten Uneingespieltheit durchaus nicht ganz ausgeschlossen.

Wie allerdings auch nicht ein Titel-Run, wenn auch der Weg ab dem Viertelfinale der Weg um nichts einfacher werden würde.

Die US-Frauen: Zweifellos das dark horse dieses Turniers.
Aufrufe: 6146 | Kommentare: 5 | Bewertungen: 8 | Erstellt:07.06.2011
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KOMMENTARE
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Torres9
08.06.2011 | 23:33 Uhr
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Torres9 : 
08.06.2011 | 23:33 Uhr
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Torres9 : 
Bin zwar absolut kein Freund und Fan vom Frauenfußball und schalte da wenn nur aus Patriotismus-Gründen (oder so ähnlich) mal zu.

Aber ich muss sagen, dass so ein Blog mich schon beeindruckt. Schön geschriebenn, umfangsreich und mit einigen Infos.
Von mir nen 10er für die gute Arbeit. Woher du das ganze Wissen auch immer hast!?
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mehrfussball
09.06.2011 | 12:34 Uhr
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09.06.2011 | 12:34 Uhr
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Das ist ja eine ganz neue Definition von "Soccer Mum". Normalerweise ist das keine Fußballspielerin mit Kindern, sondern eine (weiße) Frau aus der Mittelklasse, die regelmäßig ihre Kinder zum (in den USA teuren) Soccer-Training bringt.
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korsakoff
09.06.2011 | 17:42 Uhr
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korsakoff : 
09.06.2011 | 17:42 Uhr
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korsakoff : 
@Torres9
Ich finde Frauenfußball an sich nicht so uninteressant. Die neue Generation (z.B. Tobin Heath, aber auch Kim Kulig aus der deutschen Mannscaft) bringt nun sogar eine neue Komponente mit ins Spiel: Dynamik. Frauenfußball wird nie so hart geführt werden wie Männerfußball, aber in der Weltspitze (bzw. sogar einige Spiele bei der U-20 WM vor einem Jahr) sind die meisten Spiele schon sehr, sehr anschaulich.

Hauptproblem ist IMHO die fehlende Leistungsdichte, weswegen wir bestimmt auch wieder ein paar 6:0, 7:0 oder so erleben werden, was natürlich für's Image nicht gut ist.

@mehrfussball
Das dachte ich auch. Auf der eigenen Homepage wird Christie Rampone aber als "Soccer Mom" bezeichnet. Ich habe das einfach mal übernommen.
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UncleJack
10.06.2011 | 02:36 Uhr
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UncleJack : 
10.06.2011 | 02:36 Uhr
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UncleJack : 
Zunächst mal vielen Dank für diesen sehr interessanten und informativen Überblick. Ich hatte unser USWNT seit der 2008 Olympiade so ziemlich aus den Augen verloren und so ist dies eine wirklich hilfreiche 'reintroduction' - gerade rechtzeitig zur WM.

Bzgl. der Sache mit Hope Solo bei der 2007 WM - ich erinnere mich daran noch gut: Ich glaube, daß Hope selbst ihren kurzen 'Ausbruch' damals ganz schnell sehr bedauert hat. Aber ich - und viele andere - würden ihr da schon ganz erhebliche mildernde Umstände zusprechen. Deshalb: Sie nur wegen jene Episode möglicherweise als eine "Zicke" zu betrachten, halte ich schon für eher harsch.

Eine Frage: Du schreibst, daß für die RV Position nur Ali Krieger in Frage kommen dürfte. Aber auch, daß sie in den USA einen erstaunlich schweren Stand habe. Da würde mich ein wenig mehr Hintergrund sehr interessieren.

Nochmals vielen Dank und 10 Punkte.
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korsakoff
10.06.2011 | 07:22 Uhr
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korsakoff : 
10.06.2011 | 07:22 Uhr
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korsakoff : 
@UncleJack

Keine Sorge. Ich habe bereits eine Hope-Solo-Geschichte im Köcher, die die Frau ins rechte Licht rückt. "Zicke" ist nicht meine Meinung, sondern die öffentliche.
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