03.02.2010 um 22:47 Uhr
Feuer frei!
Dass im Super Bowl die beiden besten Teams der regulären Saison aufeinander treffen ist wahrlich ein seltenes Glück. Die Indianapolis Colts und die New Orleans Saints waren beide ungeschlagen, bis sie alle in der regulären Spielzeit erreichbaren Ziele erreicht hatten. Und auch in den Playoffs konnten sich beide je zwei Mal durchsetzen, wenn auch, wie im Fall der Saints im Halbfinale, nur mit viel Glück. Und so dürfen wir uns am Sonntag auf ein echtes Traumfinale freuen. Zwei Topmannschaften, zwei der besten Quarterbacks der Liga, zwei herausragende Angriffsreihen. Es sollte ein Footballfest werden, für alle, die gerne Offensivfootball sehen. Und es sollte allen Halbfans und gänzlich Uneingeweihten demonstrieren, wie unterhaltsam dieser Sport sein kann.
In jedem Fall darf man ein Passfeuerwerk erwarten. Vielleicht nicht ganz so extrem wie im Pro Bowl am vergangenen Wochenende (als 33 Läufen 91 Pässe gegenüber standen), aber ähnlich. Denn zum zweiten Mal in Folge steht das schlechteste Laufteam der regulären Saison im NFL Finale. In der Vorsaison waren das die Arizona Cardinals, nun kommen die Indianapolis Colts als schwächster Laufangriff der Liga in den Super Bowl. Mal ehrlich, vor 15 Jahren wäre das noch völlig unvorstellbar gewesen. Iideale Offensivbalance bedeutete: 60% Lauf, 40% Pass. Ist noch gar nicht so lange her.
Damals galt: Laufspiel ist das Fundament des Angriffs, manche Trainer ließen nur dann Werfen, wenn es gar nicht anders ging. Das Laufspiel legte den Grundstein für die Passattacke. Und wenn man wirft, so glaubten damals viele, können nur drei Dinge passieren und zwei davon sind schlecht: Vollständiger Pass, unvollständiger Pass und Interception. Dass ein Running Back auch Raumverlust kassieren oder den Ball verlieren kann, ließ man in dieser Grundregel der Football-Konservativen mal so eben unter den Tisch fallen. Egal. Heute denken die meisten Trainer nicht mehr so. Die Wahrheit im neuen Jahrtausend lautet: Man passt, um in Führung zu gehen. Und dann läuft man, um die Führung über die Zeit zu schaukeln. Und sowohl die Colts als auch die Saints "passen" voll rein ins neue Jahrtausend.
Natürlich gibt es Gründe für diesen Paradigmenwechsel im Football. Ende der 70er Jahre machte Bill Walshs Westcoast-Offense das kontrollierte Passspiel in den kurzen Zonen populär. Walsh ersetzte Laufspielzüge durch kurze Pässe. Dadurch steigerte sich natürlich auch die Trefferquote der Quarterbacks (weil die Pässe leichter wurden), was nichts anderes als mehr First Downs bedeutete. Das Passspiel wurde für Trainer eine berechenbare Größe. Dazu kam das Aussterben der extrem lauforientieren Offensivsysteme im College Football. Stattdessen setzten die Coaches an den Universitäten immer mehr auf den Pass. Und prompt bekam die NFL aus ihrer inoffiziellen Nachwuchsschule immer besser ausgebildete Spielmacher.
Dazu kamen im College neue Angriffsphilosophien wie die "Spread Offense", die mit vielen Passempfängern Abwehrformationen auflockerte und mehr Räume sowohl für Lauf- als auch für Passspiel schaffte. Und so schlichen sich in den vergangenen fünf Jahren in der NFL immer mehr Formationen mit 4 oder 5 Passfängern ein. Anfang der 90er waren 3 Receiver der letzte Schrei und hypermodern gewesen.
Prompt kommen Quarterbacks heute an die 70% Marke bei den vollständigen Pässen heran. Drew Brees von den Saints lag sogar knapp darüber, Manning etwas darunter. Vor 15 Jahren war man mit 60% Trefferquote extrem zielgenau, heute liegt man damit nur noch im Durchschnitt. Die Footballwelt hat sich verändert.
Und keiner hat sie mehr verändert als Peyton Manning. Der Spielmacher der Colts hat es in seiner NFL-Karriere zu einer nie dagewesenen Meisterschaft gebracht. Kein Quarterback der Liga hat so viele Freiheiten und so viel Einfluss auf das Offensivspiel seines Teams wie Manning. Manche sagen, er sei eigentlich in Personalunion Quarterback, Offensive Coordinator und Head Coach. Manning hat das Quarterbacking in der NFL auf ein ganz neues Niveau gehievt.
Aber auch Drew Brees hat sich in den vergangenen Jahren in das absolute Toplevel hineingespielt. Statistisch gesehen war seine Saison sogar noch besser als die von Peyton Manning. Der hat allerdings eine gute Ausrede (z.B. für seine 16 Interceptions): Manning musste erst den Verlust seines langjährigen Lieblingsreceivers Marvin Harrison verkraften. Und dann fiel mit Anthony Gonzalez auch gleich noch der Mann verletzt aus, der Harrison ersetzen sollte. Also musste Manning zwei blutjunge Receiver einarbeiten, nämlich Pierre Garcon und Austin Collie. Da kann es schon mal zu Timingproblemen kommen und die resultieren oft in Fehlpässen. Aber die Arbeit hat sich gelohnt: Als die Jets im Halbfinale Mannings wichtigste Anspielstationen Reggie Wayne und Dallas Clark aus dem Spiel nahmen, da warf Manning eben zu seinen jungen Receivern. Und die gewannen das Spiel für ihn.
Brees' Truppe von Passfängern ist ähnlich stark wie die der Colts. Und so wird am Sonntag der gewinnen, der dem gegnerischen Angriffswirbel mehr entgegenzusetzen hat. Will man das Passspiel unterbinden, so lautet das Ziel Nummer eins: "The other team's quarterback must go down. And he must go down hard." Zitat Al Davis, vor ca. 30 Jahren. Zu Deutsch: "Der gegnerische Quarterback muss zu Boden. Und es muss ihm wehtun." Gegen Peyton Manning wird das allerdings nicht leicht. Nur 13 Sacks ließen die Colts diese Saison zu: Weil ihre Offensive Line ganz gut ist. Vor allem aber, weil Manning so gut vorbereitet in ein Spiel geht, dass ihn wenig überraschen kann, was der Gegner versucht. Und deshalb kann er schnelle Entscheidungen treffen und den Ball zeitig loswerden. Bevor die Abwehr bei ihm ist.
Ob die Colts ihrerseits Drew Brees unter Druck setzen können ist ebenfalls fraglich. Zwar ist Brees nicht so unsack-bar wie Manning, aber der beste Defensive Ende der Colts, Dwight Freeney, erlitt im Halbfinale einen Bänder(an)riss. Mitwirken unsicher. Was nichts anderes heißt als: Feuer frei für Brees und Manning. Auf einen Sieger will ich mich eigentlich nicht festlegen. Wenn ihr mich mit vorgehaltener Waffe zwingen würdet, auf eins der beiden Teams zu setzen, würde ich die Colts nehmen. Ziemlich sicher bin ich mir allerdings, dass beide Teams zusammen über 600 Passyards produzieren werden. Darauf würde ich fast wetten (wenn ich wetten würde).
Andreas
In jedem Fall darf man ein Passfeuerwerk erwarten. Vielleicht nicht ganz so extrem wie im Pro Bowl am vergangenen Wochenende (als 33 Läufen 91 Pässe gegenüber standen), aber ähnlich. Denn zum zweiten Mal in Folge steht das schlechteste Laufteam der regulären Saison im NFL Finale. In der Vorsaison waren das die Arizona Cardinals, nun kommen die Indianapolis Colts als schwächster Laufangriff der Liga in den Super Bowl. Mal ehrlich, vor 15 Jahren wäre das noch völlig unvorstellbar gewesen. Iideale Offensivbalance bedeutete: 60% Lauf, 40% Pass. Ist noch gar nicht so lange her.
Damals galt: Laufspiel ist das Fundament des Angriffs, manche Trainer ließen nur dann Werfen, wenn es gar nicht anders ging. Das Laufspiel legte den Grundstein für die Passattacke. Und wenn man wirft, so glaubten damals viele, können nur drei Dinge passieren und zwei davon sind schlecht: Vollständiger Pass, unvollständiger Pass und Interception. Dass ein Running Back auch Raumverlust kassieren oder den Ball verlieren kann, ließ man in dieser Grundregel der Football-Konservativen mal so eben unter den Tisch fallen. Egal. Heute denken die meisten Trainer nicht mehr so. Die Wahrheit im neuen Jahrtausend lautet: Man passt, um in Führung zu gehen. Und dann läuft man, um die Führung über die Zeit zu schaukeln. Und sowohl die Colts als auch die Saints "passen" voll rein ins neue Jahrtausend.
Natürlich gibt es Gründe für diesen Paradigmenwechsel im Football. Ende der 70er Jahre machte Bill Walshs Westcoast-Offense das kontrollierte Passspiel in den kurzen Zonen populär. Walsh ersetzte Laufspielzüge durch kurze Pässe. Dadurch steigerte sich natürlich auch die Trefferquote der Quarterbacks (weil die Pässe leichter wurden), was nichts anderes als mehr First Downs bedeutete. Das Passspiel wurde für Trainer eine berechenbare Größe. Dazu kam das Aussterben der extrem lauforientieren Offensivsysteme im College Football. Stattdessen setzten die Coaches an den Universitäten immer mehr auf den Pass. Und prompt bekam die NFL aus ihrer inoffiziellen Nachwuchsschule immer besser ausgebildete Spielmacher.
Dazu kamen im College neue Angriffsphilosophien wie die "Spread Offense", die mit vielen Passempfängern Abwehrformationen auflockerte und mehr Räume sowohl für Lauf- als auch für Passspiel schaffte. Und so schlichen sich in den vergangenen fünf Jahren in der NFL immer mehr Formationen mit 4 oder 5 Passfängern ein. Anfang der 90er waren 3 Receiver der letzte Schrei und hypermodern gewesen.
Prompt kommen Quarterbacks heute an die 70% Marke bei den vollständigen Pässen heran. Drew Brees von den Saints lag sogar knapp darüber, Manning etwas darunter. Vor 15 Jahren war man mit 60% Trefferquote extrem zielgenau, heute liegt man damit nur noch im Durchschnitt. Die Footballwelt hat sich verändert.
Und keiner hat sie mehr verändert als Peyton Manning. Der Spielmacher der Colts hat es in seiner NFL-Karriere zu einer nie dagewesenen Meisterschaft gebracht. Kein Quarterback der Liga hat so viele Freiheiten und so viel Einfluss auf das Offensivspiel seines Teams wie Manning. Manche sagen, er sei eigentlich in Personalunion Quarterback, Offensive Coordinator und Head Coach. Manning hat das Quarterbacking in der NFL auf ein ganz neues Niveau gehievt.
Aber auch Drew Brees hat sich in den vergangenen Jahren in das absolute Toplevel hineingespielt. Statistisch gesehen war seine Saison sogar noch besser als die von Peyton Manning. Der hat allerdings eine gute Ausrede (z.B. für seine 16 Interceptions): Manning musste erst den Verlust seines langjährigen Lieblingsreceivers Marvin Harrison verkraften. Und dann fiel mit Anthony Gonzalez auch gleich noch der Mann verletzt aus, der Harrison ersetzen sollte. Also musste Manning zwei blutjunge Receiver einarbeiten, nämlich Pierre Garcon und Austin Collie. Da kann es schon mal zu Timingproblemen kommen und die resultieren oft in Fehlpässen. Aber die Arbeit hat sich gelohnt: Als die Jets im Halbfinale Mannings wichtigste Anspielstationen Reggie Wayne und Dallas Clark aus dem Spiel nahmen, da warf Manning eben zu seinen jungen Receivern. Und die gewannen das Spiel für ihn.
Brees' Truppe von Passfängern ist ähnlich stark wie die der Colts. Und so wird am Sonntag der gewinnen, der dem gegnerischen Angriffswirbel mehr entgegenzusetzen hat. Will man das Passspiel unterbinden, so lautet das Ziel Nummer eins: "The other team's quarterback must go down. And he must go down hard." Zitat Al Davis, vor ca. 30 Jahren. Zu Deutsch: "Der gegnerische Quarterback muss zu Boden. Und es muss ihm wehtun." Gegen Peyton Manning wird das allerdings nicht leicht. Nur 13 Sacks ließen die Colts diese Saison zu: Weil ihre Offensive Line ganz gut ist. Vor allem aber, weil Manning so gut vorbereitet in ein Spiel geht, dass ihn wenig überraschen kann, was der Gegner versucht. Und deshalb kann er schnelle Entscheidungen treffen und den Ball zeitig loswerden. Bevor die Abwehr bei ihm ist.
Ob die Colts ihrerseits Drew Brees unter Druck setzen können ist ebenfalls fraglich. Zwar ist Brees nicht so unsack-bar wie Manning, aber der beste Defensive Ende der Colts, Dwight Freeney, erlitt im Halbfinale einen Bänder(an)riss. Mitwirken unsicher. Was nichts anderes heißt als: Feuer frei für Brees und Manning. Auf einen Sieger will ich mich eigentlich nicht festlegen. Wenn ihr mich mit vorgehaltener Waffe zwingen würdet, auf eins der beiden Teams zu setzen, würde ich die Colts nehmen. Ziemlich sicher bin ich mir allerdings, dass beide Teams zusammen über 600 Passyards produzieren werden. Darauf würde ich fast wetten (wenn ich wetten würde).
Andreas
Aufrufe: 9465 | Kommentare: 25 | Bewertungen: 17 | Erstellt:03.02.2010
ø 8.9
KOMMENTARE
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04.02.2010 | 09:11 Uhr
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Dr_D :
Fantastisch, jedenfalls für mich als Halbfan
Ich weiß nicht wie ich es begründen soll, aber ich habe die Befürchtung, daß dieser Super Bowl eben nicht das große Offensiv Feuerwerk wird.
Logisch begründen kann ich es nicht, ist so ein Gefühl. Das Wetter vielleicht, es regnete in Florida, die Pille ist glitschig, das Spielfeld naß, alles eher was zum laufen, als zum werfen.
Hoffentlich irre ich mich. Dann bleibt es einfacher wach zu bleiben
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04.02.2010 | 11:52 Uhr
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Ich kenne kaum einen Spieler, der soviel Spielverständnis hat und so eine Vision hat. Ich bin mir sicher - wenn Manning in den Ruhestand geht, dann dauert es nicht sehr lange, bis wir ihn als HC/OC wieder sehen werden.
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04.02.2010 | 14:13 Uhr
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S04_Star :
schöner blog, gefält mir.voallem die kleine geschichtsstunde war sehr aufschlussreich!
und die spielsysteme schön aufgeschlüsselt.
warum liest man nur so selten was von dir?
und wann sieht/hört man dich mal wieder live?
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04.02.2010 | 14:29 Uhr
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richtig schön die Entwicklung erläutert.
Aber ich habe irgendwie auch das Gefühl das es nicht so ein Highscoring-Game wird. Hoffentlich täusche ich mich.
Auf einen schönen Bowl.
Und wie S04 Star schon schreibt. Hoffentlich hört man dich mal wieder Live!!!
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04.02.2010 | 14:37 Uhr
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AndreasRenner : @S04 Star, Spiderman1982
Also Jungs, wenn Ihr so große Sehnsucht nach meiner Stimme habt, dann empfehle ich Euch die Zweitligakonferenz am Freitag um 18:00 Uhr oder am Samstag um 13:40 Uhr Liverpool gegen Everton. Zum Beispiel.
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04.02.2010 | 14:41 Uhr
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Den German Bowl jetzt mal ausgenommen...
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04.02.2010 | 14:44 Uhr
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AndreasRenner : @Master of Disaster
Du vergisst den Super Bowl in der ARD.
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04.02.2010 | 14:48 Uhr
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Ich meine aber jetzt mal exklusiv dem SB auf der Ard...
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04.02.2010 | 14:52 Uhr
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AndreasRenner : @flateric
An meinen Gehaltsvorstellungen liegt es sicher nicht. Eher daran, dass die ARD ihre Festangestellten in den Halb-Urlaub nach Miami schicken will. Und ohnehin nicht mit freien Mitarbeitern arbeitet. Erst Recht nicht mit solchen, die auch für andere Sender arbeiten.
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Allgemein gilt für mich: Die Mischung machts immer noch.