Lieber Cristiano,
wahrscheinlich kriegst du Post wie diese ziemlich oft. Wahrscheinlich täglich. Fanpost. Liebesbriefe. Hassbekundungen. Dich zwingt das wahrscheinlich nur zu einem Lächeln. Wenn überhaupt. Moses teilte das Meer, du die Fußballwelt. In Liebe und Hass. Nach mehr als einem Jahrzehnt dieser Polarisation hast du sicher schon ein dickes Fell.
Trotzdem muss es raus Cristiano, ich liebe dich.
Schon damals, als du als blutjunge, blondsträhnige Schmalzlocke zu Manchester United gewechselt bist. Als du noch grüner hinter den Ohren als Hulk dachtest, du könntest mit deinen Übersteigern durch die englischen Abwehrreihen stolzieren, und den ein oder anderen Verteidiger wohl auch noch in dessen Träumen Knoten in die Beine gespielt hast. Aus du selbst noch Flanken geschlagen hast und Linien beackert hast, als gäbe es für dich nichts Schöneres.
Ich liebe dich, du Weltfußballer, Final-Torschütze, Superstar.
Ich liebe dich, auch jetzt in Spanien, bei Madrid. Dem traditionsreichsten Verein der Welt, den man sich ohne dich trotzdem gar nicht mehr so richtig vorstellen mag. Ohne den Anführer, den Mann, der immer da ist, der immer alles gibt. Dem einstigen Flankengott, der jetzigen Tor-Maschine. Die meisten Tore in einer Champions-League-Saison, die meisten Champions-League-Tore überhaupt, der beste Real-Torschütze aller Zeiten. Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache, deine Sprache.
Ich liebe dich, du Kopfball-Ungeheuer, Freizeit-Freistoß-Cowboy, Genie.
Ich liebe dich für deine Magie, wenn du den Ball berührst, ihn sanft mit deiner Sohle streichelst und deinen Mitspielern butterweich und perfekt servierst. Genauso wie du es von ihnen eben erwartest.
Dein Weitschuss aus 40 Metern gegen den FC Porto, deine Freistöße gegen den FC Bayern oder den FC Portsmouth, dein Kopfball nun bei der EM gegen Wales. Hätten die Kameras plötzlich Michael Jordan eingefangen, der dir für diesen Sprung, für diese Athletik Applaus schenkt und seinen Hut zieht, es hätte keinen gewundert.
Ich liebe dich, du Anführer, Vorbild, kleiner Junge.
Ich liebe dich für deine Geschichte, die dich geprägt hat. Aus ärmlichen Verhältnissen bis zum besten Fußballer des Hier und jetzt. Allein mit deinem Willen, deinem Ehrgeiz und auch deinem Talent. Während andere sich darauf ausgeruht hätten, bist du heute noch der erste auf dem Platz und der letzte im Auto nach Hause wenn man deinen Kollegen Glauben schenken mag, egal ob Manchester, Madrid oder Madeira, Hauptsache Ronaldo.
Ich liebe dich, du Zweifler, Zauderer, Mensch.
Ich liebe dich für deine Emotionen, in denen du dich ärgerst. Weil du nicht verlieren willst, nicht kannst. Du willst jedes Spiel gewinnen, jedes Tor schießen. Diese Gier ist einzigartig. Und geht es doch mal schief, landet wieder ein Freistoß in der Mauer, du versucht es wieder und wieder. Und auch nach dem Spiel bleibst du Vollprofi, machst Selfies auf dem Platz, lächelst den Flitzern und Fans zu, fühlst dich nicht genervt. Denn du weißt, du bist doch einer von Ihnen. Also spendest du Millionen, gibst all denen etwas zurück, denen es nicht geht wie du. Alles was du machst, machst du nicht zu 100 sondern 120 Prozent.
Ich liebe dich.
Aber ich hasse dich auch.
Für all deine Gegner. Für all diese Momente, die du ihnen gibst, damit sie es so leicht haben, dich zu hassen, die Arroganz nachsagen können. Für deine Stärke, durch die jedes Verfehlen, jeder noch so kleine Fehler als riesig große Schwäche wirkt. Für dein Image. Du bist Egoist, Selbstdarsteller, Gockel, Sonnengott, Adonis, Perfektionist, Showman.
Und wahrscheinlich bist du das alles. Und was, wenn? Gott sei Dank bist du es. Einer der letzten Typen in einem Geschäft, das doch nach genau solchen Typen lechzt. Nach Typen wie dir.
Ich hasse dich, denn du bist das Beispiel für den Neid der unsere Gesellschaft zerfrisst. Wieso siehst du auch noch so aus? Wärst du nur knapp 15 Zentimeter kleiner, hättest schiefere Zähne und einen nicht ganz so muskulären Körperbau. Aber nein, du bist einer dieser Typen, die auch nach 120 Minuten Fußball aussieht, als käme er grad nur aus der Sauna. Der sich durch die Haare fährt, und mit einem Lächeln in die Kamera sicher 50 % der Frauenherzen vor dem Fernseher schmelzen lässt.
Das wird dir nicht vergönnt, genauso wenig wie dein unbändiger Wille, deine Art, dein Ehrgeiz, dein Talent, dein Können. Man muss dich vielleicht nicht mögen, aber man muss das alles anerkennen. Du bist Cristiano Ronaldo. Oft verglichen mit dem brasilianischen Ronaldo, dem echten Ronaldo wie viele sagen. Doch genau das bist du echt.
Deswegen liebe ich dich. Weil du Emotionen zeigst, egal ob Wut, Trauer, Freude du lässt das alles auf diesem Platz raus. Dein Wohnzimmer, dein Zuhause. Sollen sie dich doch Memme oder Heulsuse nennen. Du liebst das Spiel und noch viel mehr du lebst es.
Und jetzt, jetzt hol dir diesen Pokal. Hol dir den Lohn für die ganzen Jahre, für all diese Niederlagen, für die Prügel, für den Spott, für den Kampf mit der Nationalmannschaft, für die Jagd nach einem dieser Pokale, entweder der Goldpokal oder eben dieser eine siberne. Für deine Selbstlosigkeit, auch mit Verletzungen anzutreten, um einer Mannschaft zum Ruhm zu verhelfen, die das ohne dich wohl nie geschafft hätte. Dabei hättest du schon hinwerfen können. Und sie sagen du seist kein Teamplayer. Es wäre Portugals Titel, es wäre dein Titel. Portugals erster, vermutlich dein größter. Du hättest dich gekrönt. Wobei du das gar nicht mehr nötig hast.
Und wenn du ihn nicht holst, soll es wohl nicht sein. Du musst keinem etwas beweisen, schon lange nicht mehr. Nicht dir, nicht deinem Land, nicht den Fans. Und natürlich werden Sie dich trotzdem verhöhnen, Bilder von einem weinenden Superstar posten und mit dämlichen Kommentaren voller Schadenfreude posten.
Und doch, wird es diesen Moment geben, irgendwann, wahrscheinlich schon sehr bald schließlich bist auch du nicht mehr der Jüngste da ist deine Karriere vorbei. Dieses exzessive Sammeln von Rekorden, es wird ein Ende finden. Und dann kennen dich alle jungen Fans nur als Legende und den vielen Einträgen in den Geschichtsbüchern. Und die, die heute gegen dich sind, werden dann merken, wie schön es doch war, dich zu sehen. Einen der besten Fußballer, die je gegen den Ball getreten haben.
Und wie sehr wie es hätten genießen müssen.
