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21.05.2012 um 20:18 Uhr
Entzauberung der Wirklichkeit
Zwei Tage sind vergangen. Zwei Tage in denen sich die Ereignisse von Samstag Nacht mehrmals vor dem geistigen Auge abgespielt haben.

Und noch immer steht am Ende die Erkenntnis: "Das was passiert ist, ist unmöglich". Der Chelsea FC hat die UEFA Champions League 2012 in München gewonnen.

Von 100 Spielen gewinnt man (bei gleichem Spielverlauf) 100. Mehr Absicherungen und doppelte und dreifache Böden geht nicht. 50 mal gewinnst du alleine in der regulären Spielzeit, weil du schlicht und ergreifend minimum 3 Stück machst und sich niemand beschweren darf. Sollte das nicht reichen, kommen nochmal 30 Spiele hinzu die man gewinnt, weil man das 1-0 die restlichen 6 Minuten über die Zeit schaukelt. Wären wir bei 80. 15 Stück gewinnst du in der Verlängerung (Elfmeter, Chancen, etc) und sollte immer noch alles schief gehen, so sind die übrigen 5 Spiele nach einer 3-1 Gesamtführung sicher und safe nach Hause gebracht.

Es kam alles ganz anders. Es hat nicht gereicht, trotz zigtausenden, gefühlten Millionen Matchbällen. Hier noch von Pech zu sprechen ist da fast noch höhnischer als das Geblubber geistig Umnachteter in zahllosen Onlineforen. Nein es muss keiner Sympathie mit uns haben. Und gleich dreimal nicht für uns sein.

Aber was man muss, ist zu sagen woran es gelegen bzw. gemangelt hat. Schlicht und ergreifend an Eiern. Cochonnes (oder wie man das schreibt). Balls. Nuts. Klöten. Und das tut weh. Aber so richtig. Also richtig richtig.

Es lag nicht an mangelnder Fitness, schlechter Spielanlage, geringer Qualität oder anderem. Es gibt sicherlich genug Gründe (und auch berechtigte) diese Punkte anzuführen, für das was Samstag passiert ist gelten diese Kategorien nicht. Samstag lag es schlicht und ergreifend an fehlenden Bällen. Egal ob im Spiel, in der Verlängerung oder vom Punkt: Man hatte immer den Eindruck die Spieler hatten Angst zu treffen. Angst vor der eigenen Courage.

Nun wäre das alles halb so schlimm, ein LSD Trip des Schicksals wie anno 99 in Barcelona, wenn... ja wenn... Wenn es eben nicht das Finale dahoam, in der Allianz Arena, in München gewesen wäre. Der "Once in a lifetime shot", wie die Amerikaner herrlich pathetisch zu sagen pflegen. Natürlich war das Bohei überlebensgroß, was Medien und Verein veranstalteten. Natürlich ist das ein Riesendruck. Aber genauso klar ist auch, dass die Führungsriege der Spieler am Tag zuvor auf der PK demonstrativ depperte Jokes gerissen hat und sämtliche Vereinsvertreter immer nur davon sprachen "dieses Finale zu erreichen". Nie hat jemand klipp und klar gesagt "Sieg oder nix!". Stattdessem wurde trotzig davon gesprochen man würde eine goldene Generation werden, bzw. wäre es nicht ohne Titel.

All das und das zugehörige Selbstverständnis einer Stadt, welches zwischen hemmungslosen Größenwahn, Weltstadtphantasien und auch sonst eher in historischen Großkategorien denkt, alles das kulminierte zu einer nie dagewesenen Stimmung in der Stadt selber. Unmittelbar nach dem Triumph von Madrid wähnte man wieder so etwas, nun ja, historisches. Es langt halt manchmal nicht einfach nur die Champions League zu gewinnen, nein es muss das ganz große Theater sein. Und in diesem Punkt sind sich Verein, Fanschaft, Stadt und Freistaat einig, mich eingeschlossen. Kurzum: All das wofür Bayern (Verein und Land) eben gehasst, vielleicht sogar beneidet werden: Megalohmanie, Aufmerksamkeitsdefizit, Geltungssucht, Arroganz, gleichzeitig Spießertum, Lokalpatrotisches Scheissgehabe... sucht es euch aus.

Und genau das droht dem Verein jetzt alles um die Ohren zu fliegen. Die Chance ist vertan und kommt wohl nie wieder. Es ist nicht wieder gut zu machen. Das ist es, was so weht tut, das macht es brutaler als 99. Damals konnte man die Scharte auswetzen. Diesmal sitzts. Und zwar gscheid, deftig und für immer. Denn es ist nicht nur das Finale verloren, dahoam, blablawasweissichnichtalles. Nein, entscheident ist: Der FC Bayern ist schon seit längerem nicht mehr in der Lage, dann da zu sein wenn es um was geht. Mia san nimma mia, mia san am sack.

99 und 2001 mal ausgeklammert (schicksal, lsd, ausgleichende gerechtigkeit, etc.) ist irgendwo ein bruch entstanden, dass wenns wirklich um was ging, die Eier flöten gingen. Bremen 2004, St. Petersburg 2008, Wolfsburg 2009, Madrid 2010, Dortmund, Berlin, München 2012. Die Zweifel waren leise und wurden mit Attributen (auch von mir in zahlreichen diskussionen) "mei, Meisterchaft, UefaCup, 2012 dahoam dann, mei double" weggewischt. Der 19.5.2012 brachte letztendliche Gewißheit über das was man sich nicht eingestehen konnte und wollte: Die Generation Chefchen um Lahm und Schweinsteiger bringts nicht. Weder auf Verbands - noch auf Vereinsebene. Und die bislang prominent Gescheiterten bezieht auch ehemalige Bayernspieler mit ein: Ballack, Klose, Frings, Borowski, (auch der von mir verehrte) Makaay... Alle ohne die ganz große Nummer. Die Beispiele Ribery und Robben zeigen auch, dass es unabhängig von der heute von spox beschriebenen "Versagermentalität" (hartes wort ich weiss, bewusst!) der Deutschen generell, Bayernspieler gibt, denen das was die bayern seit 40 Jahren auszeichnete, abgeht: Das Bayerngen.

Ironie, nein Sarkasmus, nein Zynismus der Geschichte ist, dass der einzige Spieler dem dieses Bayerngen in den letzten Jahren innewohnt und es sich in aller Deutlichkeit gezeigt hat, kommt aus Gelsenkirchen-Buer. Der gebürtige Schalker Ultra Manuel Neuer hat als einziger verstanden, was es heisst für den FC Bayern München zu spielen. Dafür gebührt ihm mein tiefster Respekt auch wenn ich seiner Verpflichtung zu Saisonbeginn doch sehr skeptisch gegenüber gestanden bin (nicht aus den gründen der Schickeriatrottel, sondern weil ich ihn für nicht so gut befunden habe 25 millionen dafür zu zahlen). Manuel Neuer ist der einzige legitime Erbe der Generation 2001 und als ernst gemeinter Vorschlag: Wer soll denn bitte sonst Kapitän sein als er?!

Uli Hoeneß sprach davon er hat keinen Jens Jeremies gesehen. Effe hat gefehlt, Giovanne hat gefehlt, Mehmet hat gefehlt, Fink hat gefehlt. Olli war da.

Ein Blauer, der als einziger das hat was den FC Bayern auszeichnet. Blaue, die in der roten Arena den größten roten Traum zerstören. Die Tatsache, dass man das Vize Triple auch als zweiter errungen hat...


Die Wirklichkeit wurde Entzaubert.
Aufrufe: 1706 | Kommentare: 0 | Bewertungen: 0 | Erstellt:21.05.2012
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